Konzerte Saison 2010-2011

  • 11.1.2011
  • 20.15
  • 85.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Stefanie Irányi, Mezzosopran Helmut Deutsch, Klavier

Stefanie Irányi wurde im Chiemgau geboren. Sie studierte an der Hochschule für Musik und Theater München, wo sie 2006 mit Auszeichnung abschloss. Zuletzt war sie Meisterklassenstudentin der Liedklasse von Helmut Deutsch in München. Sie war Stipendiatin der Yehudi Menuhin Stiftung und Preisträgerin des Deutschen Bühnenvereins, des Schumann Wettbewerbs und des Internationalen Förderpreiswettbewerbs in München. Im Herbst 2004 errang sie den ersten Preis im Bundeswettbewerb für Gesang in Berlin. Sie gibt Liederabende in Barcelona, Schubertiade Vilabertran, Konzerthaus Wien, Wigmore Hall London, Genf und München. 2006 debütierte sie in Turin mit grossem Erfolg in einer Neuproduktion der Oper „The Consul“ von Giancarlo Menotti. Engagements an den Opernhäusern von Venedig, Neapel, Ancona, Turin sowie Orchesterkonzerte in Krakau, Warschau, im Wiener Konzerthaus und Musikverein, Münchner Herkulessaal, Théâtre des Champs-Élysées in Paris und in Palermo folgten und zählen zu den wichtigen Stationen der letzten Jahre. Zu ihrem Konzertrepertoire gehören alle grossen Bachwerke, Händels Messias, Beethovens Missa Solemnis, Mendelssohns Elias und Paulus, Dvořáks Requiem und Stabat Mater, die Altrhapsodie von Brahms, das Verdi Requiem und u.v.a. Im Basler Münster wirkte sie im April 2010 in Haydns „Stabat Mater“ mit. In ihrer Diskographie finden sich die Titelpartie in Simon Mayrs Matrimonio di Tobia, Dvořáks Requiem sowie mehrere CDs mit Liedern und Duetten von Brahms und Schumann.

Helmut Deutsch, 1945 in Wien geboren, hat an der dortigen Musikhochschule Klavier und Komposition und an der Universität Musikwissenschaft studiert und später auch unterrichtet. 1967 erhielt er den Kompositionspreis seiner Heimatstadt. Als Partner vieler berühmter Instrumentalisten hat er sich als Kammermusiker in aller Welt betätigt. Berühmt geworden ist er aber vor allem als Liedbegleiter der bedeutendsten Sängerinnen (angefangen hat er mit Irmgard Seefried) und Sänger der letzten Jahrzehnte sowohl in Liederabenden in der ganzen Welt als auch in unzähligen Platteneinspielungen. Helmut Deutsch ist Professor für Liedgestaltung an der Hochschule für Musik und Theater in München und gibt Interpretationskurse in Europa und Japan. Er ist bisher zweimal, 2004 mit Juliane Banse und 2007 mit Diana Damrau, als hervorragender Liedpianist in unseren Konzerten aufgetreten.

Franz Schubert 1797-1828: An mein Herz (Ernst Schulze), D 860 (1825) *

Ludwig Thuille 1861-1907: Am Heimwege, op.7/7 (Karl Stieler) *

Franz Schubert: Dass sie hier gewesen (Friedrich Rückert), op. 59/2 D 775 (1823?) *

Hans Gál 1890-1987: Vergängliches, op.33/1 (Hugo von Hofmannsthal) (1921) *

Franz Schubert: Du liebst mich nicht (August von Platen), op. 59/1 D 756 (1822) *

Klaus Pringsheim 1883-1972: Die Wogen aber weinten, op.25/2 (Fritz Boré) *

Franz Schubert: Heimliches Lieben (Karoline L. von Klenke), op. 106/1 D 922 (1827) *

Lieder der Mignon (Johann Wolfgang von Goethe, aus: Wilhelm Meister):

Franz Schubert: Heiss mich nicht reden, op. 62/2 D 877/2 (1826)

Robert Schumann 1810-1856: Heiss mich nicht reden, op. 98a/3 (1849)

Franz Schubert : Nur wer die Sehnsucht kennt, op. 62/4 D 877/4 (1826)

Hugo Wolf 1860-1903: Nur wer die Sehnsucht kennt (Goethe-Lieder Nr. 6) (1888) *

Franz Schubert: So lasst mich scheinen, op. 62/3 D 877/3 (1826)

Hugo Wolf: Kennst du das Land (Goethe-Lieder Nr. 5) (1888) *

Erich Wolfgang Korngold 1897-1957: Nachtwanderer (Joseph von Eichendorff), op. 5/8 bzw. op. 9/2 (1914)

Franz Schubert: Der Tod und das Mädchen (Matthias Claudius), op. 7/3 D 531 (1817) *

Alban Berg 1885-1935: Schlafen, Schlafen, nichts als Schlafen op. 2/1 (Friedrich Hebbel, aus: Dem Schmerz sein Recht, Nr. 4) (1909/10) *

Franz Schubert: Gruppe aus dem Tartarus (Friedrich Schiller), op. 24/1 D 583 (1817) *

Franz Schreker 1878-1934: Einst gibt ein Tag mir alles Glück zu eigen (Edith Ronsperger) (aus: Fünf Gesänge 1909, Nr. 5) *

Franz Schubert : Totengräbers Heimweh (Jakob Nikolaus Craigher), D 842 (1825)

Franz Schubert: Bei dir allein (Johann Gabriel Seidl), op. 95/2 D 866/2 (1828?)

Alexander Zemlinsky 1871-1942: Selige Stunde, op. 10/2 (Paul Wertheimer) (1901?) *

Franz Schubert: Das Rosenband (Friedrich Gottlieb Klopstock), D 280 (1815) *

Joseph Marx 1882-1964: Selige Nacht (Otto Erich Hartleben) (1912) *

Franz Schubert: Rastlose Liebe (J. W. v. Goethe), op. 5/1 D 138 (1815)

Alexander Zemlinsky: Entbietung, op. 7/2 (Richard Dehmel) (1900?) *

Franz Schubert: Versunken (J. W. v. Goethe), D 715 (1821) *

Bekannt – unbekannt: Der Liedkomponist Schubert und seine Nachfolger

Im heutigen Programm werden in vier Gruppen bekannte und weniger bekannte Lieder Schuberts zumeist unbekannten Liedern späterer Komponisten, die ihrerseits nur zum Teil bekannt sind, in spannender Abfolge gegenübergestellt. Den vier Gruppen könnte man die Titel geben: I. Verlust der Liebe – II. Mignon – III. Begegnungen mit dem Tod – IV. Erfüllung der Liebe. Es ist unmöglich, die Lieder hier einzeln zu besprechen, schon gar nicht diejenigen Schuberts. Die bekannteren dürften geläufig sein, die weniger bekannten ergänzen diese zu einem fast alle Schaffensphasen umfassenden Bild von Schuberts Liedkunst. Sieht man von der „Winterreise“ und den Liedern des sogenannten „Schwanengesangs“ ab, so ist es ja höchst erstaunlich, dass bei Schuberts Liedern im Gegensatz zu den Instrumentalwerken kaum eine Qualitätsentwicklung auszumachen ist. Nicht nur bei den als op. 1 und 2 veröffentlichten „Erlkönig“ (1815) und „Gretchen am Spinnrade“ (1814) ist die Qualität seiner Vertonungen schon in frühen Jahren enorm hoch. Natürlich stehen in allen Phasen seines Liedschaffens aber neben den herausragenden Vertonungen auch weniger bedeutende und anspruchsvolle. Es ist jedem Einzelnen überlassen, über die Qualität und Kunst gerade der weniger bekannten Lieder nachzudenken und zu urteilen. An Schubert müssen sich alle andern Liedkomponisten bis ins 20. Jahrhundert hinein messen lassen, ob sie nun durch ihr Liedschaffen bekannt geworden sind oder nicht – und so erhält dieser Liederabend eine weitere, spannende Dimension.

Neben den grossen Liedkomponisten Schubert, Schumann und Wolf sowie den immerhin bekannten Namen wie Berg, Korngold, Schreker und Zemlinsky dürften Thuille, Gál, Marx oder gar Pringsheim wenig vertraut sein. Darum hier lediglich einige kurze biographische Angaben zur letzten Gruppe und einige Anmerkungen zu zwei der bekannteren.

Vom im damals österreichischen Bozen geborenen, später in München als gesuchter Lehrer wirkenden und dort früh verstorbenen Ludwig Thuille, einem engen Jugendfreund von Richard Strauss, ist manchmal noch das Sextett für Klavier und Bläser (1886-88; 1934 bei der Gesellschaft für Kammermusik aufgeführt) zu hören. Die damals zum Teil erfolgreichen Opern spielt heute niemand mehr. Thuilles spätromantischen Stil könnte man als Mischung aus Klassisch-konservativ und gemässigt Neudeutsch umschreiben. Der Text des Liedes „Am Heimwege“ stammt von Karl Stieler; er war der Sohn des durch die Schönheitengalerie im Schloss Nymphenburg und berühmte Porträts (Beethoven, Goethe) bekannten Hofmalers König Ludwigs I. von Bayern, Joseph Karl Stieler (1781-1858).

Der in hohem Alter erst vor etwas mehr als 20 Jahren verstorbene Niederösterreicher Hans Gál hat in Wien bei Eusebius Mandyczewski, dem Brahms-Schüler und mit diesem Herausgeber der Alten Schubert-Gesamtausgabe, studiert und war dort auch als Lehrer tätig. 1929 ging er als Konservatoriumsdirektor nach Mainz, musste aber 1933 Deutschland und 1938 auch Österreich verlassen. Nach 1945 wirkte er als Lehrer und Dirigent in Edinburgh. Er verfasste Bücher über Komponisten (Schubert, Brahms, Wagner, Verdi). Seine Kompositionen sind stark von Brahms geprägt. Das umfangreiche Werk umfasst Orchestermusik (Sinfonien, Konzerte), Kammermusik und Vokales (Lieder und Opern). Das 1929 bei N. Simrock veröffentlichte Lied „Vergängliches“ ist Teil des fünf Nummern umfassenden op. 33 von 1921.

Den Namen Pringsheim kennt man aus der Familie Mann. In der Tat war Klaus der Zwillingsbruder von Katia, der Frau Thomas Manns. Sein Vater, der Mathematikprofessor Alfred, ist Wagnerkennern als Freund Richard Wagners, Kunstkennern als Mäzen und Sammler bekannt. Klaus, Schüler Ludwig Thuilles und Mahlers, war unter Mahler als Korrepetitor in Wien, dann als Dirigent und Regisseur in Genf, Prag und Breslau tätig. In Berlin wirkte er 1918-25 als musikalischer Leiter bei Max Reinhardt. 1931 erhielt er einen Ruf nach Tokio; Versuche, während des 2. Weltkriegs in die USA zur Familie seiner Schwester überzusiedeln, scheiterten; erst 1946-51 lebte er dort. Den grössten Teil seines späteren Lebens verbrachte er wieder in Japan, wo er 1972 in Tokio gestorben ist. Als Dirigent leitete er namhafte Orchester (BBC London, Berliner Philharmoniker, Israel Philharmonic etc.) und war Lehrer namhafter Dirigenten. Sein Stil wurde von der Münchner Neuromantik, dazu von Wagner, Mahler und Strauss beeinflusst.

Joseph Marx stammte aus Graz, wo er Musik studiert und an der Universität promoviert hat. 1914 wurde er als Professor für Musiktheorie und Komposition an die Akademie in Wien berufen. 1922 übernahm er ihre Leitung und betrieb die Umformung zur Hochschule. Kammermusik und einige Orchesterwerke stehen neben Vokalkompositionen. Darin hatte er in seinem steirischen Landsmann Hugo Wolf ein grosses Vorbild. Er verkörpert eine Synthese von Stimmung und Schönheitsempfinden, Melodiefreude und Klanglichkeit (hier spielt Skriabin mit hinein), überquellender Phantasie und klarem Denken des Wissenschaftlers. Man hat ihn als Meister des romantischen Impressionismus bezeichnet. Rund 120 seiner 150 Lieder sind zwischen 1908 und 1912 noch in Graz entstanden. Sie trugen wesentlich zu seiner Berufung nach Wien bei.

Das Wunderkind Korngold, Sohn des bekannten und gefürchteten Wiener Kritikers Julius Korngold, hat 1911 als 14jähriger 12 Eichendorff-Lieder vertont und sie seinem Vater zum Geburtstag geschenkt. Er wollte sie wohl veröffentlichen. Auf das Deckblatt schrieb er „op. 5 So Gott und Papa will“. Doch Papa wollte nicht! Und so kam das geplante, bis vor kurzem unveröffentlicht gebliebene und erst von Helmut Deutsch rekonstruierte op. 5 trotz raffinierter Harmonik und sprühender Erfindungsgabe nicht Eichendorff zugute, sondern der üppig umfangreichen Sinfonietta. Mit Orchesterwerken – dachte wohl Papa – könne das Wunderkind grössere Erfolge feiern als mit Liedern. Drei dieser Lieder (sie erklangen 2007 mit Dietrich Henschel in unseren Konzerten), wohl die gelungensten aus dem Zyklus, übernahm der junge Komponist 1916 in seine sechs „Einfachen Lieder“ op. 9.

Franz Schreker wurde als Sohn eines böhmischen Photographen in Monaco geboren. Einige seiner acht Opern gehörten zwischen 1912-32 zu den meistaufgeführten in Europa, verschwanden aber ab 1933 aus den Theatern, da die Nationalsozialisten die Musik – und erst recht noch eine harmonisch so gewagte – eines jüdischen Komponisten als entartet verboten. Heute kehren sie langsam ins Repertoire zurück, vor allem Der ferne Klang und Die Gezeichneten. Erfolg hatten zu Schrekers Zeit auch die Lieder. 48 sind überliefert; die meisten davon entstanden vor 1902, elf von 1909 bis 1923. 24 davon wurden zu Schrekers Lebzeiten von der Universal Edition herausgegeben; die übrigen 24 erschienen 2005. Sie werden heute als interessanter Beitrag zur neuen Musik um die Jahrhundertwende und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zur Kenntnis genommen.

rs