Jens-Peter Maintz, Violoncello
Der Hamburger Cellist Jens Peter Maintz studierte bei David Geringas und besuchte Meisterkurse bei Heinrich Schiff, Boris Pergamenschikow und Siegfried Palm. 1994 gewann er den ARD-Musikwettbewerb in München. 1995 bis 2004 war er Erster Solocellist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Seither lehrt er als Nachfolger Wolfgang Boettchers als Professor an der Berliner Universität der Künste. Seine Solistenkarriere brachte ihn mit namhaften Dirigenten zusammen; dabei interpretierte er auch viele Werke zeitgenössischer Komponisten. 1998 bis zu dessen Auflösung 2006 war er Mitglied des Trio Fontenay, mit dem er 2004 auch in unseren Konzerten aufgetreten ist. Kammermusik spielte er auch mit dem Artemis, dem Carmina und dem Minguet Quartett sowie mit Kolja Blacher, Isabelle Faust, Janine Jansen, Wolfram Christ oder Antoine Tamestit. Seit 2006 ist Jens Peter Maintz auch Solocellist in Claudio Abbados Lucerne Festival Orchestra.
Gibt es ein Streichquintett mit zwei Celli von Brahms? Ja! Einmal abgesehen davon, dass ein solches tatsächlich existiert hat, gibt es seit einiger Zeit dieses Quintett wieder, erst recht seit 2006. Doch beginnen wir vorne. Im Sommer 1862 schrieb Brahms, gerade 29-jährig, ein Streichquintett mit zwei Celli und schickte es an Clara Schumann und Joseph Joachim. Clara reagierte am 3. September begeistert: „Ich weiss nicht recht, wie ich’s anfangen soll, Dir mit ruhigen Worten zu sagen, welche Wonne ich an deinem Quintett habe. Ich habe es viele Male gespielt, und mir ist das Herz ganz voll davon! Das wird ja immer schöner, herrlicher!“ Joseph Joachim schrieb etwas später: „Es ist, soviel ist mir gleich klar, ein Stück von tiefster Bedeutung, voll männlicher Kraft und schwungvoller Gestaltung.“ Im April 1863 allerdings bemängelte er dann den fehlenden „Klangreiz“ und die Instrumentation, die er einerseits als „ohnmächtig dünn“, andererseits als „zu dick“ beurteilte. Er schrieb an Brahms: „So wie das Quintett ist, möchte ich es nicht öffentlich produzieren – aber nur, weil ich hoffe, du änderst hie und da einige selbst mir zu grosse Schroffheiten und lichtest hie und da das Kolorit.“ Clara Schumann schloss sich den Bedenken an. Brahms erstellte daraus eine Sonate für zwei Klaviere und danach, nochmals zur Umarbeitung gedrängt, das Klavierquintett. So kennen wir das Werk heute vor allem; die Sonate ist seltener zu hören. Es sei nicht verschwiegen, dass Joachim – wie später bei den Violinkonzerten von Schumann und Dvořák, die heute noch darunter leiden – mit seiner Kritik ein wichtiges Werk im wahrsten Sinne zu Fall gebracht hat: Brahms hat die Streicherfassung wie frühe Streichquartette offensichtlich vernichtet. Natürlich hat man immer wieder daran gedacht, die Urfassung zu rekonstruieren, und es auch getan, so 1941 Sebastian H. Brown. Um 2006 hat der finnische Cellist Anssi Karttunen, im vollen Bewusstsein des hypothetischen Resultats, eine neue, andere Version erstellt. Für ihn ist die Streicherfassung instrumentengerechter als die Klavierquintettversion. Seine Gedanken zur Rekonstruktion kann man unter web.me.com/anssivk/Anssi/Brahms nachlesen. Der erste Satz entwickelt sich aus einem viertaktigen Motto und bringt drei kontrastierende Themengruppen. Das Andante in As-dur wirkt nach dem üppigen Kopfsatz intermezzohaft. Das c-moll-Scherzo weist mit der für Brahms typischen entwickelnden Variation auf den ersten Satz zurück; das Trio nimmt als Variante das zweite Scherzo-Thema auf. Das Finale, Höhepunkt des Werkes, beginnt mit einer langsamen Einleitung, aus der sich das Hauptthema herausschält. Was wie ein Sonatensatz beginnt, erweist sich als viel komplizierter und bedient sich erneut variierender Techniken.
Wenn ein Kammermusikwerk höchste Bewunderung verdient und sie auch erhält, so ist es Schuberts C-Dur-Quintett. Mehr noch als die letzten Quartette, die ihm nahe stehen, insbesondere das in G-dur, führt es einen Schritt in eine letztlich nicht mehr begreifbare musikalische Welt. Und doch ist es nicht nur Esoterik und Mystizismus, wie man sie im Adagio empfinden mag, sondern neben dunklen und verklärten Klangfarben und Harmonien steht durchaus Lebhaft-Schwungvolles. Rhythmisch hat das Werk einiges zu bieten, wie das Scherzo und das Final-Allegretto zeigen. Über dem Ganzen liegt gleichwohl eine Stimmung, welche das Werk in andere Dimensionen hebt. Da mag noch jemand sagen, C-dur sei eine ein- und diesseitige Tonart ohne Geheimnisse. Schubert verwendet C-dur nicht als Ausdruck von Glanz und Pracht; er bricht es im Gegenteil dauernd, etwa durch Molltrübungen, und gibt ihm harmonisch neue Farben. So verwundert nicht, dass der Leipziger Verleger Probst, dem Schubert das Quintett mit Brief vom 2. Oktober 1828 zusammen mit den Heine-Vertonungen des sog. „Schwanengesangs“ und den drei letzten Klaviersonaten angeboten hatte, kein Verständnis für solche Werke aufbringen konnte. Schon früher hatte er Schubert gegenüber geäussert, „dass der eigne, sowohl oft geniale, als wohl auch mitunter etwas seltsame Gang Ihrer Geistesschöpfungen“ ihm Mühe bereite, gerade in Schuberts besten Werken. So kam es, dass das Quintett, welches laut Schuberts Brief „dieser Tage erst probirt“ worden war, zu seinen Lebzeiten nie aufgeführt worden ist. Erst 1853 wurde es von C. A. Spina veröffentlicht und teilt damit das Schicksal mancher grosser Schubert-Werke. Gegenüber der grossen C-dur-Sinfonie weist es gar einen Rückstand von 13 Jahren auf. Auffällig ist am C-dur-Quintett auch die Besetzung. Die Werke, welche Schubert für ein Streichquintett am ehesten vor Augen hatte, die Quintette Mozarts, verwenden zwei Bratschen. Diese Besetzung hatte der vierzehnjährige Schubert denn auch für seine Quintett-Ouvertüre in c-moll D 8 (1811) wie selbstverständlich gewählt. Ob Schubert Boccherinis Quintette mit zwei Celli kannte, ist fraglich. Im Gegensatz zum Cellisten Boccherini hatte er keinen äusseren Anlass für die Verwendung eines zweiten Cellos, auch kaum durch einen Auftraggeber, wie dies im Forellenquintett mit dem Kontrabass der Fall war. Es müssen innere Gründe gewesen sein, welche ihn zu dieser Besetzung geführt haben. Das Geheimnisvoll-Dunkle des Quintetts wird durch die tiefere, vollere Klangfarbe der beiden Celli verstärkt. Es gibt dem ersten Cello die Gelegenheit zum Singen in der Tenorlage, ohne dass dadurch der Bass verwaist wäre. Dies wird besonders in dem wunderbaren Adagio erkennbar, wo das erste Cello den die Melodie tragenden Mittelstimmen beigefügt ist, während das zweite im Pizzicato die Basslinie vertritt. Gerade in diesem Satz erkennen wir auch Schuberts innovative Gestaltung, welche mehr das Inhaltliche als das Formale betrifft. Was wie eine simple dreiteilige Form daherzukommen scheint, wird durch den Kontrast zwischen der Melodieseligkeit der Rahmenteile und dem unheimlich erregten Mittelteil zu etwas Neuartigem. Das Umgekehrte erleben wir im Scherzo, wo der Lebenslust und Vitalität in voller Wucht und im Fortissimo, wie sie die Rahmenteile prägen, ein die Stimmung des Adagios aufgreifendes, sie aber ins Geheimnisvolle und Klagende, ja Bedrohliche verwandelndes Trio entgegengesetzt wird. Für die völlig konträre Stimmung wählt Schubert mehrere Gegensätze: Dem Dreivierteltakt steht ein Viervierteltakt, dem hier durchaus glänzenden C-dur Des-dur, dem Presto ein Andante sostenuto gegenüber. Auch das zunächst volkstümlich heiter wirkende Finale weist zahlreiche Brüche auf, welche tiefere Töne anschlagen als Lebensfreude und Lustigkeit. Verhaltenes und Beängstigendes kommen auch hier vor. Man höre etwa den Schluss mit seiner Stretta, welche in einem dissonanten fff-Akkord (des / f / h / g) gipfelt, bevor ganz am Ende unisono der Ton C steht. Ist das, ohne Terz und Quint, reines, strahlendes C-dur? Oder doch eher ein offener Schluss?