Jacques Wildberger, einer der namhaftesten und wichtigsten Schweizer Komponisten unserer Zeit, wurde in Basel geboren und hat hier studiert. Es folgten Kompositionsstudien bei Wladimir Vogel in Ascona. 1966 wurde er Dozent in Karlsruhe, 1967 Stipendiat in Berlin. Bis 1987 lehrte er Komposition, Analyse und Satzlehre am Basler Konservatorium. Für seine Werke, in denen er als erster Schweizer die Zwölftontechnik anwandte, erhielt er mehrere Preise, zuletzt 1987 den Kulturpreis seiner Wohngemeinde Riehen. Wildbergers ernsten, in die Tiefe lotenden, jeder Form von Popularität abholden Qualitäten haben ihm vor allem in Deutschland hohe Anerkennung verschafft; sie treten auch in seiner ersten Streichquartettkomposition hervor. Er schreibt dazu:
In meinem Streichquartett nehme ich Abschied („Commiato“) von einer Frau aus meinem engeren Lebenskreis, die unter besonders tragischen Umständen im Alter von 34 Jahren gestorben ist. Ich habe versucht, meiner Befindlichkeit angesichts dieses Todes musikalische Gestalt zu verleihen: Zuerst das Wiederfinden von Sprache aus dem Geräuschhaften, dazu ein Zitat aus Mahlers 1. Kindertotenlied („...ein Lämpchen erlosch...“); dann eine Melodie, im 4-stimmigen Kanon mit sich selbst verstrickt; darauf ein Ausbruch unverhüllten Protestes. Zu Beginn des letzten Teils das musikalische Porträt der Verstorbenen, indem jeder Silbe des Namens – frei nach Josquin – eine Solmisationssilbe gleichen Vokals zugeordnet wird, freilich, entsprechend dem heutigen musikalischen Idiom, unter Zuhilfenahme von Versetzungszeichen, was den Aufbau einer 10-Ton-Reihe ermöglicht. Auch hier führt die Auffächerung zum 4-stimmigen Kanon zu einer Verstrickung mit sich selbst, ohne Hoffnung auf Befreiung. Im Schlussabschnitt tritt ein konstanter marschartiger Puls immer deutlicher und härter hervor: das unerbittliche Schicksal, das keine unserer Fragen beantwortet und schliesslich einfach ins Leere abbricht.