• Composition details
  • Streichquartett Nr. 78, B-dur, op. 76, Nr. 4, Hob. III:78 «The sunrise» (1797)

Joseph Haydn 1732-1809

Am 19. August 1799 schrieb der englische Musikhistoriker Charles Burney (1726–1814) an Haydn: „Ich hatte das grosse Vergnügen, Ihre neuen Quartetti (Opera 76) gut aufgeführt zu hören (...); Instrumentalmusik hat mir noch nie so grosse Freude beschert; sie sind voller Erfindungsgabe, Feuer, gutem Geschmack und neuen Effekten und scheinen das Werk nicht eines sublimen Genius zu sein, der schon so viel und so gut geschrieben hat, sondern eines von höchst kultivierter Begabung, der zuvor nichts von seinem Feuer hergegeben hat.“ Über die Entstehung der letzten Sechserserie von Streichquartetten wissen wir fast nichts. Einem Brief von Haydns schwedischem Freund Silverstolpe vom 14. Juni 1797 ist einzig zu entnehmen, dass damals zumindest ein Teil der Werke vollendet war. Longman & Clementi in London brachte alle sechs in zwei Heften als op. 76 1799 (Nr. 1–3 als erster im April) und 1800 heraus, während Artaria in Wien sie im Juli bzw. Dezember 1799 mit Widmung an Graf Erdödy je zu dritt als op. 75 und 76 (vergleichbar den opp. 71 und 74) veröffentlichte. Haydn hat wieder einmal gleichzeitig die gleichen Werke mehreren Verlegern, zusätzlich auch in Paris, angeboten. Graf Erdödy scheint, wieder laut Silverstolpe, für 100 Dukaten die Rechte zwei Jahre lang für sich erhalten zu haben – das geht aber chronologisch nicht ganz auf. Das vierte Stück der Serie trägt aufgrund des Beginns in England den Beinamen „Sunrise“ (in Frankreich „L’Aurore“), weil man in der piano, ruhig und weich aufsteigenden Violinstimme über einem liegenden B-dur-Akkord der übrigen Streicher das Erscheinen und Aufsteigen der Sonne durch Dunst oder Nebel zu hören glaubte. Erst mit der Zeit steigert sich die Figur, die man kaum als Thema bezeichnen möchte, zum Fortissimo. Einen wahren Sonnenaufgang in strahlendem C-dur-fortissimo hat Haydn zu Beginn der teilweise gleichzeitig entstandenen Schöpfung komponiert. Erstaunlicherweise lässt Haydn anstelle eines zweiten Themas die gleiche Melodielinie absteigend vom Cello vortragen, diesmal unterhalb des Akkords (jetzt in F-dur). Haydn verarbeitet das Thema nicht, was zu dem eher statisch wirkenden, beinahe romantischen Klangbild passt. Auch der „chromatische Hymnus voll der ‚romantischsten’ Harmonien“ (W. Konold) des – so mehrere Musikführer – empfindungstiefen Adagios entspricht dem. Das heitere Menuett überrascht im Trio nach volksliedhaftem Beginn über einem Dudelsack-Bordun mit einer fahlen unisono gestalteten Abwärtsbewegung. Das zunächst bedächtig und rondohaft einsetzende Finale steigert in einer langen Coda das Tempo allmählich über allegro bis hin zur più presto-Stretta.
Allegro con spirito
Adagio
Menuetto: Allegro
Finale. Allegro ma non troppo