Wagner und Brahms, Mahler und Schönberg, sein ehemaliger Schüler, haben auf Zemlinsky Einfluss ausgeübt. Auch bei ihm gibt es ein frühes Quartett (1893, E-dur), das aber vom Wiener Tonkünstlerverein nicht zur Aufführung angenommen wurde. Das offiziell erste Quartett (1895/96) wurde 1897, also kurz vor Schönbergs D-dur-Quartett, im Tonkünstlerverein uraufgeführt. Es steht noch im Banne von Brahms. Im gut fünfzehn Jahre später entstandenen zweiten Quartett ist dann Schönbergs Einfluss unverkennbar, auch wenn Zemlinskys Tonsprache eigenständig ist. Im Aufbau war offensichtlich Schönbergs 1. Quartett op. 7 (1905) das Vorbild im Versuch, die vier traditionellen Sätze als eine Art grossen, übergreifenden Sonatensatz zu gestalten. Auch Verklärte Nacht (1899), besonders im Schlussteil, und das 2. Quartett von 1907/08 sowie Bergs op. 3 (1911/13) haben Zemlinsky angeregt. Und doch ist etwas Eigenes entstanden, gerade in der Form. Das Quartett ist eigentlich viersätzig, allerdings ohne Unterbruch zu spielen. Die Teile erhalten aber mehr Eigenständigkeit als bei Schönberg. Gleichwohl ist es beim Hören nicht einfach, die Sätze mit den zahlreichen Zwischenepisoden eindeutig voneinander abzugrenzen, obwohl Zemlinsky jedem Hauptteil das Motto voranstellt, das er zu Beginn präsentiert. Es trägt im Kern die Motive für die jeweiligen Hauptthemen in sich. Es besteht aus Sekund + Terz (= Quart) d – e – g mit bestätigender Wiederholung des Sekundschritts im zweiten Takt. Im Gegensatz zu Schönbergs 1. Quartett, wo die vier Sätze zu einem riesigen Sonatensatz verbunden sind, erinnert Zemlinskys Gestaltung «eher an die Rondoform, in der ein Hauptsatz mit verschiedenen kontrastierenden Episoden abwechselt. Allerdings verlagert Zemlinsky die Gewichtung auf die Formteile (Horst Weber)». Schönberg, inzwischen Zemlinskys Freund und Schwager und zudem Widmungsträger des Quartetts, dankte dem Komponisten im November 1916 mit aufrichtiger Freude: «Ich ... bin wirklich ganz begeistert.» Bewunderung fand er vor allem «für den herrlichen Schluss, den Anfang des unheimlichen Scherzos und des Adagios. Ich werde das natürlich oft vornehmen, bis ich es ganz vor mir habe...» und begann sogleich mit einer Bearbeitung für zwei Klaviere.