Schumanns Gründe, 1840 sein bisher zumindest in den veröffentlichten Werken einzig dem Klavier geltendes Schaffen zugunsten der Liedkomposition zu erweitern, mögen vielfältig sein. Sicher hat die Beziehung zu Clara Wieck und die von deren Vater lange Zeit verhinderte Verheiratung mit hineingespielt. Wie konkret das für den Zyklus «Frauenliebe und –leben» gilt, ist schwierig auszumachen. Das Frauenbild, welches Chamissos Gedichte zeichnen, macht uns heute Mühe, hat aber für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts noch volle Gültigkeit. Dass Clara ihrem Robert mit der hier gezeichneten hingebungsvollen Liebe zugeneigt war, wird man nicht bestreiten. Liszt schrieb über die Ehe der Schumanns: «Keine glücklichere, keine harmonischere Vereinigung war in der Kunstwelt als die des erfinderischen Mannes mit der ausführenden Gattin, des die Idee repräsentierenden Komponisten mit der ihre Verwirklichung vertretenden Virtuosin.» Dieses Frauenbild ist letztlich dasselbe wie in Chamissos Gedichten. Der französische Adelsspross Louis Charles Adélaïde de Chamissot hatte neunjährig mit seinen Eltern in Folge der Revolution das heimatliche Schloss Boncourt bei Châlons-en-Champagne verlassen und war 1796 nach Berlin gelangt. Hier besuchte er das Französische Gymnasium. 1814 erschien Peter Schlemihl, 1830 der neunteilige Gedichtzyklus «Frauenliebe und –leben». Er schildert monodramatisch das Leben einer Frau vom jungen Mädchen über Hochzeit, Mutterschaft und Witwentum bis hin zum Alter. Das letzte Gedicht, den Rückblick der alten Frau für ihre Enkelin, hat Schumann nicht vertont. Schumanns Einfühlen in diese traditionelle Rolle der Frau ist bemerkenswert und macht aus dem Zyklus ein Meisterwerk, das hinter anderen Liederzyklen des Jahres 1840 nicht zurücksteht. Dass der Zyklus die ihm im 19. Jahrhundert zufliessende Beliebtheit heute eingebüsst hat, hängt mit dem Frauenbild zusammen, musikalisch kann man daran nichts bemängeln. Schumann hat das Werk als echten Zyklus aufgefasst und greift im letzten Lied nach der Klage der jungen Witwe im Klaviernachspiel das erste («Tempo wie das erste Lied») wieder auf und schliesst den Kreis. Von den drei neben op. 42 dargebotenen Liedern verdient die Lenau-Vertonung aus dem Todesjahr des Dichters besondere Beachtung. Die Ablösung zwischen Klavier und Gesang mit seinen Tonartenwechseln ist in diesem Nocturne auffällig, besonders schön der Mittelteil in Ges-dur.
1. Seit ich ihn gesehen
2. Er, der Herrlichste von allen
3. Ich kann’s nicht fassen, nicht glauben
4. Du Ring an meinem Finger
5. Helft mir, ihr Schwestern
6. Süßer Freund, du blickest mich verwundert an
7. An meinem Herzen, an meiner Brust
8. Nun hast du mir den ersten Schmerz getan