• Werk-Details
  • Streichquartett (1964)

Witold Lutoslawski 1913-1994

Der in Warschau geborene und gestorbene Witold Lutosławski orientierte sich weder an serieller Zwölftönigkeit noch an einer modern verbrämten Romantik. Das Erlebnis John Cage, nur wenige Jahre vor der Komposition des einzigen Streichquartetts, führte ihn zu aleatorischen Techniken und schlägt sich als «begrenzte Aleatorik» (Lutosławski) im «Ad-libitum-Ensemble-Spiel» nieder. In keinem andern Werk ist sie so deutlich angewandt wie im Streichquartett. Das freie Spiel ohne Rücksicht auf Koordination in gewissen Teilen des Stücks verstärkt die Intensität, da die rhythmische Verschiedenheit Gleichzeitigkeit ausschliesst. Das ganze Werk ist in 51 Teile gegliedert, in denen die vier Instrumente häufig so lange ihren Part spielen, bis gemäss Vorschrift (z. B. «give the 2nd violin a signal that you have finished») eines der Instrumente den andern das Zeichen gibt, dass es das Ende seines Passus erreicht hat. Dann wird die nächste Sektion in Angriff genommen. Der Einführungssatz, der den Hörer auf die neue Klangwelt einstimmen soll, beginnt, bevor die genannten Teile erscheinen, mit einem ausgiebigen rezitativartigen Solo der 1. Violine. Sein Anfang zwischen Wiederholungszeichen soll so lange wiederholt werden, bis das Publikum ganz ruhig ist. Darauf folgen 13 der genannten Sektionen. Sie werden mehrmals durch ein kurzes Motiv (Zweiunddreissigstel auf «C») unterbrochen, dessen Doppeloktaven alle Spieler hintereinander forte vortragen, wobei die einzelnen Instrumente unregelmässig einsetzen sollen. Mit einer kurzen Anspielung im Cello auf das Rezitativ endet der Satz. Der deutlich längere Hauptsatz besteht aus strengen Formteilen, in denen variable Felder von Tönen und Akkorden, die aber vom Komponisten genau vorgeschrieben sind, möglich bleiben. Er beginnt mit einem längeren heftigen Teil mit starken Ausbrüchen, die auch weiterhin auftauchen. Seinen Höhepunkt findet der Satz in der Sektion 42 (Appassionato – Presto) mit einer Steigerung bis zum fff. Der Umbruch folgt in der nächsten Sektion 43 mit leise liegenden Tönen (non vibrato, indifferente), bevor gegen Schluss hin eine Funebre-Passage anschliesst. K. H. Strahmer hat sie als «Signal des Abschieds – Anzeichen der beginnenden Auflösung» bezeichnet. Lutosławski selbst nannte die Schlussepisoden «gewissermassen einen Kommentar zum Vorangegangenen». Die Uraufführung am 12. März 1965 in Stockholm spielte das LaSalle Quartet.
Introductory Movement –
Main Movement – Funebre