Ligeti, Sohn ungarisch-jüdischer Eltern, feierte am 28. Mai seinen 80. Geburtstag, Anlass für Rückblicke auf sein umfangreiches und wichtiges Oeuvre, aber auch auf sein Denken. Nach Studien in Cluj und Budapest (bei Sándor Veress, Ferenc Farkas u.a.) war er 1956 nach Wien emigriert und wirkte später in Köln, Darmstadt und Hamburg. Noch vor seiner Emigration war ein erstes Streichquartett «Métamorphoses nocturnes» entstanden (1953/54). Das 1969 in Baden-Baden vom LaSalle Quartet uraufgeführte 2. Streichquartett ist eine Auseinandersetzung mit grossen Vorbildern – Ligeti selbst nennt etwa Beethoven (op. 130/132), Mozart (KV 465), Bartók (Nr. 4 und 5) und Bergs Lyrische Suite (in der Tat erinnern die fünf Sätze an Bartók, die Satzbezeichnungen an Berg), ohne dass man Zitate oder gar Kopien erwarten dürfte. Es ist zugleich eines der Hauptwerke der neueren Quartettliteratur. Gemäss Ligetis Aussage, sind die Sätze «unterirdisch miteinander verbunden, es gibt geheime Korrespondenzen, fast Reime, ... alle fünf Sätze sind sozusagen gleichzeitig anwesend». So kommt auch in diesem so sehr auf Variation der Klangfarben und Bewegungsmuster ausgerichteten Stück das Prinzip der Metamorphose zum Zuge. Metamorphosen sind auch die Umformungen, wie sie der Scherzotypus (ein maschinelles Pizzicato-Stück mit präzis-mechanischer Polyrhythmik als 3. und der «in übertriebener Hast, wie verrückt» zu spielende 4. Satz mit seinen unheimlichen Gegensätzen) erfährt. Das Werk, das mit einer Generalpause von 8 bis 10 Sekunden (!) aus der Stille heraus begonnen hatte, findet am Schluss des 5. Satzes zu dieser Stille zurück.
Allegro nervoso
Sostenuto, molto calmo
Come un meccanismo di precisione
Presto furioso, brutale, tumultoso
Allegro con delicatezza, stets sehr mild