Ruth Crawford, bereits 1953 früh gestorben, war in den 20er und 30er Jahren eine wichtige Vertreterin der amerikanischen Avantgarde. Sie befasste sich mit Schönbergs Zwölftontheorie ebenso wie mit der Klangwelt Skrjabins und pflegte Kontakte zu Edgar Varèse und Carlos Chávez. Nach ihrer Übersiedlung nach New York studierte sie bei Charles Seeger, ihrem späteren Gatten. Mit ihm transkribierte sie und gab sie amerikanische Volkslieder heraus. Während eines einjährigen, durch ein Guggenheim Stipendium finanzierten Studienaufenthalts in Europa 1931 besuchte sie neben Bartók, Ravel, Hauer und Wellesz auch Alban Berg. Ihr schmales, aber vielfältiges Werk, das u.a. Kammermusik in verschiedensten Besetzungen umfasst, zeigt eine knappe formale Sprache, konsequente Durchführung der musikalischen Idee und differenzierte Rhythmik. Das rund elf Minuten dauernde Streichquartett zeigt diese Qualitäten in vier attacca aufeinander folgenden Sätzen. In jedem Satz ist eine strukturelle Idee verwirklicht: Der Kopfsatz stellt jeweils ein einzelnes Instrument den drei anderen gegenüber, im Leggiero dominiert unaufhörliche Bewegung. Das Andante weist mit einer Ausnahme liegende Klänge auf und verzichtet auf ein Thema. Am kompliziertesten ist das mathematisch durchdachte Finale: Hier spielt die erste Geige Motive aus ein, zwei, drei usw. Tönen, während die drei übrigen Instrumente unisono im Oktavabstand solche von 20, 19, 18 etc. dagegen halten, bis man sich bei 20 bei einem Akkord trifft. Danach läuft das Gleiche wieder zurück – das Stück endet wie es begonnen hatte: mit einem Ton der ersten Violine.