Im Schaffen Bartóks steht das (zweite) Klavierquintett (nach einem ersten von 1897) an einer Wende. Es bildet den Abschluss der Früh- und Jugendwerke; darum trägt es im Verzeichnis dieser Werke von Denijs Dille [DD], der das Werk auch herausgegeben hat, die letzte Nummer. (A. Sz1oll1osy [Sz] kannte noch nicht das gesamte Frühschaffen, darum ist seine Nummer deutlich tiefer.) Bartók selbst gab dem folgenden Werk, der Klavierrhapsodie von 1904, ostentativ die Opuszahl 1. Vorausgegangen war dem Quintett Bartóks erfolgreichstes Frühwerk, die grosse patriotische Sinfonische Dichtung Kossuth über den Helden des ungarischen Freiheitskampfes von 1848/49 gegen Österreich. War Kossuth von Liszt und Richard Strauss beeinflusst, so steht das sich ebenfalls ungarisch gebende Quintett durch Vermittlung des um vier Jahre älteren Freundes Ern1o (Ernst) von Dohnányi unter dem Einfluss von Brahms. Wer in der europäischen Kunstmusik hätte einem jungen Romantiker besser die Verbindung ungarischer Musiksprache und (Klavier-) Kammermusik vermitteln können als Brahms? Und doch ist es Bartók, den wir hören, etwa in der Spannung der gegensätzlichen Tonarten C und Fis im Verhältnis des Tritonus (des verpönten Diabolus in Musica), die sieben Jahre später in der Hauptszene von Herzog Blaubarts Burg so bedeutungsvoll werden sollte. »Das Werk ist gänzlich mit offenbaren und verborgenen Fäden thematischer Beziehungen durchwoben, wodurch die Komposition auch als eine auf einige Grundgedanken aufgebaute, monumentale ›Variationsreihe‹ aufgefasst werden kann, die im Rahmen des klassischen Sonatenzyklus untergebracht ist« (F. Bonis). Bartók hat das Quintett wiederholt selber gespielt und es dafür mehrmals revidiert. Als ihm aber 1921 Zuhörer sagten, es gefalle ihnen besser, als was er später geschrieben habe, zog er es erzürnt zurück, so dass es lange als verloren galt.