Das Quatuor Diotima gastierte am 17.10.2017 erstmals in unseren Konzerten.
Dieter Ammann, in Aarau geboren, in Zofingen wohnhaft, stammt aus einem musikalischen Elternhaus und musizierte in jungen Jahren mit seinem Vater und Bruder. Er studierte Schulmusik (Luzern) und Theorie/Komposition (Basel). Daneben absolvierte er eine Ausbildung an der Swiss Jazz School Bern. In den 80er-Jahren trat er mit Jazz und improvisierter Musik an internationalen Festivals auf. Später folgte die Hinwendung zur Komposition. Ammann, so sagt er, «schreibt wenig, weil langsam». Seine minutiös ausnotierte Musik steht im Spannungsfeld zwischen höchster Differenziertheit und roher Vitalität. Er erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. 2003 war er composer-in-residence am Davos Festival und 2009 am Festival «les muséiques» Basel, in dessen Rahmen das 2. Streichquartett vom Auftraggeber, dem Amar Quartett, uraufgeführt wurde. 2010 war er composer-in-residence beim Lucerne Festival. Weitere Einladungen erhielt er von der NY University, der IGNM Wien, der Hochschule für Musik Weimar. Ammann ist Professor für Komposition an der Musikhochschule Luzern und doziert an der Hochschule der Künste Bern.
Im zweiten Streichquartett befasst sich der Komponist, wie der Titel andeutet, mit dem Überbrücken von Distanzen, die im Aufeinanderprallen unterschiedlicher Registerlagen und Lautstärkebereiche entstehen. Diese «werden durch die Gegenpole von harmonisch organisiertem Klang und komplexen Geräuschtexturen vermittelt oder spielen sich im klanglich genau ausgearbeiteten Gegeneinander von energetisch-bewegten Passagen und ruhigen Zonen ab. Zu den spannendsten Momenten findet das Werk jedoch dort, wo Ammann das Quartett-Ensemble einerseits wie ein einziges grosses Instrument mit 16 Saiten handhabt und diesem Kollektivklang andererseits Momente von Vereinzelung entgegenstellt» (Stefan Drees).
Zemlinskys katholischer Grossvater war von Ungarn nach Wien gezogen. Sein Vater fügte dem Namen ein kaum berechtigtes «von» hinzu (das der Sohn ab 1906 nur als Dirigent benutzte), trat aus der katholischen Kirche aus, heiratete eine jüdische Frau und wurde Mitglied der Sephardischen Gemeinde Wiens. Mit vier Jahren erhielt Alexander Klavierunterricht; in der Synagoge sang er im Chor, spielte später die Orgel und assistierte bei Proben. Dreizehnjährig trat er 1884 ins Konservatorium Wien ein; 1891 brachten Kompositionen erste Erfolge. Er unterrichtete Arnold Schönberg, der seine jüngere Schwester Mathilde heiratete. Zemlinsky blieb vorerst der Durchbruch als Komponist versagt, er war aber als Dirigent angesehen. Nach 1933 wurden die Probleme grösser; 1938 floh er in die USA, wo er 1942 starb. In Europa war er bis in die 1970er Jahren vergessen. Von fünf Streichquartetten wurden drei veröffentlicht. Das letzte, ein Nachruf auf Alban Berg in Anlehnung an dessen Lyrische Suite, kam postum heraus. Das 1. Streichquartett entstand nach einem an Brahms erinnernden Klarinettentrio 1896 im selben Jahr. Auch hier ist Brahms trotz Rissen, ja Verweigerungen gegenüber dem Vorbild spürbar. Dies ist im Kopfsatz hörbar, der im Umgang mit Material und Form an Schuberts Auseinandersetzung mit klassischen Prinzipien erinnert. Der 2. Satz ersetzt das Scherzo durch eine Art Intermezzo in sehr persönlicher Weise. Dem festlichen langsamen Satz mit beethovenscher Expressivität schliesst sich ein schwungvolles Finale in Brahmsmanier an. Auch hier ist mehr Innovation zu entdecken als die Klassizität der Oberfläche zunächst zuzulassen scheint.