Jan Schultsz ist international als Dirigent, Liedbegleiter und Kammermusiker tätig. Als Gastdirigent leitet er vor allem Orchester in der Schweiz, in Holland, Österreich, Tschechien, Ungarn sowie in China und Südamerika. Als Operndirigent war er in Oslo, Budapest und Liège verpflichtet. Im Jahr 2000 gründete er die Opera St. Moritz und war bis 2012 deren künstlerischer Leiter. Er ist Mitbegründer der Samedan Brassweek, und seit 2008 Intendant des Engadin Festivals. Zu seinen musikalischen Partnern zählen Cecilia Bartoli, Vesselina Kasarova, Ian Bostridge, Werner Güra und die Brüder Capuçon. Sein breites Repertoire enthält unbekannte Opern von Rossini, Bellini und Verdi sowie die komplette Klavierkammermusik der Schweizer Komponisten J. J. Raff und Hans Huber, die er auf CD eingespielt hat. Schultsz, der in seiner Heimatstadt Amsterdam sowie in Basel und Lausanne Horn und Klavier studierte, hat eine Professur an der Hochschule für Musik in Basel inne. In unseren Konzerten hat er 2010 und 2016 mit Werner Güra bzw. mit Thomas Oliemans Schuberts «Winterreise» aufgeführt und in der letzten Saison mit Agneta Eichenholz einen Richard Strauss-Abend gestaltet.
Jan Schultsz spielt heute Abend seinen 1871 gebauten Flügel von Johann Baptist Streicher & Sohn, Wien. Johannes Brahms spielte lange fast ausschliesslich Streicher-Instrumente. Emil Streicher (1836-1916), Johann Baptists (1796-1871) Sohn, stellte ihm 1872 einen grossen Flügel zur Verfügung, den er bis zu seinem Tod behielt und liebte, der aber leider im 2. Weltkrieg fast ganz zerstört wurde. Seine Hämmer waren mit Leder bezogen. Brahms war in die Klangqualität des Instruments geradezu vernarrt. Jan Schultsz hebt bei seinem Flügel die grossen Bässe und den weichen Klang hervor, Qualitäten, die auch für Brahms sehr wichtig waren.
Hans-Jürgen Schatz debütierte mit der Hauptrolle in dem Spielfilm «Flamme empor». Seither wirkte er in zahlreichen Theaterinszenierungen sowie Kino- und Fernsehfilmen mit, darunter «Heimat», «Der Fahnder» und «Salto Postale». Einen exzellenten Ruf als Rezitator erwarb er sich mit Texten von Erich Kästner, Jean Paul und Thomas Mann. Seine Interpretation von L. F. Baums «Der Zauberer von Oos» und die Einspielung der musikalischen Erzählung «Paddington Bärs erstes Konzert» wurden mit dem «Preis der deutschen Schallplattenkritik» ausgezeichnet. Für sein vielfältiges gesellschaftliches Engagement wurde Hans-Jürgen Schatz mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
«Ob ihr die alten Töne gerne hört?
Das Lied aus längst verflossnen Tagen?
Verzeiht dem Sänger, den es so betört,
Dass er beginnt das Märchen anzusagen.»
Mit diesen Versen beendet Ludwig Tieck den «Vorbericht» zu seiner «Liebesgeschichte der schönen Magelone und des Grafen Peter von Provence». Die Geschichte geht auf einen französischen Ritterroman des 15. Jahrhunderts zurück, den Veit Warbeck 1527 unter dem Titel «Ein fast schöne und kurtzweilige Histori von der schönen Magelona eines Königs Tochter von Neaples und einem Ritter genannt Peter mit den Silbern Schlüsseln eines Graffen Son auss Provincia» übersetzt hat. Der junge Tieck hat die Geschichte in eigener Fassung 1797 zusammen mit anderen Texten als «Volksmährchen» herausgegeben und sich später noch mehrfach damit beschäftigt. Die Auseinandersetzung mit den spätmittelalterlichen «deutschen Volksbüchern» – ein von Joseph Görres 1807 geprägter Begriff – hat ihn zu einem der frühesten Romantiker gemacht. Sein Einfluss auf spätere romantische Dichter, die heute bekannter sind als er, war gross. Eine Eigenleistung der Neufassung liegt darin, dass Tieck in bereits echt romantischer Manier – neben dem Vorbericht – in jedes der folgenden 17 Kapitel ein eigenes Gedicht eingefügt hat. Im Eingangskapitel lässt er einen fahrenden Sänger anlässlich eines Turniers zum jungen Grafen Peter, der natürlich der Sieger war, sagen: «Ritter, wenn ich Euch raten sollte, so müsst Ihr nicht hierbleiben, sondern fremde Gegenden und Menschen sehn und wohl betrachten, auf dass sich Eure Einsichten, die in der Heimat nur immer einheimisch bleiben, verbessern und Ihr am Ende das Fremde mit dem Bekannten verbinden könnt. – Er nahm seine Laute und sang: Keinen hat es noch gereut, / Der das Ross bestiegen, / Um in frischer Jugendzeit / Durch die Welt zu fliegen...». Peter wiederholt das Lied bald darauf und erreicht so die Einwilligung seiner Eltern, hinaus in die Welt zu ziehen.
Tiecks Gedichte fanden Anklang und wurden vereinzelt auch vertont, ab 1861 auf Anregung des berühmten Baritons Julius Stockhausen (1826-1906) von Johannes Brahms. Zunächst waren es vier, im folgenden Jahr zwei weitere. Sie erschienen 1865 im Druck. Die Ergänzung zum ganzen Zyklus – er ist Stockhausen gewidmet – folgte später. 1869 lagen alle 15 vertonten Romanzen im Druck vor. Von den 18 Gedichten Tiecks hat Brahms das aus dem Vorbericht und die Gedichte der Kapitel 16 und 17, je ein Lied von Peter und von Magelone, unvertont gelassen.
Der Zyklus ist heute weniger bekannt und beliebt als etwa die Liedzyklen oder Liederkreise von Schubert, Schumann oder Mahler. Und doch ist Brahms einer der Grossen der Liedkomposition des 19. Jahrhunderts. Was mögen die Gründe dafür sein? Einer wird in der Person des Rezitators fassbar. Ihn braucht es, da man den Zusammenhang der Gesänge ohne die Prosatexte der Erzählung nicht versteht bzw. sie nicht in die Geschichte einordnen kann. Anders als Schuberts «Müllerin» oder «Winterreise» bilden die Liedtexte keine Einheit in sich, und anders als bei Schumanns Eichendorff-Liederkreis op. 39, bei dem es keine «Handlung» gibt, sondern wo es um Stimmungen und Gefühle geht, gehören in der Magelone-Geschichte die Lieder zu jeweils besonderen Handlungssituationen und sind verschiedenen Personen zugeordnet. Diese erleben Dinge, die nur der Erzählungstext zur Einheit zusammenfügen kann – die Lieder selbst sind Reaktionen oder Reflexionen dieser Ereignisse. Kommt dazu, dass die Geschichte voll ist von Überraschungen und kaum glaubhaften abenteuerlichen Ereignissen. Man darf Tieck deswegen keinen Vorwurf machen, bezeichnet er seine Erzählung doch ausdrücklich als «Märchen». Und gerade am romantischen Element lag es, dass Brahms an diesem Märchen nicht nur Gefallen fand, sondern dass ihn gerade die unerwarteten Situationen mit ihrem Echo im Lyrischen besonders reizten. Und es ist ihm gelungen, mit seiner Musik die psychologischen und dramatischen Momente auszudrücken. Man hat, etwas übertreibend, gesagt, der Magelone-Zyklus sei quasi die einzige Oper von Brahms, da ihm ein Handlungsablauf zugrunde liegt. Doch wie jemand, der von einer unbekannten Oper nur einige Arien hört, den Handlungsablauf kaum sicher im Detail erschliessen, wohl aber jeweils die psychische Situation der singenden Person erahnen kann, so verhält es sich bei den Romanzen. Wer Tiecks Erzählung nicht gut kennt (und wer tut das heute schon), kann mit den Romanzentexten allein wenig anfangen. Die Musik dieses «Juwels der spätromantischen Liedkunst» ermöglicht es aber, die seelische Situation der betreffenden Gestalt tiefer zu verstehen – und die Zwischentexte lassen einen die jeweiligen Voraussetzungen erfassen. Stockhausen hat übrigens, wie ein Brief an seinen Freund Brahms zeigt, Zwischentexte für notwendig erachtet: «Ob du mit den wenigen einleitenden Worten vor den Liedern einverstanden seyn wirst, muss ich leider bezweifeln, aber es ging nicht gut anders zu machen bei einem Publikum, welches wenige dieser grossartigen Lieder kennt, u. auch wenig Tieck liest. Ich glaube die Compositionen werden, durch die Worte, verständlicher.»
Die Vertonungen von Brahms gelten als gelungene, bedeutende Lieder. Das erste Lied (ob man es sich nun im Vortrag des fahrenden Sängers oder in der Wiederholung durch Peter vorstellt), bildet eine Art Ouvertüre, während man das Schlusslied «Treue Liebe dauert lange» als Finale bezeichnen kann. Beide sind recht lang (Nr. 1, Allegro, 204 Takte / Nr. 15, Ziemlich langsam, 116 Takte) und formal kunstvoll gearbeitet. Das Eingangslied besteht aus einer fanfarenhaften Einleitung, auf die zwei Doppelstrophen folgen. Sie sind vom Rhythmus des Reitens (Achtel und zwei Viertel) bestimmt. Beim Thema der Wahl des Fräuleins weicht dieser Rhythmus einer Folge von Vierteln und geht bei der Rückkehr nach Hause in gleichmässige Achtel über, sich zuletzt in Viertelfolgen beruhigend. Erst im Klaviernachspiel taucht das Reitmotiv wieder auf.
Vor dem Schlusslied, das man sich als Duett denken muss, lässt Peter dort, wo er Magelone wiedergefunden hat, einen Sommerpalast bauen. «Vor dem Palast pflanzte er mit seiner jungen Gattin einen Baum; dann sangen sie folgendes Lied, welches sie nachher auf derselben Stelle in jedem Frühjahr wiederholten.» Dieses Lied ist in drei Teile (Introduktion – Hauptteil – Coda) gegliedert, wobei der Hauptteil zwei Abschnitte, einen langsamen und einen schnellen, umfasst. Diese sind jeweils wieder in eine Exposition, Durchführung und Reprise unterteilt. Die Coda greift die vier Takte des Anfangsthemas («Treue Liebe dauert lange») auf und endet mit zwölf Takten, welche den Text der vorangehenden Passage («...sie scheide / von Leide, / auf immer / und nimmer / entschwinde die liebliche, selige, himmlische Lust!») mit der Melodie des zweiten Teils der Introduktion verbinden.