Konzerte Saison 2017-2018

  • 30.1.2018
  • 19:30
  • 92.Saison
  • Zyklus A
Oekolampad Basel

Zemlinsky Quartett (Prag)

Das Zemlinsky Quartett knüpft seit seinem Bestehen 1994 an die reiche Tradition der tschechischen Quartett-Schule an. Es gewann den ersten Preis im Internationalen Wettbewerb für Streichquartett in Bordeaux (2010), ist Preisträger des Prager Frühlings und der internationalen Streichquartettwettbewerbe im kanadischen Banff und in London, wo es zugleich den Publikumspreis errang. Auch aus anderen Wettbewerben ging es als Sieger hervor. Im Jahre 2005 wurde dem Quartett der Preis des Tschechischen Vereins für Kammermusik verliehen und 2009 der Förderpreis des Alexander-Zemlinsky-Fonds in Wien. Sein Repertoire umfasst mehr als 200 Werke führender tschechischer und internationaler Komponisten. Nach den erfolgreichen Einspielungen tschechischer Musik auf den ersten beiden CDs erhielt das Zemlinsky-Quartett einen exklusiven Aufnahmevertrag mit der französischen Firma Praga Digitals. Für sie hat es vierzehn Titel aufgenommen, darunter eine Reihe von vier CDs mit dem frühen Quartettschaffen Dvoøáks, wofür es den prestigeträchtigen «Diapason d´Or» erhielt. Während des Studiums am Prager Konservatorium und an der Prager Musikhochschule wurde das Quartett zunächst von Musikern renommierter tschechischer Kammerensembles geschult (Prager Streichquartett, Talich-, Kocian- und Pražák-Quartett). Später studierte das Quartett bei Walter Levin (LaSalle-Quartett) in Basel. Hier unterrichteten seine Mitglieder in den Jahren 2006-2011 selbst als Assistenten in der Kammermusikklasse der Hochschule für Musik. Zudem lehrten sie an der Internationalen Sommer-Musikakademie in Pilsen, die sie mitorganisierten (2007-2011). Im Rahmen ihrer Tourneen geben sie Meisterkurse für Studenten sämtlicher Alterskategorien. F. Souèek und P. Holman haben Lehraufträge am Prager Konservatorium. Das Zemlinsky Quartett gastierte 2012 mit Beethoven (op. 18/1), Dünki (UA) und Zemlinsky (Nr. 1) sowie 2015 mit Dvoøák (op. 2), Krenek (Nr. 7) und Schönberg (Nr. 1) in unseren Konzerten.
«Quartettistische Gedanken immer!» – Schumanns Weg zum Streichquartett

«1. April – Immerzu Quartette. Mozart studiert.
28. April – Quartette von Beethoven.
6. Mai – Quartette von Haydn studiert.
4. Juni – a-moll Quartett begonnen.»

Dies Schumanns Einträge vom Frühjahr 1842 im «Haushaltsbuch» zum Thema Streichquartett. Dass er schon früher an Quartette dachte, 1838 von «Quartettbegeisterung» sprach und in Teilen zwei Quartette entwarf, zeigt sein Interesse an der Gattung. Vom zweiten war er «ganz beglückt, obwohl es nur als Versuch gelten kann». Clara war skeptisch, weil Schumann als Klavierkomponist zu wenig Erfahrung mit Streichinstrumenten hatte. Im Februar 1842 kamen wieder «quartettistische Gedanken» auf. Als Robert von einer Konzertreise Claras allein nach Hause zurückkehrte, verfiel er in eine Depression und war nicht imstande zu komponieren. Am 1. April schrieb er an Clara: «Ordentliches gearbeitet hab’ ich nicht; versucht vieles.» So kam es vor den Streichquartetten vom Juni/Juli in diesem Jahr nicht zu vollendeten Kompositionen, doch zeigen die Tagebucheinträge, dass ihn Quartette beschäftigten. So wurde 1842, nach zehn Jahren (1830-39) der Veröffentlichung einzig von Klavierkompositionen (op. 1 bis 23), nach dem Liederjahr 1840 und dem sinfonischen Jahr 1841, zum Kammermusikjahr. Nach den Streichquartetten entstanden das Klavierquintett, das Klavierquartett und ein 1850 umgearbeitetes Klaviertrio. Die Streichquartette schenkte er Clara zum 23. Geburtstag am 13. September 1842 und liess sie vom David-/Gewandhaus-Quartett für sie aufführen. Schon zuvor hatte er sich selbst die Werke vorspielen lassen, ging auf Anregungen ein und nahm Änderungen, Verbesserungen und Kürzungen vor.

Über Mendelssohns 1839 erschienene drei Quartette op. 44 urteilte Schumann: «Sehr fein, klar und geistreich. Neues nicht darin.» Ihm aber ging es um Neues – und so orientierte er sich am noch immer Modernsten der Gattung, den späten Beethoven-Quartetten. Die Quartette wurden in ihrer Endversion kurz vor Drucklegung bei Breitkopf & Härtel im Januar 1843 gleichwohl «seinem Freunde Felix Mendelssohn Bartholdy in inniger Verehrung zugeeignet».

Mit der Vorgeschichte und mit Schumanns Ansprüchen hängt die Entwicklung der Kompositionen zusammen. Die ersten Fassungen entstanden vom 4. Juni bis 22. Juli. Das Neuartige suchte Schumann in einem Gesamtkonzept: die Einzelwerke sollten untereinander verbunden sein. Es ist kein Zufall, dass das op. 41 Schumanns einziges Opus ist, das aus drei mehrsätzigen Werken besteht. Bei den ersten beiden Quartetten ist die Zusammengehörigkeit in der frühen Fassung nachvollziehbar. Die werkübergreifende Gestaltung ist von Beethovens Werkgruppe opp. 130, 131 und 132 angeregt. Indiz ist die zuletzt gestrichene Einleitung zum 2. Quartett (Andante). Hier standen ursprünglich dieselben vier Forte-Takte, die Schumann auch der Introduzione im 1. Quartett angefügt hat. Beide Male leiten sie mit ihren harten Punktierungen zur Tonart F-dur hin. Das ist eine gezielte Verbindung zwischen den beiden Quartetten. Für ihre Zusammengehörigkeit spricht auch die Tonartwahl im 1. Quartett. Schumann hat es ein Stück in a-moll und F-dur genannt. Die Introduzione steht in a-moll, das Allegro in F-dur. Dies ist auch die Tonart im Adagio sowie im 2. Quartett. Das erste Quartett wurde vom 2. bis 8. Juni «ziemlich fertig» und gleich überarbeitet. Das nicht explizit so bezeichnete, dem Scherzo ähnliche Trio steht in der Paralleltonart C-dur; das Intermezzo mit lang gehaltenen Noten nimmt als 2. Trio a-moll wieder auf, ebenso das Finale, während das Adagio in F-dur steht. Hier sind im kantablen Thema Anklänge an das Adagio der 9. Sinfonie Beethovens zu hören. Das heitere Finale erinnert an Haydn, doch sind auch Schumanns Kontrapunktstudien erkennbar. Am Ende der Durchführung hört man eine Anspielung auf das Motto von Beethovens op. 130 bis 132.

Das 2. Quartett, das kürzeste der drei, trägt wohl am meisten von Mendelssohn in sich – nicht den virtuosen Scherzo- und Elfenton, sondern Besinnlichkeit und Schönheit des Tones. Der erste Satz, der mit den erwähnten vier Takten beginnt, ist Allegro vivace überschrieben, wirkt aber mit der auf und ab schwingenden lyrischen Melodie zu Beginn eher ruhig. Den träumerischen zweiten Satz (As-dur) nennt Schumann quasi variazioni, weil er die Variationsform kühn einsetzt. Ausgehend von einem 1832 entstandenen Larghetto aus «Albumblätter» op. 124, von dessen drei «Strophen» die dritte das Thema für vier Variationen liefert, kehrt Schumann zu den beiden ersten Strophen zurück und schliesst mit einer Coda, die ihrerseits wieder auf eine der Variationen zurückgreift. Das c-moll-Scherzo ist dramatisch, während das C-dur-Trio, am Ende des Satzes wieder aufgenommen, mit Cello und den antwortenden übrigen Streichern heiter wirkt. Die Klangfreude eines Perpetuum mobile bestimmt trotz intensiver thematischer Arbeit das Finale. Ein Melodieteil klingt an das bei Schumann beliebte und mehrfach zitierte Motiv von «Nimm sie hin denn, diese Lieder» aus dem Schlusslied von Beethovens Liedzyklus «An die ferne Geliebte» an. Es ist die nicht ausgesprochene Widmung an Clara und laut Peter Gülke wohl ein Hinweis, dass ursprünglich mit diesem Satz das Quartettopus 41 abgeschlossen sein sollte.

Wann genau Schumann ein drittes Quartett für das Opus plante, ist unklar; begonnen wurde es am 8. Juli. Es gilt als dessen Höhepunkt und ist auch das schwungvollste – und es wurde kaum überarbeitet. Schumann hat sich offenbar inzwischen nach schwierigen ersten Phasen zur souveränen Quartettkomposition freigeschrieben. Die sanfte siebentaktige Einleitung (espressivo) bereitet die fallende Quinte des folgenden Hauptthemas vor. Der ungewöhnliche 2. Satz ist ein Pseudo-Scherzo, das sich zu einer Variationenfolge in fis-moll entwickelt. Vor dem heiteren Finale mit sanglichen Einschüben erklingt ein ebenfalls rondoartig angelegtes Adagio in D-dur, das von ausdrucksvoller Lyrik geprägt ist.

Clara urteilte nach dem 13. September 1842 über die ihr geschenkten und vorgespielten Quartette: «Das war ein großes Entzücken für mich! diese Compositionen. Ich kann über die Quartette Nichts sagen als dass sie mich entzücken bis in’s Kleinste. Da ist Alles neu, dabei klar, fein durchgearbeitet und immer quartettmässig.» «Quartettmässig» – ihre Skepsis ist also gewichen. Auch die lange von Kritikern immer wieder vorgebrachten Vorbehalte gegen die Quartette dürften heute ausgeräumt sein. Schumanns Wille war der zu etwas Neuem – und herausgekommen sind drei Quartette, die seinen modernen Vorstellungen entsprachen. Im Dezember 1847, einen Monat nach Mendelssohns Tod, schrieb er an den Verleger Härtel: «Meine bei Ihnen erschienenen Quartette haben durch den Tod Mendelssohns, dem sie gewidmet sind, besondere Bedeutung wiedergewonnen. Ich betrachte sie noch immer als mein bestes Werk der früheren Zeit, und Mendelssohn sprach sich oft in demselben Sinne gegen mich aus.»

Robert Schumann 1810-1856

Streichquartett Nr. 1, a-moll, op. 41, Nr. 1 (1842)
Introduzione: Andante espressivo – Allegro
Scherzo: Presto – Intermezzo
Adagio
Presto
Streichquartett Nr. 2, F-dur, op. 41, Nr. 2 (1842)
Allegro vivace
Andante, quasi variazioni
Scherzo: Presto
Allegro molto vivace
Streichquartett Nr. 3, A-dur, op. 41/3, Felix Mendelssohn-Bartholdy gewidmet (1842)
Andante espressivo – Allegro molto moderato
Assai agitato (con variazioni) – Un poco adagio – Tempo risoluto
Adagio molto
Finale: Allegro molto vivace – Quasi Trio