Konzerte Saison 2005-2006

  • 8.11.2005
  • 20.15
  • 80.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

St. Lawrence String Quartet (Toronto)

Vor 16 Jahren gegründet und 1992 mit zwei namhaften Preisen (Banff und Young Concert Artists Auditions) ausgezeichnet tritt das SLSQ – wie es sich gerne abkürzt – pro Saison rund 100 Mal in Nord- und Südamerika, in Europa und in Asien auf. Diese Saison kommen Australien und Neuseeland dazu. Das Ensemble hatte die Möglichkeit, seine fortgeschrittene Ausbildung beim Emerson, Tokyo und Juilliard String Quartet zu erhalten. Inzwischen sind seine Mitglieder selber zu gefragten Musikerziehern geworden: 1998 als Ensemble in Residence an der Stanford University, wo sie eng mit Musikstudenten, aber auch mit anderen Fakultäten zusammenarbeiteten. Bereits 1995 war der Ruf an die University of Toronto erfolgt; ganz neu ist die Tätigkeit an der University of Arizona. Feste Verbindungen bestehen zu mehreren Sommerfestivals in Amerika, so bereits zum 12. Mal zum Spoleto USA-Festival in Charleston. In vielen neuartigen Projekten versucht das SLSQ, neben dem gängigen Repertoire Neues in neuer Form und Zusammenarbeit zu gestalten und die Musik auch in eher musikferne Kreise hineinzutragen; daher auch das starke Engagement in Schulen. Mit der ersten Platteneinspielung hat das Quartett lange zugewartet. Die erste CD mit Schumanns Nr. 1 und 3 war dann 1999 ein grosser Erfolg. Inzwischen sind Tschaikowski (2001) und moderne Kompositionen dazu gekommen. Alex Ross von The New Yorker Magazine schreibt: «The St. Lawrence are remarkable not simply for the quality of their music making, exalted as it is, but for the joy they take in the act of connection.»
In angelsächsischen Ländern trägt Haydns Es-dur-Quartett aus op. 33 den Beinamen «The Joke»: Ein an sich schon witziges, eher kurzes perpetuum mobile-Rondo wird gegen Ende durch ein pathetisches Adagio unterbrochen – allein das wirkt parodistisch. Der eigentliche Scherz folgt aber erst: Vor lauter Pausen (Bitte nicht zu früh klatschen!) weiss man nie, wann das Stück wirklich aufhört. Voraus gegangen waren drei Sätze, die Heiterkeit und Ernsthaftigkeit abwechseln liessen. Der monothematische Kopfsatz zeigt ein zwischen Kantilene und munter springenden Tönen schwankendes Thema, dessen Motive originell weiter verarbeitet werden. Das eher ernsthafte Scherzo-Menuett erlebt im Trio mit den ländlermusikartigen, im portamento hinaufgezogenen Tönen einen starken Kontrast. Richtig ernst ist das prächtige Largo in Rondoform mit seiner herrlichen Kantilene und zwei synkopierten Passagen.

Als meist aufgeführtes Quartett (fünfte Aufführung) auch in unseren Konzerten gehört das dritte zu den bekanntesten Schostakowitschs. Er schrieb es als einzig vollendetes Werk des Jahres 1946 in einer wenig ergiebigen Phase seines Schaffens. Nach den dramatischen und unruhigen Kriegsjahren, die der Komponist so heroisch wie eindrücklich in der 7. und 8. Sinfonie dargestellt hat, verwundert uns dies heute weniger als die Zeitgenossen, die 1945 eine Siegessinfonie erwartet hatten – und heraus kam die so ganz unheroische 9. Sinfonie. Schostakowitsch sah auch keinen Anlass für ein heroisches Quartett. Er musste sich aus verschiedenen Gründen musikalisch neu orientieren. So ist das 3. Quartett kein leichtgewichtiges Werk. Zwar weist es scheinbar einfache Melodien auf, aber der Schein trügt: Sie durchlaufen alle zwölf Töne, und chromatische Themen stehen neben schreiender Bitonalität. Das Adagio in Passacaglia-Form, welches ins Finale überleitet, ist als Threnodie bezeichnet. Und Heiterkeit, wie sie der Kopfsatz und das scherzohafte Rondino auszustrahlen scheinen, schlägt plötzlich – echte Kriegsreminiszenz oder «nur» Parodie? – um in das Pseudozitat eines preussischen Militärmarsches (das eigentliche Scherzo). Die Groteske, ein Lieblingsstilmittel Schostakowitschs, zeigt die Doppelbödigkeit an. Haydns «Joke»-Heiterkeit ist weit entfernt.

Schumanns Quartette stammen (frühere Pläne 1838 und 1839) aus dem Kammermusikjahr 1842. Im März hatte Schumann der auf Konzertreise befindlichen Clara geklagt, dass er fast nur Kontrapunkt und Fugen studiere. Nach ihrer Rückkehr änderte sich dies rasch: Innerhalb von knapp zwei Monaten entstehen die drei Quartette op. 41, das erste vom 2. bis 8. Juni (kurz danach überarbeitet). Schumann setzt sich kaum mit dem Vorbild Beethoven, sondern mit den Quartetten des Widmungsträgers Mendelssohn auseinander. Im Kopfsatz steht nur die Einleitung in a-moll, das Allegro dagegen in F-dur. Das Scherzo, dessen nicht speziell bezeichnetes, dem Scherzo ähnliches Trio die Paralleltonart C-dur aufweist, und das Finale nehmen a-moll wieder auf, für das Adagio wurde F-dur gewählt. In ihm mag man im kantablen Thema Anklänge an den langsamen Satz der 9. Sinfonie Beethovens heraushören. Das heitere Finale lässt an Haydn denken, doch tragen hier die erwähnten Kontrapunktstudien Früchte. Wer will, kann am Ende der Durchführung eine Anspielung auf das Motto von Beethovens op. 130 bis 132 erkennen. Der Widmungsträger kommt zum Zuge, wenn vor Beginn der Coda Schottisches anklingt, war doch dessen «Schottische Sinfonie» kurz zuvor in Leipzig uraufgeführt worden.

rs

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 38, Es-dur, op. 33, Nr. 2, Hob. III:38 (1778/81)
Allegro moderato
Scherzando: Trio
Largo
Finale: Presto

Dmitrij Schostakowitsch 1906-1975

Streichquartett Nr. 3, F-dur, op. 73 (1946)
Allegretto
Moderato con moto
Allegro non troppo
Adagio –
Moderato

Robert Schumann 1810-1856

Streichquartett Nr. 1, a-moll, op. 41, Nr. 1 (1842)
Introduzione: Andante espressivo – Allegro
Scherzo: Presto – Intermezzo
Adagio
Presto