Nun also Beethovens op. 74 selbst! Unter den mittleren und späten Quartetten ist es sicher das einfachste und am leichtesten zugängliche, wirkt es doch vornehmlich heiter und freundlich. Schon die Äusserlichkeit der harfenartigen Pizzicati, die dem Werk den nicht gerade aussagekräftigen Beinamen beschert haben, lässt heitere Stimmung aufkommen. Die langsame Einleitung (die Mendelssohn in op. 12 aufgegriffen hat) leitet auf das Hauptthema des Allegro hin, indem es dessen Hauptmotiv umgekehrt vorwegnimmt. Bereits die Durchführung mit ihren Steigerungen lässt erleben, dass freundliche Heiterkeit allein nicht der einzige Charakterzug dieses Werks ist. Im Adagio, beherrscht von weitgespannten Kantilenen, kommt Expressivität hinzu. Auch hier tauchen die Harfenpizzicati wieder auf. Das Presto, nicht ausdrücklich als Scherzo bezeichnet, wird von einem ständig wiederholten Motiv (man fühlt sich an die Fünfte erinnert) beherrscht und der zweimal auftauchende Trioteil, zum Prestissimo gesteigert, macht durch sein Dauerfortissimo Heiterkeit rasch vergessen. Erst das Variationenfinale mit seinem liebenswürdigen Thema führt wieder zu Beruhigung und bekräftigt den Hauptcharakter des Werks.
Auch Schostakowitsch orientiert sich in seinem 3. Quartett zwar am späten Beethoven, nimmt aber noch mehr den Charakter der eigenen, kurz zuvor abgeschlossenen locker-heiteren 9. Sinfonie, der ersten nach dem Krieg, wieder auf. Dies ist vor allem im Kopfsatz mit seinem tänzerischen Thema zu spüren. Ständig wechselnde Farben bestimmen die Klangwelt des scherzohaften Rondino, das dann aber unerwartet ruhig abschliesst. Darauf folgt - echte Kriegsreminiszenz oder „nur“ Parodie? - mit einem Pseudozitat eines preussischen Militärmarsches das eigentliche Scherzo. Die Groteske, ein Lieblingsstilmittel Schostakowitschs, die ohne Mahler nicht denkbar wäre, zeigt die Doppelbödigkeit an, die auch bei einem scheinbar heiteren Werk bei ihm nicht fehlt. So bekommt der doppelt geführte Schlusssatz, ein attacca ins eigentliche Finale übergehende Threnos-Adagio in Passacaglia-Form und ein umfangreiches Moderato, das auf die früheren Sätze motivisch zurückgreift, bei aller Heiterkeit noch mehr Gewicht und eine neue Tiefgründigkeit, insbesondere im pianissimo verklingenden Schluss, die zeigt, dass das Werk nicht eine locker-leichte Bewältigung der überwundenen Kriegsgefahr ist.
rs