Irwin Gage darf als einer der grössten Kenner des Liedes und der bedeutendsten Liedbegleiter unserer Zeit gelten. Er wurde als Sohn eines ungarischen Vaters und einer russischen Mutter in Cleveland/Ohio geboren und studierte Klavier, Musikwissenschaft und Literatur. Sein besonderes Interesse für das Lied führte ihn nach Wien, u.a. zu Erik Werba. Das französische Repertoire erarbeitete er mit Pierre Bernac in Paris. Obwohl Gage immer wieder als Solist auftritt, gilt sein Hauptinteresse der Liedbegleitung. So war er Begleiter bedeutender Liedsängerinnen und -sänger wie Fischer-Dieskau, Schreier, Brigitte Fassbaender, Gundula Janowitz, Jessye Norman. Besonders wichtig ist ihm die Zusammenarbeit mit jungen Künstlern. Gerade hier sind in letzter Zeit erfreulich viele meisterliche Talente aufgetaucht (u.a. Kurt Streit, Roman Trekel, Matthias Goerne, Dietrich Henschel, Juliane Banse, Christine Schäfer, Cornelia Kallisch und eben Christiane Oelze). Gage hat nicht unwesentlichen Anteil an ihrer Entwicklung. Für seine Leistungen ist er mehrfach mit Preisen ausgezeichnet worden.
Der letzte Liederabend im Rahmen der «Kammermusik» fand am 4. April 1945 statt (Elsa Cavelti, Eduard Henneberger).
Das Liedschaffen vieler französischer Komponisten, speziell das der hier aufgeführten, ist uns nicht vertraut. So nimmt man erstaunt zur Kenntnis, dass sie nicht nur Instrumentalwerke, Opern oder Oratorien komponiert haben, sondern auch Lieder. Der früh verstorbene Bizet hat immerhin rund 40 Lieder geschrieben, in denen seine Qualitäten als Melodiker aufscheinen. Saint-Saëns überzeugt wie in den Instrumentalwerken durch Noblesse und Eleganz. Unter den Vokalkompositionen des Deutsch-Wallonen Franck, hauptamtlich Organist, finden sich neben religiösen Werken und (glücklosen) Opern auch Chöre und Lieder. Das wohl letzte, Nocturne, stammt aus Francks reifster Schaffenszeit.
Aus dem reichen Liedschaffen von Strauss mit über 150 Vertonungen hört man meist nur wenige, nicht selten in Orchesterfassungen. Strauss hat das Lied aus dem intimen Rahmen Schuberts oder Schumanns in den spätbürgerlichen Konzertsaal vor ein grosses Publikum versetzt und dafür einen neuen Liedtypus geschaffen. Gleichwohl ist auch er ein Meister der Intimität, wenn auch, deutlich erkennbar in der Dichterwahl, im Stil des Fin de siècle. Der Grossteil seiner Lieder ist vor der Salome (1903–05) entstanden und bildet die Brücke von der Instrumentalmusik zur Oper. Empfindsamkeit eignet den Mädchenblumen Dahns, bei deren Tändelei man dem Verfasser von Ein Kampf um Rom begegnet. Die beiden späten Liedergruppen Opus 68 und 69 sind den großen Romantikern, Achim von Arnim, Clemens von Brentano und Heinrich Heine, gewidmet.
rs