Zemlinsky, Schönbergs späterer Lehrer und Schwager, stellt sein 1. Streichquartett unüberhörbar in die Nähe und Tradition von Brahms. In dessen Todesjahr ist es in der Brahmshochburg des Tonkünstlervereins erstmals aufgeführt worden. Doch unter der scheinbar eindeutigen stilistischen Oberfläche werden Risse, ja Verweigerungen gegenüber dem übermächtigen Vorbild spürbar. Dies ist im Kopfsatz der Fall, der in seinem Umgang mit dem Material und der Form an Schuberts Auseinandersetzung mit den klassischen Prinzipien erinnert. Der 2. Satz ersetzt – Muster ist der 3. Satz der 2. Symphonie von Brahms – das Scherzo durch eine Art Intermezzo, wenn auch in ganz persönlicher Weise. Es «schielt» nach Hugo Wolf und im Furiant des Alternativo nach Böhmen. Dem festlichen langsamen Satz mit durchaus Beethovenscher Expressivität schliesst sich ein schwungvolles Finale in scheinbarer Brahmsmanier an. Doch auch hier ist mehr Innovation zu entdecken, als es die Klassizität der Oberfläche zunächst zuzulassen scheint.
Dass Beethovens späte Quartette nicht nur auf Unverständnis, Desinteresse oder gar Ablehnung gestossen sind, zeigt das op. 127. Es wurde innerhalb von zwei Monaten sechsmal mit grossem Erfolg in Wien aufgeführt. Zusammen mit op. 135 rahmt es in konventioneller Viersätzigkeit die drei komplexeren und durch Motivverwandtschaft zusammengeschlossenen opp. 130, 131 und 132. Es ist im Kopfsatz auf Lyrik gestimmt, obwohl es kontrasthaft mit einem sechstaktigen Maestoso beginnt. Das Adagio, ebenfalls von melodischem Charakter, verbindet Variations- und dreiteilige Form. In seiner Abgeklärtheit erinnert es an die Variationssätze der späten Klaviersonaten oder der 9. Sinfonie. Das Scherzo beginnt mit vier Pizzikato-Akkorden – «quatre tincelles sonores» hat sie A. Boucourechliev genannt. Mit einem leicht rustikalen Motiv wird rhythmische Prägnanz erreicht; im Trio kontrastiert «mendelssohnscher» Elfenton mit derber Kraft. Volkstümlich tänzerisch nimmt das Finale dieses Element auf, bevor es im Allegro comodo ins beinahe Gemütliche, eben Wienerische, gewendet wird. rs