Auch Schubert, dem in der Jugend Sinfonien und Quartette für den Hausgebrauch mit Leichtigkeit aus der Feder geflossen waren, fand den Weg zur grossen Sinfonie und zum grossen Quartett erst in «vergeblichen» Anläufen. Einer der Versuche, der erstmals den neuen, den späten Schubert ahnen lässt, ist der Quartettsatz, die Parallele zur Unvollendeten von 1822. Ein folgendes, leichtgewichtiges As-dur-Andante hat Schubert nach 41 Takten aufgegeben. So bleibt das «ungemein packende Stimmungsbild» eines Quartett-Kopfsatzes mit vielen schubertschen Charakteristika: «Dramatische Unruhe über nervös-geheimnisvollem Tremolo-Grund, wenig später lyrischer Schmelz und leidenschaftlicher Gesang im As-dur-Seitenthema, das man von seiner Aussagekraft her viel eher als eigentliches Hauptthema des Satzes bezeichnen möchte» (A. Werner-Jensen).
Schostakowitschs 12. Quartett ist Konsolidierung und Neubeginn. Es leitet die Reihe der letzten Quartette ein, die mit den sechs Adagios des 15. enden wird. Obwohl das Cellomotiv zu Beginn zwölftönig ist, nutzt es der Komponist nicht seriell, sondern thematisch, wie er auch die Tonalität nicht aufgibt. Das Werk beginnt und endet in Des-dur. Hinter der Zweisätzigkeit mit einem gegenüber dem 1. Satz dreimal längeren zweiten verbirgt sich eine komplexere Struktur. H. Keller hat sie, indem er den 2. Satz in vier Teile (II-V) aufgliedert, so analysiert: I 1. Satz, Exposition (Moderato) – II Scherzo (Allegretto) – III Langsamer Satz (Adagio) – IV Durchführung (Moderato) – V Finale als Reprise (Moderato – Allegretto). «Das Scherzo mit einer schneidenden Figur von fünf Noten (vier kurze und eine lange) erstreckt sich über mehr als die Hälfte des zweiten Satzes; die Durchführung enthält Elemente des 1. Satzes, des Adagios und des Scherzos; und das ´Finale´ rekapituliert das Hauptmaterial des 1. Satzes und des Scherzos» (H. Ottaway). Schostakowitsch selbst sah im 1. Satz «die Welt hoher Ideale. Der 2. Satz stellt ein beunruhigendes Scherzo dar, eine Agonie, die unfähig ist, die Widersprüchlichkeit des Lebens zu lösen».
rs