Haydns g-moll-Quartett gehört zu jener Sechsergruppe (je 3 in op. 71 und 74), die zwar dem Grafen Apponyi (1751-1817), einem Freimaurerfreund und alten Gönner, gewidmet, aber letztlich für Londons Konzertsäle und den dortigen Konzertmanager Salomon geschrieben wurde. Der von Salomon schon bald nach der ersten, so erfolgreichen Londonreise von 1791/92 geplante neue Aufenthalt Haydns verzögerte sich allerdings und fand erst ab Januar 1794 statt. Die Quartette hatten dann allerdings grossen Erfolg. Die neue Art der „Salomon“-Quartette zeigt sich an der «Verknüpfung von quasi-symphonischer Eingängigkeit und raffinierter Detailarbeit» (W. Konold). Dazu gehört die neuartige «sinfonische» Introduktion des Kopfsatzes. Doch als einziges der sechs Quartette hat gerade das «Reiter-Quartett» keine solche, sondern geht – mit einem Reitermotiv – direkt in medias res. Dies ist bei dem so sehr auf rhythmische Prägnanz setzenden Werk nicht verwunderlich. Seinen Beinamen verdient sich das Quartett nicht erst im Finale, sondern schon im Kopfsatz. Auch das Menuett findet nach schlichtem Beginn zwischendurch zu robuster Rhythmik. Die Tonart g-moll wirkt, abgesehen vom Trio des Menuetts, weniger im mozartschen Sinne; sie wird denn auch stets rasch vom helleren G-dur abgelöst. So gewinnt das feierlich-pathetische Largo in E-dur in seiner Ernsthaftigkeit besonderes Gewicht. Am 10. Oktober 1794 schrieb der italienische Komponist G. B. Cimador (1761-1805) an einen Freund, dem er dieses Largo zukommen liess: „Hier, mein lieber Freund, ist ein Stück, das die Begeisterung aller Bewunderer jenes göttlichen Mannes erwecken wird, der es geschrieben hat.“ Das vorwärts preschende Finale dann ist wie der Kopfsatz ein Sonatensatz mit zwei kontrastierenden Themen, dem Reiterthema in g-moll und einem spielerisch bewegten in G-dur. Raffiniert, wie am Schluss, nachdem zunächst das freundliche G-dur-Thema Oberhand zu gewinnen scheint, mit Motivteilen das heftige Galoppieren mit diesem kombiniert wird.
Ravels Vorbilder waren, neben Mozart und Schubert, natürlich französische Komponisten wie Debussy, dessen Quartett für ihn – wenn auch nur partiell – eine Anregung war, oder Fauré, dem er sein eigenes widmete («A mon cher maître Gabriel Fauré»). Die Musik der erwähnten französischen Komponisten wirkt mit ihrer Eleganz, Transparenz und Klanglichkeit. So steht auch bei Ravels Quartett nicht Bedeutungsschwere im Vordergrund, doch zeigt es bei aller Farbigkeit und rhythmischen Vielfalt eine aristokratische Disziplin und Zurückhaltung, ja Zartheit, und verbindet so das Bedeutende mit dem Leichten, das Vornehme mit dem Spielerischen. Heute werden die Quartette Debussys und Ravels gerne nahe zusammen gesehen, nicht zuletzt wegen ihrer häufigen Koppelung auf CDs. Dadurch überhört man oft Ravels Personalstil und seine eigenständige Klangsprache. Ravel selber empfand sein erstes bedeutendes Kammermusikwerk als Abschluss der Studienzeit. In seiner Selbstbiographie schrieb er 1928: «Mein Quartett in f entspricht dem Wunsch nach musikalischer Konstruktion, der zweifellos unzulänglich realisiert ist, aber viel klarer erscheint als in meinen vorhergegangenen Kompositionen.» Diese zurückhaltende Einschätzung überrascht bei einem von Ravels besten Werken.
Die Entstehung des Quartetts dauerte von Dezember 1902 (Sätze 1 und 2) bis April 1903 (Sätze 3 und 4). Dann musste Ravel fast ein Jahr auf die Uraufführung warten. Sie fand am 5. März 1904 in Paris statt und rief verschiedene, teilweise heftige Reaktionen hervor: Debussy war begeistert und schrieb an Ravel: «Au nom des dieux de la Musique et au mien, ne changez rien à votre Quatuor!» Der Widmungsträger Fauré fand einiges zu kritisieren, und die Klassizisten, die den Rom-Preis zu vergeben hatten, konnten nichts damit anfangen (was wohl der beste Beweis für die Qualität und Eigenständigkeit des Werks ist): Sie schlossen Ravel 1905 von der Teilnahme am Rompreis-Wettbewerb aus – angeblich, weil er zu alt war. Das hatte Konsequenzen: Direktor Dubois wurde entlassen, und Fauré sein Nachfolger.
Ravel hielt sich zwar in Einzelheiten an Debussy (so haben etwa beide Scherzi fast die gleichen Vortragsvorschriften), und doch ist ein eigenes Werk entstanden, besonders in der Ableitung der meisten Gedanken aus den Themen des 1. Satzes und in der Wiederaufnahme früherer Motive, vor allem im 3. und 4. Satz. Eigenständig ist auch die Klanglichkeit, etwa im 3. Satz, der mit seinen Tempo- und Tonartenwechseln rhapsodischen Charakter aufweist. Besondere Klänge werden durch spezielle Spielweise, nicht zuletzt in hohen Lagen, bewirkt. Im Finale, das auf einem chromatischen Fünftonmotiv beruht, lässt Ravel, Sohn einer Baskin, die baskische Tanzrhythmik des «Zortzico» anklingen (Abwechslung von Fünfer- und Dreiertakt), allerdings in variierter Form.
Beethovens Harfenquartett und dem op. 67 von Brahms gemeinsam ist - bei beiden Komponisten nicht häufig anzutreffen - ein Finale, das als Allegretto mit sechs bzw. acht Variationen gestaltet ist. Während Beethoven die Variationenfolge «quasi experimentierend zur weiteren Erprobung klangfarblicher, instrumentatorischer Reize nutzt» (A. Werner-Jensen), lässt Brahms sein Finale durch den Einbezug von Themen des Kopfsatzes zu einem bewusst gestalteten und komplexen Ganzen, das die Gesamtform des Werkes betont, erwachsen. Damit verweist es eher auf den späten als auf den mittleren Beethoven. Beiden Werken ist auch ein - als Reaktion auf das vorangehende Quartettschaffen - versöhnlich-leichterer, freundlicher Charakter eigen. Beethoven wollte oder musste auf den für die damalige Zeit ungewohnt komplexen Zyklus der Rasumowsky-Quartette, Brahms auf sein lange erdauertes op. 51 mit dem pathetisch-bekenntnishaften c-moll- bzw. dem elegisch-poetischen a-moll-Quartett «reagieren». Beide Male ist ein freundlich-heiteres Werk herausgekommen; deren Heiterkeit ist nicht blosse Fassade, sondern verbirgt hinter leichten Harfenklängen bzw. bukolischem Frieden einen tiefen Kunstwillen. Bei beiden Werken sind «keine anpasserischen künstlerische Kompromisse geschlossen worden, sondern es wird nur ein anderer Weg beschritten». Dadurch dass Brahms die im op. 51 vorgeformte Technik der entwickelnden Variation weiterführt und auf das Finale hin ausrichtet, zeigt auch er den bewussten Willen zur neuen Formgestaltung. Die Gelöstheit ist innerlich begründet. Ist es nicht eine besondere Leistung eines Künstlers, Schwieriges leicht, Ernsthaftes heiter erscheinen zu lassen? Beethoven und Brahms, die zeitweise ihre liebe Mühe mit Heiterkeit und Leichtigkeit hatten, fanden in beiden Werken auf höchstem Niveau dazu. Nichts kann die neue Gelöstheit hübscher zeigen, als was Brahms zur Widmung des op. 67 zu sagen hatte. Wie er für die «Zangengeburt» des op. 51 des Chirurgen Theodor Billroth bedurfte, so widmete er das op. 67 erneut einem Medizinerfreund, fügte aber hinzu: «Es handelt sich um keine Zangengeburt mehr; sondern nur um das Dabeistehen.»
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Nun also Beethovens op. 74 selbst! Unter den mittleren und späten Quartetten ist es sicher das einfachste und am leichtesten zugängliche, wirkt es doch vornehmlich heiter und freundlich. Schon die Äusserlichkeit der harfenartigen Pizzicati, die dem Werk den nicht gerade aussagekräftigen Beinamen beschert haben, lässt heitere Stimmung aufkommen. Die langsame Einleitung (die Mendelssohn in op. 12 aufgegriffen hat) leitet auf das Hauptthema des Allegro hin, indem es dessen Hauptmotiv umgekehrt vorwegnimmt. Bereits die Durchführung mit ihren Steigerungen lässt erleben, dass freundliche Heiterkeit allein nicht der einzige Charakterzug dieses Werks ist. Im Adagio, beherrscht von weitgespannten Kantilenen, kommt Expressivität hinzu. Auch hier tauchen die Harfenpizzicati wieder auf. Das Presto, nicht ausdrücklich als Scherzo bezeichnet, wird von einem ständig wiederholten Motiv (man fühlt sich an die Fünfte erinnert) beherrscht und der zweimal auftauchende Trioteil, zum Prestissimo gesteigert, macht durch sein Dauerfortissimo Heiterkeit rasch vergessen. Erst das Variationenfinale mit seinem liebenswürdigen Thema führt wieder zu Beruhigung und bekräftigt den Hauptcharakter des Werks.