Konzerte Saison 1955-1956

  • 3.4.1956
  • 20:15
  • 30.Saison
Stadtcasino, Festsaal

Loewenguth-Quartett (Paris)

Das F-dur-Werk op. 77/2 ist Haydns letztes vollendetes Streichquartett, obwohl auch das Opus 77 als Sechser- oder zumindest Dreierserie geplant war. Es ist dem Fürsten Lobkowitz, dem Förderer Beethovens und anderer Musiker, gewidmet und wurde zusammen mit dem Schwesterwerk in G-dur am 13. Oktober 1799 (also fast auf den Tag genau vor 204 Jahren!) im Palais des Fürsten Esterházy in Eisenstadt erstmals aufgeführt. Wenn Donald Tovey das Quartett als „vielleicht Haydns grösstes Instrumentalwerk neben zwei der letzten Sinfonien“ bezeichnet hat, so hatte er die thematische Arbeit im Auge, die in der Durchführung des Kopfsatzes einen Höhe-punkt findet. Es ist erstaunlich, wie Haydn den ganzen Satz aus den Motiven des Hauptthemas entwickelt. Als ob er diese „Schwerarbeit“ mildern wollte, vereinfacht er die Reprise gegenüber der Exposition. Das Menuett, ein Scherzo, lässt an Beethovens gleichzeitig entstehendes und ebenfalls Lobkowitz gewidmetes op. 18 denken. Das D-dur-Andante ist ein Variationensatz - und was für einer! Das Marschthema mit dynamischer Steigerung erfährt figurale Umspielungen und wird durch freie Zwischenspiele weitergeführt. Der Satz endet nicht mit einer raschen Steigerung des Themas, sondern verklingt ernst im pianissimo. Das Finale weist drei Themen auf; sie sind aber wieder aus einem entwickelt. Sie sind rhythmisch prägnant; eines ist sogar à la polacca bezeichnet. Kontrapunktik und Schwung verbinden sich so zu stets überraschender Wirkung.
Debussys Streichquartett gilt als typisch französische Musik. Das ist gewiss richtig. Daneben haben aber auch andere Einflüsse zum Stil des 1893 entstandenen Werks beigetragen. Fünf Jahre zuvor hatte der Komponist – wie schon früher – Bayreuth besucht und Wagners Parsifal erlebt, was ihn sehr beeindruckte. Anlässlich der Pariser Weltausstellung 1889 begegnete ihm fernöstliche Musik, die erstmals in Europa zu erleben war. Alle diese Elemente hat Debussy zu einer eigenen Klangsprache zusammengefügt, welche ihren Reiz und ihre Eigenständigkeit ausmachen. Akademische Formen mochte Debussy nicht. So führte seine Klanglichkeit – man darf auch von Klangfarbe sprechen (kein Wunder, dass oft Begriffe der Malerei gewählt werden) – und der freie Umgang mit der Form zu eigenem Stil. Die vier Sätze sind alle aus dem Hauptthema des Kopfsatzes entwickelt, das mit den drei Tönen g - f - d beginnt. Dies geschieht aber nicht in Form der klassischen Durchführungstechnik, sondern indem derselbe Gedanke immer wieder mit exotischen Klängen und mit gleitenden Instrumentalfarben umspielt wird. Dazu kommt eine ungewohnte Rhythmik, die das Publikum der ersten Aufführung ebenso irritierte wie die neue Klanglichkeit. Debussys Freund Paul Dukas beschrieb anlässlich der Uraufführung die Bedeutung des Werks: «Alles darin ist klar und deutlich gezeichnet, trotz grosser formaler Freiheit. Debussy zeigt eine besondere Vorliebe für Verknüpfungen klangvoller Akkorde und für Dissonanzen, die jedoch nirgends grell, vielmehr in ihren komplexen Verschlingungen fast noch harmonischer als selbst Konsonanzen wirken; die Melodie bewegt sich, als schreite sie über einen luxuriösen, kunstvoll gemusterten Teppich von wundersamer Farbigkeit, aus dem alle schreienden und unstimmigen Töne verbannt sind.»

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 82, F-dur, op. 77, Nr. 2, Hob. III:82 (1799)
Allegro moderato
Menuetto: Presto (ma non troppo) – Trio
Andante
Finale: Vivace assai

Sergej Prokofjew 1891-1953

Streichquartett Nr. 2, F-dur, op. 92 (1942)
Allegro sostenuto
Adagio
Allegro – Andante molto – Quasi Allegro I, ma un poco più tranquillo

Claude Debussy 1862-1918

Streichquartett g-moll, op. 10 (1893)
Animé et très décidé
Assez vif et bien rythmé
Andantino, doucement expressif
Très modéré – Très mouvementé et avec passion – Tempo rubato