Drei der vier grossen Werke aus Edward
Elgars später, überaus fruchtbarer «Brinkwells»-Periode (so genannt nach dem gleichnamigen Landsitz, den Elgar zwischen 1917 und 1920 mietete), das Streichquartett op. 83, die Violinsonate op. 82 und das Cellokonzert op. 85 stehen in e-moll (obwohl Elgar die Tonart weder bei der Sonate noch bei diesem Quartett auf dem Titelblatt angibt), und ihre Atmosphäre und Themen weisen alle Ähnlichkeiten auf. Im Eröffnungssatz des Quartetts, welcher im März 1918 abgeschlossen wurde, bilden zwei Ideen das erste Thema: eine forschende, fragende Figur, die sich schrittweise über eine zweitaktige Phrase erhebt und eine Antwort aus absteigenden, stets paarweise auftretenden, Quarten. Diese beiden Motive bestimmen den musikalischen Charakter: die aufsteigenden Halbtöne suggerieren Spannung, Konflikt; die grösseren absteigenden Intervalle, suggerieren emotionale Auflösung. Der Mittelteil bringt eine immer stärker zerklüftete Chromatik, bis zum Höhepunkt, nach dem Elgar den Satz mit der eingangs gestellten Frage beendet, aber in der beruhigenden Sicherheit von E-Dur schliesst. Der folgende langsame Satz («piacevole») wurde im Oktober 1918 begonnen, als das Ende des Krieges absehbar war. Er wurde am 26. November, nach dem Waffenstillstand, beendet. Wie im ersten Satz prägen zwei Motive das liedhafte Andante mit seinem sanft bewegten Dreiermetrum. Das lange, kantable Thema taucht dreimal in voller Länge auf, unterbrochen von Nebenepisoden, die vom Hauptthema durch chromatische Entwicklung abgeleitet sind. Nach dem forschenden Charakter des ersten und der Ruhe des zweiten Satzes vollendet die leidenschaftliche Ekstase des dritten Satzes Elgars Vision. Lady Elgar verglich diesen Satz mit «galoppierenden Hengsten». Dies sollte nicht als Hinweis auf ein tieferes Programm für das Werk verstanden werden, sondern einfach als Hinweis darauf, dass Elgar die Atmosphäre der Wälder um Brinkwells, die ihn inspiriert hatten, eingefangen hatte. Das Quartett wurde zusammen mit den drei anderen Kammerwerken der «Brinkwells»-Periode am 21. Mai 1919 in der Wigmore Hall durch Albert Sammons, W. H. Reed, (Violinen), Raymond Jeremy (Viola) und Felix Salmond (Cello) uraufgeführt. Die Times schrieb darüber: «Eine unmittelbare Wirkung beim Hören von Sir Edward Elgars opp. 82, 83 und 84 nacheinander ist, dass man eine neue Sympathie für die moderne Revolte gegen die Schönheit von Linie und Farbe entwickelt. Ein Stich roher Hässlichkeit wäre eine Erleichterung gegenüber diesem überwältigenden Sinn für Schönheit.» Ein Jahrhundert später sehen wir diese späte Blütezeit Elgars vielleicht etwas ausgewogener. [Elgar Society]
Erstaunlicherweise nimmt auch der erste Satz des rund acht Jahre nach dem ersten entstandenen 2. Quartetts Béla Bartóks zumindest in der Stimmung auf jenes Idealporträt Steffi Geyers Bezug. Zoltán Kodály hat das 2. Quartett «Episoden» genannt und die Sätze mit «Ruhiges Leben – Freude – Leid» bezeichnet, womit autobiographische Bezüge des Werkes deutlich werden. Während der erste Satz im Frühwerk wurzelt, weist der dritte, geradezu pessimistische, auf den Stil der dreissiger Jahre voraus. Die wilde Tanzweise des auf den Ton D zentrierten Mittelsatzes ist Reminiszenz der Nordafrikareise zur Erforschung und Sammlung von Volksliedern im Jahre 1913. Die Ecksätze sind «in sehr vagem a-moll» (P. Griffiths) gehalten. Diese eher unbestimmte Tonart und die Dreisätzigkeit sind neben den autobiographischen Tendenzen und dem Versuch einer Synthese von Volks- und Kunstmusik beiden Quartetten gemeinsam.
Robert Schumanns Schaffen verlief in der Frühzeit in Schüben: Auf die Klavierjahre folgten das Liederjahr 1840, das Sinfoniejahr 1841 und das Kammermusikjahr 1842. Doch hatte Schumann bereits 1838/39 an die Komposition von Streichquartetten gedacht, ja wohl auch mit der Komposition begonnen. An Clara schrieb er am 11. Februar 1838: «Auf die Quartette freue ich mich selbst, das Klavier wird mir zu enge, ich höre bei meinen jetzigen Kompositionen oft noch eine Menge Sachen, die ich kaum andeuten kann, namentlich ist es sonderbar, wie ich fast alles kanonisch erfinde.» Ehe er seine Idee 1842 mit gleich drei Quartetten in die Tat umsetzte, studierte er eingehend die Quartette Mozarts und Beethovens. Auch die Quartette Mendelssohns, dessen drei Quartette op. 44 1837/38 entstanden, fehlten nicht. Ihm widmete er seine neuen Werke – und hielt sich auch formal mehr an diese Vorbilder als etwa an Beethoven. Noch 1847, als er sich mit der Komposition von Klaviertrios wieder der Kammermusik zuwandte, freute er sich an seinen einzigen Streichquartetten: «Ich betrachte sie noch immer als mein bestes Werk der früheren Zeit, und Mendelssohn sprach sich oft in demselben Sinne aus.» Das 3. Quartett darf wohl als Höhepunkt gelten (Mendelssohn gab allerdings bei der ersten privaten Aufführung der Nr. 1 den Vorzug), ist es doch auch das schwungvollste der drei. Innerhalb dieses Werks dürfte der 2. Satz der ungewöhnlichste sein, ein Pseudo-Scherzo, das sich zu einer Variationenfolge in fis-moll entwickelt. Vor dem heiteren Finale, das von sanglichen Einschüben unterbrochen wird, erklingt ein ebenfalls rondoartig angelegtes Adagio in D-dur, das von ausdrucksvoller Lyrik geprägt ist.