Konzerte Saison 2023-2024

  • 31.10.2023
  • 19:30
  • 98.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Kuss Quartett (Berlin)

Über sein Engagement für das traditionelle Konzertrepertoire hinaus gehört das Kuss Quartett zu den bedeutendsten Kammerformationen im Bereich der Neuen Musik. Werke von Enno Poppe, Aribert Reimann, Manfred Trojahn, Bruno Mantovani, Iris ter Schiphorst, Johannes Fischer, Mark Andre und Francisco Coll sind in seinem Auftrag entstanden. Das Quartett profilierte sich zudem in Projekten mit erweiterten Besetzungen, wovon z.B. das im November 2021 erschienene Album «FREIzeit» mit Werken von Poppe, Reimann und Trojahn zeugt, welches in Zusammenarbeit mit dem Perkussionisten und Komponisten Johannes Fischer, der Sopranistin Sarah Maria Sun und dem Slam-Poeten Bas Böttcher entstanden ist. Ein weiteres Themenalbum ist die Anfang 2023 erschiene CD «Krise» mit Werken von Haydn, Schostakowitsch, Mendelssohn, Janáček u.a., dessen Konzeption von der Erfahrung der Corona-Pandemie und dem Ukraine-Krieg angestossen wurde. In der klassischen Domäne stiess zudem die Gesamteinspielung von Beethovens Streichquartetten auf begeisterte Resonanz. Zu Beginn seiner Karriere wurde das Quartett vom Deutschen Musikrat und beim Borciani-Wettbewerb mit ersten Preisen ausgezeichnet, erhielt einen Borletti-Buitoni Award und war «Rising Star» der European Concert Hall Organisation.

Bei zahlreichen Meisterkursen inspiriert das Kuss Quartett heute die nächste Generation, zudem sind William Coleman (in Salzburg) und Oliver Wille (in Hannover und Birmingham) Professoren an europäischen Universitäten. Mikayel Hakhnazaryan unterrichtet Kammermusik an der Hochschule in Karlsruhe, Jana Kuss an der Accademia Perosi in Biella (Italien).

Die 1782 begonnene Folge von sechs Quartetten schloss Mozart erst zu Beginn des Jahres 1785 ab: Am 10. Januar trug er das A-dur-Quartett, vier Tage später das Dissonanzen-Quartett in sein Werkverzeichnis ein. Bereits am 15. Januar fand die Aufführung vor Freunden, darunter Haydn, statt. Spätestens zu Beginn des Jahres muss Mozart auch den Plan gefasst haben, die Quartette Haydn zu widmen. KV 464 ist wohl das am feinsten gearbeitete Mozart-Quartett. Die Qualität liegt weniger im Reiz der Themen als in ihrer sorgfältigen Verarbeitung und polyphonen Dichte – darüber liegt typisch mozartsche Anmut. Im lyrischen Kopfsatz setzt die 1. Violine mit dem ersten Motiv ein, bevor alle vier Instrumente mit vier Akkorden darauf reagieren; das ebenfalls zweiteilige zweite Thema besteht aus einem aufsteigenden chromatischen Dreitonmotiv, dem die 1. Geige eine Triolenfolge nachschickt. Daraus entsteht ein höchst dichtes polyphones Stück. Das an zweiter Stelle stehende Menuett beginnt mit einem Unisono-Thema, dem die 1. Geige eine melodische Fortsetzung folgen lässt. Im Trio, in sanglicher Heiterkeit, glänzt zu Beginn des zweiten Teiles die 1. Geige mit eleganten Triolenfolgen. Höhepunkt sind die Variationen des Andante. Das Thema ist kein populäres Lied wie bei Haydn oder Schubert, sondern ein höchst klassisches. Originell ist in der 6. Variation das Ostinato-Motiv des Cellos, als ob eine kleine Trommel den Rhythmus angeben wollte; in der Coda wandert es durch die Instrumente. Kurz vor Schluss tritt das Thema in der 1. Geige verkürzt wieder auf, dann beschliesst das «Trommelmotiv» des Cellos den Satz. Meisterhaft auch das Finale, wiederum ein Sonatensatz. Es beginnt mit einem chromatischen Viertonmotiv, das in Halbtonschritten absteigt und den ganzen kunstvollen Satz bestimmt – und damit endet er auch. Beethoven schätzte dieses Quartett besonders und fertigte eigenhändig eine Kopie des Finale an.
Treibende Kraft in Francisco Colls erstem Streichquartett ist das Lied – Melodien und Gesangsweisen, die in Erinnerung bleiben, verschlüsselt und neu gestaltet werden. Der erste und der dritte Satz wird von Volksmusik getragen. Der Beginn wurde durch eine raue, lebhafte Aufnahme aus der Ukraine inspiriert, auf die Coll im Internet gestossen war, die inzwischen aber spurlos verschwunden ist. Im weiteren Verlauf des Satzes verwandeln sich Reste eines ukrainischen Tangos in einen wilden Paso Doble. Der dritte Satz, dessen Titel sich von den schmerzhaften Schreien des Flamenco ableitet, ist in den Klängen und der Spielweise der Cante-Jondo-Tradition verwurzelt. Die beiden Cantos-Sätze teilen kein gemeinsames musikalisches Material, sondern sind durch einen gewissen mystischen Charakter miteinander verbunden. Der erste Satz, der 2017 als eigenständiges Werk für das Cuarteto Casals geschrieben wurde und seinerseits auf einer von Colls Hyperludes für Violine basiert, ist sowohl introspektiv als auch erotisch. Jede Phrase wölbt und entfaltet sich innerhalb eines Atems und ahmt den Tonfall einer menschlichen Stimme nach. Cantos II beginnt mit einem Ende und endet mit einer Art Anfang. Als Ausgangspunkt dient der Schlussakkord von Anton Weberns Fünf Sätzen für Streichquartett; aus diesem harmonisch aussergewöhnlichen Klang heraus entwickelt sich eine ausdrucksvolle Musik mit hoquetus-artig behandelten Melodien und Arabesken, die auf einem Choral beruhen. Nachdem Coll sein Quartett in der Ukraine der Gegenwart begonnen hat, beendet er es mit einem Stück der ältesten bekannten schriftlich notierten Musik: einem Hurritischen Hymnus. Auch als «Hymne an Nikkal» bekannt, stammt dieser aus dem syrischen Ugarit des 12. Jahrhunderts vor Christus und liefert die Grundlage des eindringlichen Abschlusses dieser «Códices».
Bartók, lange Zeit ein Meister in der Synthese von Kunst- und Volksmusik, wandte sich im sechsten, vom Komponisten als Gast Paul Sachers in Gstaad im August 1939 begonnenen Quartett von diesem Prinzip ab. Die Zeit verlangte wohl anderes, wie die verschiedenen, stetig wachsenden Abhandlungen derselben Mesto-Musik zu Beginn der vier Sätze zeigen. Obwohl parodistisch-groteske Elemente in den Mittelsätzen nicht fehlen, ist es der Trauerton, der den Charakter des Werks bestimmt. Die Rückkehr zur Viersätzigkeit und zur Tonalität sind äussere Zeichen für den neuen Standort in Bartóks Leben und Schaffen. Das Auskosten des Mesto-Charakters bis hin zum Verstummen bedeutet nicht nur den Schluss von Bartóks Quartettschaffen, sondern auch, was der Komponist nicht wissen konnte, des letzten in Europa geschriebenen Werks.

Wolfgang Amadeus Mozart 1756-1791

Streichquartett Nr. 18, A-dur, KV 464 (1784/85)
Allegro
Menuetto – Trio
Andante
Allegro (non troppo)

Francisco Coll 1985-

Streichquartett Nr. 1 (2023)

Béla Bartók 1881-1945

Streichquartett Nr. 6, Sz 114 (1939)
Mesto – Vivace
Mesto – Marcia
Mesto – Burletta: Moderato
Mesto

Volksweisen aus Armenien und Georgien

Der rote Schal (Armenien)
Die nörgelnde Frau (Georgien)
Bauerntanz (Georgien)