Konzerte Saison 2022-2023

  • 31.1.2023
  • 19:30
  • 97.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Ulysses Quartet (New York)

Das New Yorker Ulysses Quartet wurde 2015 gegründet und hat in den USA bereits eine bemerkenswerte Karriere realisiert. Auszeichnungen erhielt es u.a. 2016 bei der Fischoff National Chamber Music Competition, 2017 beim American Prize und bei der Osaka International Chamber Music Competition, 2018 bei der Schoenfeld International String Competition sowie 2019 bei der Vietnam International Music Competition. Das Quartett absolvierte Auftritte in der Carnegie Hall, der Jordan Hall (Boston), dem Harbin Grand Theatre (Harbin, China) und der Taiwan National Recital Hall. In der Saison 22/23 stehen unter anderem Auftritte an der Universidad Nacional Autónoma de México, der Sociedad Filarmonica in Valencia und bei der Chamber Music Society of Lincoln Center (New York) auf dem Programm. Nebst den Klassikern des Repertoires widmet sich das Quartett insbesondere neuer und neuester Musik sowie weniger bekannten oder vergessenen Werken des 20. Jahrhunderts. Vor kurzem hat es sein Debütalbum fertiggestellt; vier weitere Alben sind in naher Zukunft geplant, nebst Quartettrepertoire werden auch Werke für weitere Besetzungen in Zusammenarbeit mit dem Flötisten Ransom Wilson und dem Gitarristen Ben Verdery eingespielt werden. In den nächsten Jahren plant die Gruppe, die Quartette von Joseph Summer aufzunehmen.

Bis im Mai 2022 war das Quartett Graduate Resident String Quartet an der Juilliard School of Music, im Frühling 2023 wird es eine Residenz an der Louisiana State University absolvieren.

Die Pianistin und Komponistin Frangis Ali-Sade stammt aus Baku/Aserbaidschan; seit 1999 lebt sie vorwiegend in Deutschland. Ihr Kompositionsstil bewegt sich zwischen der traditionellen Musik ihrer Heimat Aserbaidschan und der (teilweise auch experimentellen) Gegenwartsmusik. Zwei Kräfte wirkten in ihr, sagte sie einmal, und aus dem Widerspruch ergebe sich das Neue. Ihr Werk «Raegs» kommentiert sie wie folgt: «‹Raegs› bedeutet im Aserbaidschanischen sowie in allen anderen Turksprachen ‹Tanz›. In Aserbaidschan existieren von alters her viele verschiedene Tänze: für Männer und Frauen, heroische und lyrische, schnelle und langsame. Und bis heute ist die Tradition erhalten geblieben, alle wichtigen Ereignisse des Lebens mit allen möglichen Tänzen zu begleiten: Verlobungs- und Hochzeitsbräuche, Ernte- und Abschiedsbräuche, Geburts- und sogar Todestage. Es existieren auch Begräbnistänze, welche den Abschied vom Verstorbenen begleiten. Auf diese Weise ist die Tanztradition in Aserbaidschan sehr stark und bis heute aktuell, vor allem in ländlichen Gegenden. In meinem Stück habe ich versucht, einige Rhythmen und Gestalten der aserbaidschanischen Tänze zu reflektieren.»

Joseph Summer ist in North Carolina geboren und studierte am Oberlin College in Ohio. Zunächst ist er als Komponist einer Reihe komischer Opern, die auf den derben Geschichten aus Boccaccios «Decamerone» basieren, in Erscheinung getreten. Seit einiger Zeit widmet er sich der Vertonung von Texten William Shakespeares. Neben den einzelnen Szenen, Sonetten und Liedern von Shakespeare in seiner Sammlung «The Oxford Songs» schuf Summer die Opern «Hamlet» (2006) und «The Tempest» (2013). Mehrere seiner in der jüngeren Vergangenheit entstandenen Streichquartette sind vom Ulysses Quartet aufgenommen worden. Die Vertonung des Shakespeare-Sonetts Nr. 128 fungiert zugleich als Finalsatz der «Sonata for violin and soprano», die das achte Buch der «Oxford Songs» bildet. Summer komponierte das Werk in verschiedenen Phasen; der dritte Satz «Sonnet CXXVIII» entstand 1970 und wurde 2000 überarbeitet, der erste und zweite Satz entstanden als Ergänzung ca. 2010.

Pavel Haas ist einer jener Komponisten, deren physische Existenz und damit auch, zumindest bis vor kurzem, sein Weiterleben im Werk die Nationalsozialisten ausgelöscht haben. Wie sein gleichaltriger Kollege Hans Krása wurde Haas in Theresienstadt interniert und am 16. Oktober 1944 in die Gaskammern von Auschwitz geschickt. Seine Werke wurden vergessen und gelangten erst im Rahmen der Wiederentdeckung «entarteter Musik» erneut zur Aufführung. Wie die Quartette von Krása und Schulhoff gehört das 2. Quartett von Haas in die zwanziger Jahre. Es ist eine programmatische Suite, entstanden nach einer Reise in die mährischen Berge, die man in Brünn auch «Affengebirge» nannte. Haas schrieb dazu: «Dieses ganze sorglose Werk wird vom Bewegungsimpuls beherrscht - entweder dem gleichmässigen Rhythmus der offenen Landschaft und der Vogelstimmen, oder dem unregelmässigen Rumpeln der Dorfkarren, dem warmen Schlagen des menschlichen Herzens, dem kalten Spiel des Mondscheins oder dem wilden Ende einer ausgelassenen Nacht...»

Noch während der Arbeit am späteren Streichquartett op. 127 – wohl im Herbst 1824 – konzipierte Beethoven die Quartette op. 132 und op. 130. Wie op. 127 wurden sie dem Fürsten Galitzin gewidmet. Der erste Satz von op. 132 beginnt mit einer Einleitung, welche ausgehend vom Cello jenes Viertonmotiv in je einem auf- und absteigenden Halbtonschritt (gis–a/f–e; in der 1. Violine dis–e/c–h) einführt, das als Klammer die drei grossen der späten Quartette verbindet. Schon das Hauptthema des Kopfsatzes nimmt es in seiner Mitte auf und auch im Finalthema erscheint es, wenn auch versteckt, wieder. Der 2. Satz, ein recht umfangreiches, mehrheitlich freundliches Scherzo, steht in A-dur; sein Trio kommt zuerst klanglich apart à la musette, später mit einem girlandenartigen, harmonisch ständig changierenden Motiv daher. Der langsame Satz bildet das Zentrum und die Hauptaussage des Werkes. Nicht nur die Länge, auch die religiös gefärbte Umschreibung der Satzbedeutung hebt diesen einmaligen Satz aus den andern hervor. Der «Dankgesang» ist trotz seiner «himmlischen Längen» im Grunde einfach gebaut: Er beginnt mit einer choralartigen Melodie in F-dur ohne ♭ (darum «in der lydischen Tonart») ruhig. Ihre Phrasen folgen einander jeweils halbtaktig im 4-stimmigen Satz. Dieser Choralteil wird von einem leichteren Andante in D-dur abgelöst, das mit «Neue Kraft fühlend» überschrieben ist und mit kurzen Notenwerten von Zweiunddreissigsteln ein rasches Tempo vortäuscht. Es nimmt im weiteren Verlauf geradezu tänzerische Züge an. Diese beiden Abschnitte werden wiederholt, wobei der Choral variiert wird, während das Andante weitgehend unverändert bleibt. Eine dritte Choralstrophe führt «mit innigster Empfindung» den Satz gleichsam in Rondoform zu Ende. Der erstmalige Versuch, die Satzzahl über die gewohnten vier auszuweiten, mag im Vergleich mit dem sechssätzigen op. 130 und mit den sieben Sätzen von op. 131 noch unentschlossen wirken. Ein kurzer Geschwindmarsch (24 Takte in zwei jeweils zu wiederholenden Teilen) und die folgende rezitativartige Überleitung (22 Takte) wirken beinahe wie eine Art Einleitung zum Schlusssatz. Doch die Aufgabe, das Molto Adagio ins Zentrum des Werks zu rücken, erfüllt dieser Quasi-Satz sehr wohl. Das Finale mit einem zunächst expressiv sehnsüchtigen Thema ist eine Art Verbindung von Sonatensatz und Rondo. Der Satz sucht aber auch Grenzen, die mit Passagen in höchster Lage und mit einem Presto-Schluss in einen dem «Dankgesang» konträren Charakter umschlagen.

William Shakespeare

How oft, when thou, my music, music play’st (Sonnet 128)

How oft, when thou, my music, music play’st,

Upon that blessed wood whose motion sounds

With thy sweet fingers, when thou gently sway’st

The wiry concord that mine ear confounds,

Do I envy those jacks that nimble leap

To kiss the tender inward of thy hand,

Whilst my poor lips, which should that harvest reap,

At the wood’s boldness by thee blushing stand!

To be so tickled, they would change their state

And situation with those dancing chips,

O’er whom thy fingers walk with gentle gait,

Making dead wood more blest than living lips.

Since saucy jacks so happy are in this,

Give them thy fingers, me thy lips to kiss.

* * *

Wie oft, wenn Deine zarten Finger springen

Über das Holz, beglückt durch ihr Berühren,

Dass wunderbare Weisen ihm entklingen,

Die wohllautvoll mein Ohr und Herz verführen,

Beneid’ ich diese Tasten, wie sie nippen

Glückseligkeit von Deiner Hand gespendet,

Derweil erröthend meine armen Lippen

Ihr Anrecht sehn an kühnes Holz verschwendet.

Gern würden sie um solche Wonne tauschen

Mit jeder Taste, die sich tanzend bückt:

Wenn lieber Deiner Hand melodisch Rauschen

Das todte Holz als meinen Mund beglückt.

Doch wenn das freche Holz geküsst sein muss:

Reich’ ihm die Hand, die Lippe mir zum Kuss!

Übertragung: Friedrich Bodenstedt (1866)

Frangis Ali-Sade 1947-

Raegs (Tanz) für Streichquartett (2016)

Joseph Summer 1956-

Sonett CXXVIII (How oft, when thou, my music, music play’st) für Sopran und Violine (Text: William Shakespeare) (1970/2000)

Pavel Haas 1899-1944

Streichquartett Nr. 2, op. 7, «Z opicích hor» (Aus dem Affengebirge) (1925)
Andante: «Krajina» (Landschaft)
Andante: «Kocár, kocí a kun» (Pferd, Kutsche und Kutscher)
Largo e misterioso: «Mesíc a já» (Der Mond und ich)
Vivace con fuoco - Andante - Tempo I: «Divá noc» (Eine wilde Nacht)

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 15, a-moll, op. 132 (1825)
Assai sostenuto – Allegro
Allegro, ma non tanto
Heiliger Dankgesang eines Genesenen, in der lydischen Tonart: Molto adagio –
Neue Kraft fühlend: Andante –
Mit innigster Empfindung: Molto adagio
Alla Marcia, assai vivace – Più allegro – Allegro appassionato – Presto