Konzerte Saison 2021-2022

  • 7.12.2021
  • 19.30
  • 96.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Quatuor Tchalik (Paris) Dania Tchalik, Klavier

Die Geschwister Tchalik musizieren seit ihrer frühen Kindheit gemeinsam. Sie sind in einer russisch-französischen Familie aufgewachsen, in der Musik eine wichtige Rolle spielt. Nach seiner Gründung im Jahr 2013 studierte das Quartett an verschiedenen Musikakademien in Montreal, der European Chamber Music Academy, der Accademia Musicale Chigiana, dem Centre européen de musique de chambre Paris. Ab 2016 wurde das Ensemble von Günter Pichler (Alban Berg Quartett) in Madrid unterrichtet. Das Quartett erhielt wertvolle Unterstützung bedeutender Musiker. Im Jahr 2016 gewann das Streichquartett den Kammermusik-Wettbewerb der Internationalen Sommerakademie der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Im folgenden Jahr wurde es mit dem Preis der Fondazione Monte dei Paschi di Siena ausgezeichnet. Im Februar 2018 folgte der 1. Preis beim 13. Internationalen Mozartwettbewerb in Salzburg, und es wurde zudem mit dem Sonderpreis der Stiftung Mozarteum für die beste Interpretation eines Mozart-Quartetts geehrt. Es pflegt aber, wie der heutige Abend zeigt, ein breites Repertoire, auch mit selten gehörten Werken. Es begeistert sich auch für zeitgenössische Werke, wie im heutigen Konzert in «La Ronde» von Escaich zu hören ist.

Das Quartett tritt regelmässig mit einem weiteren Bruder, dem Pianisten Dania Tchalik, auf. Er hat am Conservatoire de Paris studiert. Es gibt gemeinsame CD-Aufnahmen: In der Quintettbesetzung liegt das Quintett von Reynaldo Hahn vor. Die Duo-Kombination mit dem Geiger Gabriel Tchalik ist in den Violinsonaten von Respighi, Janáček, Boris Lyatoshynsky und Ravel, von César Franck, R. Hahn und Saint-Saëns sowie von Boris Tischtschenko auf bisher drei CDs festgehalten.

Mozarts Klavierkonzert KV 449 zählt nicht zu seinen bekanntesten. Er schrieb es für seine Schülerin Barbara/Babette Ployer, zunächst 1782, vollendet 1784. Vorausgegangen waren die Konzerte KV 413, 414 und 415, die Mozart als «Mittelding zwischen zu schwer, und zu leicht» einstufte. Er bezeichnete bei KV 449 zum letzten Mal die Bläserstimmen mit ad libitum und liess die Kammermusik-Fassung mit vier Streichern gelten. Andererseits ist das Werk im Vergleich mit den genannten Konzerten technisch anspruchsvoll. Offenbar traute er seiner Schülerin zu, das schwierige Werk spielen zu können. Auffällig ist, dass Mozart es am 9. Februar 1784 als erstes in das «Verzeichnüss aller meiner Werke» eintrug, das er von nun an bis zuletzt führte. Später bezeichnete er es als «ein Concert von ganz besonderer art, und mehr für ein kleines als grosses Orchester geschrieben». Er spielte das Konzert auch selbst, so am 17. März 1784, und bemerkte seinem Vater gegenüber: «Das Neue Concert so ich gespiellt hat ausserordentlich gefallen.» Das Konzert ist der «Beginn einer neuen Reihe, die nicht weniger als zwölf Konzerte umfasst – den Höhepunkt von Mozarts instrumentalem Schaffen» (Alfred Einstein). Eric Blom nennt es «ein interessantes und sonderbarerweise vernachlässigtes Es-dur-Werk, das deutlich eine neue Prägung erkennen lässt. (...) Über dem Werk liegt etwas düster Melancholisches, dem wir in dieser Musikkategorie bisher noch nicht begegnet sind. Obgleich der erste Satz mit allegretto vivace bezeichnet ist, drückt er nicht die geringste Lebhaftigkeit des Geistes aus. Er bewegt sich in weiten Schritten von grossen Intervallen, mit häufigen Modulationen in Molltonarten, und der Dreivierteltakt erzeugt hier eine ungewohnt rastlose Wirkung. (...) Der langsame Satz von melancholischer Schönheit ist viel zu wenig bekannt (...). Das Finale hat ein Haydnsches Hauptthema, ist jedoch voll von mozartischen Wendungen. Es strotzt von Einfällen und weist auch wieder beunruhigende Abweichungen in Molltonarten auf.»

Der französische Organist, Komponist und Hochschullehrer Thierry Escaich hat bereits während seiner Studien in Paris zahlreiche erste Preise gewonnen. 1992 wurde er zum Professor für Komposition und Improvisation an das Conservatoire national supérieur de musique de Paris berufen; seit 1997 ist er Titularorganist der Pfarrkirche St-Etienne-du Mont in Paris. 2020/21 wirkt er als Organist-in-Residence in Dresden. Seine zahlreichen Kompositionen umfassen neben Orgelwerken Opern (zuletzt Point d’orgues, UA 7. März 2021), Orchesterwerke und Solokonzerte und Kammermusik. «La Ronde» (Reigen) wurde von Escaich am Klavier und dem Quatuor Ysaÿe am 8. Oktober 2000 uraufgeführt. Das 13 Minuten lange Werk wurde nach der Lektüre des Theaterstücks «Reigen» von Arthur Schnitzler komponiert. «Dieses Stück schildert in zehn erotischen Dialogen die ‹unerbittliche Mechanik des Beischlafs› (der im Stück selbst nicht gezeigt wird) und sein Umfeld von Macht, Verführung, Sehnsucht, Enttäuschung und das Verlangen nach Liebe. Es zeichnet ein Bild der Moral in der Gesellschaft des Fin de siècle und durchwandert dabei in einem Reigen alle sozialen Schichten vom Proletariat bis zur Aristokratie» (Wikipedia). Escaich schreibt über die Form des Werks: «Wenn man die eher komplexe Struktur des Quintetts – komplex im Sinne der dauernden Verwicklung der thematischen Zellen und der verschiedenen musikalischen Stimmungen – vereinfachen möchte, so könnte man sie am ehesten als Rondo bezeichnen.» Weiter schreibt er: «Les couplets – construits principalement comme des variations sur le matériau offert par cette mélodie – seraient, au contraire, ces passages qui tentent de conduire la pièce vers des climats musicaux franchement différents: un scherzo un peu fantasque en pizzicati de cordes, une valse lente – au centre de la pièce – presque extatique, un ostinato final agité dans lequel des réminiscences de valses tournoyantes semblent vouloir s’imposer par bouffées.»

Reynaldo Hahn, zwölftes Kind eines jüdischen Kaufmanns und Erfinders aus Hamburg, der nach Venezuela ausgewandert war und es bis zum Freund und Berater des Präsidenten Antonio Guzmán Blanco brachte, und einer Venezolanerin spanisch-baskischer Abstammung, wurde in Caracas geboren. 1878 zog die Familie nach Paris, wo Reynaldo 1885 ins Conservatoire eintrat. Er war Schüler von Massenet, sein Mitschüler war Ravel. Bald begann er zu komponieren. Er verkehrte in den besten Kreisen, wo er Bekanntschaft mit Dichtern und Schriftstellern (u. a. Proust, Briefwechsel) schloss, deren Gedichte er vertonte. Es entstanden Opern, Operetten und Ballette, Orchesterwerke und Lieder. 1920 wurde Hahn Professor für Gesang an der Ecole Nationale de Musique de Paris. Er komponierte Kammermusik in verschiedenen Besetzungen. Das Klavierquintett in der ungewöhnlichen Tonart fis-moll entstand 1921/22. Sein Stil ist gefällig und frisch und wirkt rückwärtsgewandt; in seinen Modulationen erinnert er an den jungen Fauré. Der Klavierpart, den Hahn für sich selbst komponierte, ist leichtfüssig elegant. Der Wechsel nach Fis-dur gegen Ende des ersten Satzes klingt extrovertiert, findet aber bald zum Moll zurück. Der zweite Satz mit seinem cis-moll-Thema ist sanglich und erinnert erneut an Fauré. Ein erwarteter Höhepunkt kommt nicht wirklich zustande, vielmehr führt die Passage in unerwartetem F-dur zu einem Rückblick. Gegen Ende zeigt sich im Unisono der Streicher erhöhte Intensität, nicht zuletzt wegen der Themenverbindung der vorangegangenen Abschnitte. Nach einer Reprise des Seitenthemas endet der Satz in Cis-dur. Der Schlusssatz ist kein rasantes Finale, sondern ein elegantes, wohlklingendes Rondo, das in einer Fis-Dur-Coda mit den Hauptthemen zum Ende führt.