Konzerte Saison 2021-2022

  • 16.11.2021
  • 19.30
  • 96.Saison
  • Abo 8
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

David Oistrakh String Quartet (Moskau)

Nach Jahren künstlerischer Freundschaft wurde das Quartett 2011 gegründet. 2012 ehrte es die Familie David Oistrachs, des legendären Geigers des 20. Jahrhunderts, mit dessen Namen. Der Primgeiger Andrej Baranow, Jahrgang 1986, stammt aus einer Petersburger Musikerfamilie. Er ist Gewinner der Queen Elizabeth Violin Competition und von über zwanzig weiteren bedeutenden Wettbewerben. Er hat mit zahlreichen Orchestern weltweit musiziert. In den ersten Jahren des Quartetts wirkte Sergej Pischugin, ein anerkannter Kammermusiker, ehemaliger Schüler Oistrachs und Mitglied des Schostakowitsch Quartetts, als zweiter Geiger. Sein Nachfolger Rodion Petrow ist Preisträger mehrerer Wettbewerbe und tritt auch solistisch auf. Auch der Bratscher Fjodor Belugin spielte eine Zeitlang im Schostakowitsch Quartett und war Preisträger zahlreicher Wettbewerbe. Seit 2006 ist er Professor für Bratsche am Moskauer Staatskonservatorium. Der Cellist Alexej Schilin gilt als einer der führenden Cellisten seiner Generation in Russland. Er hat zahlreiche internationale Preise gewonnen und tritt auch als Solist in Russland und Europa auf. Er ist Professor für Cello am Staatlichen Konservatorium von St. Petersburg. Das Quartett tritt in Europa, Asien, in den USA und in Südamerika und natürlich in den bedeutendsten Konzertsälen Russlands auf.
Borodin, unehelicher Sohn eines russischen Fürsten, promovierte 1858 zum Dr. med. und war hauptamtlich als Arzt, ab 1864 als Professor für organische Chemie tätig. Er veröffentlichte eine grosse Anzahl naturwissenschaftlicher Schriften. Zuvor konnte er 1859-1862 dank einem Stipendium durch Westeuropa reisen, wo er unter anderem die Musik Wagners und seine Frau kennen lernte. Er selber spielte Flöte, Cello und Klavier und lernte Komponieren anhand verschiedener Lehrbücher und vorbildlicher Musikwerke. Später gehörte er in den Kreis von Balakirew und des «Mächtigen Häufleins» (mit Balakirev, Cui, Mussorgski, Rimski-Korsakow). Über seine Tätigkeit als Komponist schrieb er einmal: «Für andere ist die Komposition Aufgabe, Arbeit, Pflicht, bedeutet sie das ganze Leben; für mich ist sie Ruhe, Spass, eine Laune, die mich von meinen offiziellen Pflichten als Professor, Wissenschaftler ablenkt.» Die beiden Streichquartette von 1874-79 und 1881 zählen zu seinen Hauptwerken. Das D-dur-Quartett beginnt mit einem lyrischen Kopfsatz in Sonatenform. Das hübsche, geradezu elegante Scherzo in F-dur lässt im Trio einen Walzer anklingen; es endet überraschend mit einem Pizzicato. Das folgende Notturno mit seinem schönen, ausdrucksstarken Cellosolo wurde früh zum beliebtesten Satz. Hatte sich Borodin beim 1. Quartett stark an Beethovens op. 130 orientiert, so klingt im zweiten dessen Stil noch im Finale an. Dieses «schwankt zwischen freundlicher Gelöstheit und grüblerischen Eintrübungen» (Reclams Kammermusikführer).

Gija Kantscheli wurde als Sohn eines Arztes in Georgien geboren. Er lebte meist in der Hauptstadt Tbilissi (Tiflis) und studierte hier zunächst Geologie, von 1959 bis 1963 Komposition. Anschliessend arbeitete er als freischaffender Komponist und schrieb Film- und Bühnenmusiken. Zwischen 1967 und 1986 entstanden sieben Sinfonien. Neben vielen anderen Gattungen pflegte er vor allem die Filmmusik intensiv. Von 1991 an lebte er in Westeuropa (Berlin, Antwerpen), besuchte aber immer wieder seine Heimatstadt Tiflis, wo er am 2. Oktober 2019 starb. Von 1990 bis 1992 entstand das vierteilige Werk «Ein Leben ohne Weihnacht». Die vier Teile sind in verschiedene Besetzungen aufgegliedert und betreffen jeweils einen Tagesteil (Morgen, Mittag, Abend, Nacht). Der vierte Teil, welcher der Nacht gewidmet ist, trägt den Titel «Nachtgebete». Zum Streichquartett kommt in der Originalfassung ein Tonband hinzu. In anderen, z. T. nach Kantschelis Tod erschienen Versionen wird auch ein Sopransaxophon (1995) bzw. eine Klarinette eingesetzt. Die Urfassung ist dem Kronos Quartett gewidmet; sie wurde am 14. März 1992 von diesem Ensemble in Wien uraufgeführt. «Seine Klangwelt besitzt etwas ungemein Natürliches, als richteten sich die Töne nicht nach Gesetzen von Polyphonie, Akkordverbindung, Sequenz und Alteration etwa, sondern nach allgemeinen Prinzipien von Atemlänge und Verschnaufpausen, von Steigerung und Spannung, von Erregung und Ruhe, von Ebbe und Flut: Eine Ausdruckskunst, deren Organik man verfolgen kann, ohne die Terminologie der musikalischen Handwerkslehre beherrschen zu müssen» (Wolfgang Sandner).

Das dritte Quartett Schostakowitschs wird heute zum achten Mal in unseren Konzerten gespielt – es ist damit das bei uns am meisten aufgeführte seiner Quartette. Es ist das einzige vollendete Werk des Komponisten im Jahre 1946. Nach den dramatischen und unruhigen Kriegsjahren, die er heroisch und eindrücklich in der 7. und 8. Sinfonie dargestellt hat, war es 1945 zur unheroischen 9. Sinfonie gekommen. Die Zeitgenossen hatten eine Siegessinfonie erwartet. Ebenso wenig sah Schostakowitsch einen Anlass für ein heroisches Quartett. Aus verschiedenen Gründen wollte er sich musikalisch neu orientieren. Das 3. Quartett ist deshalb kein leichtgewichtiges Werk geworden. Es weist zwar scheinbar einfache Melodien auf – aber der Schein trügt: Die Themen durchlaufen alle zwölf Töne, und Chromatik steht neben harter Bitonalität (Anfang des 2. Satzes). Die scheinbare Heiterkeit im tänzerischen Kopfsatz und im folgenden intermezzohaften Rondino schlägt im 3. Satz (gis-moll), dem eigentlichen Scherzo, überraschend in das Pseudozitat eines preussischen Militärmarsches um. Ob das echte Kriegsreminiszenz oder originelle Parodie sein soll, bleibt offen. Die Groteske, ein Lieblingsstilmittel Schostakowitschs, deutet jedenfalls die Doppelbödigkeit an. Das Adagio, als Threnodie (Trauergesang) bezeichnet, steht in Passacaglia-Form mit siebenfacher Wiederholung des Themas und leitet pausenlos ins Finale über. In diesem Sonatenrondo werden durch Wiederaufgreifen sowohl des Passacagliathemas als auch von Motiven aus dem Kopfsatz die beiden Gegensätze dieses Werks verbunden. In einem ruhigen Adagio klingt das Werk besinnlich aus.

Bartók erforschte zeit seines Lebens die Volksmusik. Unter anderem hat er 1115 Instrumentalmelodien (Rumänische Volkstänze aus Ungarn) gesammelt und dabei die Musik seiner eigentlichen Heimat – Bartók wurde im südungarischen Alföld auf dem Staatsgebiet des heutigen Rumänien geboren – berücksichtigt. Sieben dieser Tänze hat er 1915 für Klavier bearbeitet und 1917 orchestriert. Andrej Schischlow, der Primgeiger des Moskauer Streichquartetts, hat die Tänze für Streichquartett bearbeitet.

Alexander Borodin 1833-1887

Streichquartett Nr. 2, D-dur (1880/81)
Allegro moderato
Scherzo: Allegro
Notturno: Andante
Finale: Andante – Vivace

Gija Kantscheli 1935-2019

Nachtgebete aus dem Zyklus «Leben ohne Weihnacht» für Streichquartett und Tonband (1992)

Dmitrij Schostakowitsch 1906-1975

Streichquartett Nr. 3, F-dur, op. 73 (1946)
Allegretto
Moderato con moto
Allegro non troppo
Adagio –
Moderato

Béla Bartók 1881-1945

Rumänische Volkstänze, Sz 56, für Streichquartett arr. von Andrej Schischlow (1915)
Stabtanz. Allegro moderato
Brául (Rundtanz). Allegro
Stampftanz. Moderato
Tanz aus Butschum. Moderato
Polka. Allegro
Schnelltanz I. Allegro – Schnelltanz II. Piů allegro