Die Aufnahmen des Jerusalem Quartet, exklusiv bei harmonia mundi, wurden mehrfach mit internationalen Preisen ausgezeichnet, so Quartette von Haydn, Schubert, Mozart und Schostakowitsch. 2018 hat es Dvořáks Streichquintett op. 97 und sein Sextett op. 48 sowie die Quartette von Debussy und Ravel aufgenommen. Es hat mehrfach sämtliche Quartette von Schostakowitsch zyklisch aufgeführt. Am 13. November 2012 gastierte es in unseren Konzerten und spielte damals Schostakowitschs Quartette Nr. 4, 5 und 6 aus den Jahren 1949 bis 1956. Heute ergänzt das Jerusalem Quartet seine damaligen Aufführungen in unserem Schostakowitsch-Schwerpunkt mit dem 2. Streichquartett.
Als Mozart zwischen Ende 1782 und Anfang 1784 die sechs Joseph Haydn gewidmeten Streichquartette komponierte, fügte er, seinem Vorbild folgend, der Gruppe ein Quartett in Moll ein. Es weist in typisch mozartschem Mollcharakter voller Erregung in der dunklen Klangsprache Neuartiges auf. Im Kopfsatz mit seiner eigenartigen Motivik treten Intervallsprünge (gleich zu Beginn eine Oktave von d’’ zu d’) und herbe Dissonanzen auf; insbesondere die polyphon gestaltete Durchführung ist davon geprägt. Dazu kontrastiert das F-dur-Andante mit einer schlichten, elegisch gehaltenen Melodie. Ähnlich stehen sich im Menuett die dunkle Färbung des Hauptteils und der heitere, von der Primgeige über den Pizzicati der übrigen Instrumente angestimmte Serenadenton des Trios gegenüber. Das Variationen-Finale greift im Siciliano-Rhythmus und in der Melodik unüberhörbar auf Haydn zurück: auf die Finalvariationen in op. 33/5. Diese werden aber harmonisch und modulatorisch neu gedeutet. Am Schluss intoniert die Primgeige nochmals den Oktavsprung abwärts des Beginns, diesmal von d’’’ zu d’’ – quasi als Hinweis: «Jetzt ist Schluss.»
Schostakowitschs 2. Streichquartett, entstanden sechs Jahre nach dem kurzen divertimentohaften ersten, zeigt einen anderen, verdichteten Stil. Die Satzbezeichnungen Ouvertüre, Rezitativ und Romanze lassen an ein Opernvorbild denken. Das Werk beruht denn auch auf klassischen Formen, die zudem mit Affekten im barocken Sinn und mit Expressivität ausgefüllt werden. Der Kopfsatz ist ein Sonatensatz, dessen pausenlose Exposition Schostakowitsch kompromisslos von forte zum dreifachen forte steigert und dabei – damals eher ungewöhnlich – ausdrücklich deren Wiederholung verlangt. Das Hauptthema, später ständig verändert und erweitert, gehört der 1. Violine. Es bestimmt den ganzen, von energiegeladener Kompromisslosigkeit gekennzeichneten Satz. Einen Gegenpol bildet der 2. Satz in b-moll, in dem ein deklamatorisches Rezitativ den Rahmen für einen elegischen Arien-Mittelteil voller Trauer abgibt. Ein Walzer in es-moll eröffnet neuartige Seiten eines Scherzos. Er wirkt, zunächst vom Cello mit gedämpften Klängen umspielt, später statt heiter-belebend bald melancholisch, bald spukhaft, ja sogar drohend – ein Totentanz? Der vierte Satz in a-moll wird von 17 Takten eines Adagio, con sordino zu spielen, eingeleitet. Darauf stellt die Viola das Variationenthema vor; die übrigen Instrumente folgen. Bald werden Anklänge an russische Folklore immer deutlicher – man fühlt sich an Mussorgskys Boris Godunow erinnert. Die Verarbeitung der Variationen führt in jeweils rascherem Tempo vom figurativen Variieren immer mehr vom Thema weg zu einem grossen Höhepunkt hin; danach beruhigt sich der Satz. Vor dem Schluss kehren das Adagio und das Thema zurück.