Ligeti, Sohn ungarisch-jüdischer Eltern, war nach Studien in Cluj und Budapest, u. a. bei Sándor Veress und Ferenc Farkas, 1956 nach Wien emigriert und wirkte später in Köln, Darmstadt und Hamburg. Noch vor seiner Emigration war das erste Streichquartett «Métamorphoses nocturnes» entstanden (1953/54). Das am 14. Dezember 1969 in Baden-Baden vom LaSalle Quartet, dem das Werk gewidmet ist, uraufgeführte 2. Streichquartett entstand zwischen März und Juli 1968 und ist eine Auseinandersetzung mit grossen Vorbildern. Ligeti nennt Beethoven (op. 130/132), Mozart (KV 465), Bartók (Nr. 4 und 5), Bergs Lyrische Suite (in der Tat erinnern die fünf Sätze an Bartók, die Satzbezeichnungen an Berg) und Weberns Bagatellen op. 9, ohne dass man Zitate oder gar Kopien erwarten dürfte. Frühere Werke werden gemäss Ligeti als ‚Habitus’ oder als ‚Aura’ einbezogen. Das Werk gilt als eines der Hauptwerke der neueren Quartettliteratur. Gemäss Ligetis Aussage sind die Sätze «unterirdisch miteinander verbunden, es gibt geheime Korrespondenzen, fast Reime, ... alle fünf Sätze sind sozusagen gleichzeitig anwesend». Sie «enthalten dieselben musikalischen und formalen Gedanken, doch Blickwinkel und Färbung sind in jedem Satz anders, so dass die übergreifende musikalische Form sich erst ergibt, wenn alle Sätze als Zusammenhang gehört und gedacht werden». So kommt auch in diesem so sehr auf Variation der Klangfarben und Bewegungsmuster ausgerichteten Stück das Prinzip der Metamorphose zum Zuge. Metamorphosen sind auch die Umformungen, wie sie der Scherzotypus in Form eines maschinellen Pizzicato-Stücks mit präzis-mechanischer Polyrhythmik als «eine Art Hommage an Bartók» im 3. Satz erfährt. Und auch der 4. Satz, der «in übertriebener Hast, wie verrückt» und mehrfach bis zum fünffachen Forte gesteigert zu spielen ist, variiert mit seinen unheimlichen Gegensätzen diesen Typus. «Der 5. Satz ist wie eine Erinnerung, durch Nebel betrachtet: der gesamte bisherige Verlauf des Stückes wird rekapituliert, doch abgemildert – die Musik erklingt wie aus weiter Ferne.» Ligeti lässt nach raschen chromatischen Läufen aufwärts und abwärts den Klang in allen vier Instrumenten in drei- bis fünffachem Piano «molto morendo – al niente» verschwinden. So endet das Quartett, das mit einer Generalpause («silenzio assoluto») von 8 bis 10 Sekunden aus der Stille heraus begonnen hatte (sie steht zudem am Ende aller Sätze), am Schluss des 5. Satzes ebenfalls in der Stille von 10 Sekunden Dauer.
Haydns B-dur-Quartett op. 71/1 ist nach der ersten Englandreise entstanden und gehört zu den sechs dem Grafen Anton Georg Appónyi gewidmeten Quartetten op. 71 und 74. Sie wurden aber wohl vor allem im Hinblick auf den Geiger Johann Peter Salomon geschrieben, der Haydn 1791 nach dem Tod von Nikolaus Eszterházy nach London geholt hatte. Haydn hat in London ein Konzertleben mit grossbürgerlichem Publikum kennengelernt und überträgt die Erfahrungen, etwa durch Hereinnahme sinfonischer Elemente, auf die Kammermusik. «Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Quartette ‚äusserlich’ geworden wären; sie haben sozusagen zwei Ebenen: eine grossdimensionierte, glänzend virtuose, und eine strukturell-anspruchsvolle, die sich ergänzen» (Wulf Konold). Wie bei vier weiteren dieser Quartette setzt Haydn im B-dur-Quartett an den Anfang eine Art «Vorhang-Auf»-Passage. Sie ist diesmal – im Gegensatz zum op. 71/2, das am 13. November 2018 mit dem Ariel Quartet zu hören war – keine langsame Einleitung, sondern führt im Tempo des Kopfsatzes kadenzmässig in fünf Fortissimo-Akkorden kraftvoll zum Pianoeinsatz des Hauptthemas hin. Seine schöne Melodie vergisst man nicht so schnell, und dadurch fällt einem auch auf, dass das zweite Thema aus ihr abgeleitet ist. Auch das aus Achteln und Achtelpausen gebildete rhythmische Motiv der Einleitung erscheint mehrfach wieder. Das ernste Adagio (F-dur, 6/8-Takt) ist in dreiteiliger Liedform gestaltet, wobei der Mittelteil mit seinem Wechsel von Dur und Moll an die Durchführung eines Sonatensatzes erinnert. Dem ebenfalls einem Sonatensatz angeglichenen Menuett steht ein in kurzen Noten gespieltes Trio in der gleichen Tonart gegenüber. Ein virtuoses, doch nicht allzu übermütiges Vivace-Finale, wiederum – mag die Durchführung auch kurz sein – in Sonatensatz-Form, rundet das Werk ab.