Konzerte Saison 2018-2019

  • 30.10.2018
  • 19:30
  • 93.Saison
  • Abo 5
Oekolampad Basel

Zyklus «Wiener Klassik», 8. Konzert

Armida Quartett (Berlin)

Das Armida-Quartett hat seinen Namen nach der Oper «Armida» von Joseph Haydn gewählt, dem «Vater des Streichquartetts». Es wurde 2006 in Berlin gegründet und studierte bei Mitgliedern des Artemis Quartetts. Meisterkurse mit dem Alban Berg, Guarneri und Arditti Quartett rundeten die Ausbildung ab. 2011 gewann das Armida Quartett beim Concours de Genève den 1. Preis sowie den Publikumspreis. Seit seinem Erfolg beim Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2012 in München (1. Preis, Publikumspreis sowie sechs Sonderpreise), hat sich die Karriere des Quartetts sensationell entwickelt. In der Saison 2016/17 stellte sich das Quartett europaweit im Rahmen der Reihe «Rising Stars» der Europäischen Konzerthallen vor. 
Das Armida Quartett war und ist Gast bei namhaften Festspielen, so beim Schleswig-Holstein Festival, dem Rheingau Musikfestival, den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern, dem Davos Festival sowie beim Heidelberger Frühling, später auch beim Internationalen Festival von Radio France in Montpellier, beim Musikfestival Brünn, dem Prager Frühling sowie in Schwetzingen. 2014 führte eine Konzertreise nach China, Taiwan und Singapur. Seit Oktober 2012 unterrichten die vier Musiker Kammermusik an der Universität der Künste Berlin. Auch als Gastdozenten sind die Musiker des Armida Quartetts international gefragt. Neben der Konzertaktivität gibt das Ensemble Meisterkurse im In- und Ausland. Die Debüt-CD des Quartetts mit Werken von Bartók, Ligeti und Kurtág erschien 2013, eine Mozart-CD (KV 169, 464 und 589) sowie Klavierquintette mit Ewa Kupiec von Dvořák und Philipp Scharwenka 2015. Weitere Einspielungen von 2016 und 2017 sind Beethoven (op. 59/1) und Schostakowitsch (Nr. 10) sowie dem Thema «FUGA MAGNA» gewidmet. Das Armida Quartett gastierte erstmals 2013, dann als Quartet-in-residence im Zyklus «Wiener Klassik» 2017 und am 23. Januar 2018 in unseren Konzerten.
Der Lehrer und zwei seiner Schüler

Joseph Leopold Eybler, ab 1835 Edler von Eybler, wurde am 1765 in Schwechat, wenige Kilometer südöstlich von Wien, als Sohn eines Lehrers und Chorleiters geboren. Wie seine entfernten Verwandten Michael und Joseph Haydn war er Sängerknabe am Wiener Stephansdom. 1777-1779 war Johann Georg Albrechtsberger sein Lehrer, danach Haydn. Mit Mozart war er spätestens seit 1789 befreundet. 1792 wurde Eybler Albrechtsbergers Nachfolger als Chordirektor bei den Karmeliten, 1794 auch im Schottenstift. Ab 1804 war er Vizehofkapellmeister neben Salieri, 1824 Hofkapellmeister. 1833 erlitt er während einer Aufführung von Mozarts Requiem einen Schlaganfall und war teilweise gelähmt, erholte sich aber wieder und lebte bis 1846 in Wien. Unter seinen Werken stechen Kirchenkompositionen und Kammermusik hervor. Im Gegensatz zu Pleyel schreibt Eybler bei seinem Opus 1 viersätzige Quartette, die bei ihrem Erscheinen Aufsehen erregten. Zwar gilt Eybler als Traditionalist, doch finden sich im op. 1 originelle und neuartige Momente. Sie sind dichter gearbeitet als diejenigen Pleyels, etwa im Einsatz der vier Instrumente. Grössere Leerstellen in den Instrumentalstimmen sind eher selten. Eybler hat auch mehr Interesse an thematischer Arbeit.

Der Kopfsatz des c-moll-Quartetts wirkt beunruhigend. Dazu trägt das markante Hauptthema bei. Später während einer pianissimo-Passage erscheint eine wiederholte Figur mit drei Vorschlagsnoten, die geradezu unheimlich wirkt. Die Durchführung beginnt fortissimo mit einer Variante des Hauptthemas in Ges-dur. Der Rest, die frei gestaltete Reprise eingeschlossen, ist bis auf wenige Stellen leise gehalten; der Schluss verklingt pianissimo. Der lyrische zweite Satz steht in Es-dur und ist con sordino zu spielen. Er bildet einen Ruhepol zwischen dem Kopfsatz und dem robusten Menuett. Dessen Trio in C-dur (piano dolce) gibt dazu einen helleren, ja geradezu heiteren Gegensatz, wie die witzigen Triolenfiguren im zweiten Teil in der Primgeige mit Echo im Cello zeigen. Das Final-Allegro ist ein Sonatensatz mit einem erneut unruhig-dramatischen Thema. Eine Sechzehntelfigur in kleinem Sekundschritt leitet es ein und erscheint häufig im ganzen Satz. Die Durchführung schweift, mit einem heftigen synkopierten Einsatz beginnend, von G-dur ausgehend durch mehrere Tonarten. In der neu gestalteten Reprise erhält das Cello das variierte Thema. Mit kräftigen Fortissimo-Akkorden in c-moll endet das Werk.

Haydn hat die Sechserserie der Quartette op. 71 und 74 dem Grafen Anton Appónyi gewidmet. Sie dürften die ersten für den grossen Konzertsaal geschriebenen Streichquartette sein. Was ihm bereits in den für London komponierten Sinfonien gelungen ist, überträgt er nun auf die Kammermusik. Gerade das F-dur-Quartett des op. 74 hat, wie man zu Beginn gut vernehmen kann, sinfonischen Charakter: Ein achttaktiges Unisono-Signal eröffnet forte das Werk fanfarenhaft, so dass man sich am Ende dieser Einleitung schon beinahe am Ende des Satzes wähnt – allerdings im «falschen» C-dur. Haydn entwickelt daraus piano das etwas anders geartete Thema des monothematischen Kopfsatzes; auch das Seitenthema wird aus dem gleichen Material abgeleitet. In Durchführung und Reprise verarbeitet er dieses Material immer mehr und sorgt dadurch für Spannung, welche sich erst in der Coda mit einer neuen Unisono-Variante des Themas und zwei Schlussakkorden löst. Das Andante grazioso im 2/4-Takt gibt sich als unkomplizierte Folge von drei Variationen und Coda. In der 1. Variation wird das Thema mit nur geringen Änderungen dem Cello zugewiesen, von der 1. Violine figurativ begleitet. Die mittlere Variation steht in b-moll und entfernt sich am weitesten vom Thema; das ausdrücklich so bezeichnete Solo spielt hier die 2. Geige. Die dritte Variation bringt erneut das Thema weitgehend unverändert; erst in der Wiederholung wird es durch Umspielungen angereichert. Sie mündet in eine Coda, die pianissimo in C-dur ausklingt. Zum Ernst des Menuetts – mit einem deutlich längeren zweiten Teil als üblich – kontrastiert das leisere Trio in Des-dur. Es weist überraschend eine eigene Art Coda auf. Bewundernswert das Finale: ein Sonatenrondo im 2/4-Takt, das von thematischer Arbeit bestimmt ist und unverkennbar zu Beethoven hinführt. Die lange Coda kulminiert fortissimo auf einem Orgelpunkt mit Akkorden in der 1. Violine, bevor nochmals das Hauptthema auftritt und der Satz darauf rasch zu Ende geht.

«Das ist ein rechter Dreck! gut für das Saupublikum.» So reagierte Beethoven, als sich Kritik und Publikum für das c-moll-Quartett des op. 18 begeisterte – ein Quartett in Moll notabene. Doch steht unter den ersten Quartetten gerade dieses Werk stärker im Ruf des Konventionellen als die andern. Noch hatte Beethoven, auch wenn dieses Quartett durchaus ernst sein kann und das Hauptthema des Kopfsatzes Leidenschaftlichkeit zeigt, nicht wirklich zu seinem späteren c-moll-Pathos gefunden. Daher hat man für op. 18/4 eine frühere Entstehung oder eine Übernahme von älterem Material, vielleicht sogar aus der Bonner Zeit, angenommen. In der Entstehungsreihe ist es das fünfte. Bei der Veröffentlichung des op. 18 war Beethoven kein jugendlicher Komponist mehr wie Mozart oder Schubert bei ihren ersten Quartetten und er musste auch nicht die Gattung neu schaffen wie Haydn. Darum ist es nicht wirklich angebracht, bei ihm von «frühen» Quartetten zu sprechen. Umso mehr überraschen die formale Einfachheit und der Verzicht auf Durchführungselemente ebenso wie der wenig individuelle c-moll-Charakter. Und doch zeigt der Kopfsatz ein leidenschaftliches Drängen im zwölf Takte langen Hauptthema. Der Seitensatz (Es-dur) ist aus dem Hauptthema abgeleitet, wirkt aber lyrischer. Dieser doch recht persönlich gehaltene Satz endet ziemlich düster. Einen wirklichen langsamen Satz hat das Quartett nicht. Beethoven wählte stattdessen zwei Varianten: ein Scherzo, das durch seine Staccati scherzhaft wirkt, in der Form aber ein Sonatensatz ist, und ein Menuett mit zahlreichen Sforzati. Dieses ist nun doch noch ein pathetischer c-moll-Satz, zumal er bei der Wiederholung durch die vorgeschriebene Tempoverschärfung an Dramatik gewinnt. Im Finale fühlt man sich trotz heftigen Akzenten an Haydn erinnert; man kann aber auch das wohl gewollt Einfache feststellen.

Die Überarbeitung der früheren Stücke op. 18,1-3 im Jahr 1800 hat einen entscheidenden Schritt vorwärts gebracht. Gleichwohl hat Beethoven nicht auf die Veröffentlichung des 4. Quartetts verzichtet und es auch nicht überarbeitet. Vielleicht hat gerade das Fehlen des allzu Anspruchsvollen dem Werk den Erfolg verschafft. So hat es positive Beurteilungen erfahren, die Beethoven damals nicht anerkennen wollte, wie der zu Beginn zitierte verärgerte Ausruf belegt. Trotzdem war ihm das Stück gut genug für seine erste Quartettsammlung.

Joseph Eybler 1765-1846

Streichquartett c-moll, op. 1/2
Allegro
Adagio non molto
Menuetto. Allegretto – Trio
Finale. Allegro

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 73, F-dur, op. 74, Nr. 2, Hob. III:73 (1793)
Allegro spirituoso
Andante grazioso
Menuetto: Allegro
Finale: Presto

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichquartett Nr. 4, c-moll, op. 18 Nr. 4 (1798/1800)
Allegro ma non tanto
Scherzo: Andante scherzoso, quasi Allegretto
Menuetto: Allegretto – Trio
Allegro – Prestissimo