1954 in Bern geboren, studierte der Cellist Thomas Demenga unter anderem bei Walter Grimmer, Antonio Janigro, Leonard Rose und Mstislav Rostropovich. Wichtige kammermusikalische Impulse erhielt er an der Juilliard School in New York von Claus Adam, Felix Galimir und Robert Mann. Als international renommierter Solist, Komponist und Pädagoge gehört er zu den herausragenden Cellisten und Musikerpersönlichkeiten unserer Zeit. Als Kammermusiker und Solist konzertiert er an vielen wichtigen Festivals und Musikzentren der Welt. Die künstlerische Arbeit Demengas ist geprägt von der intensiven Auseinandersetzung und dem Austausch von Interpretationen und Kreationen in den verschiedenen Stilepochen. Besonders intensiv widmet er sich der Neuen Musik und setzt sich auch mit Improvisation auseinander. So bildet seine eigene musikalische Sprache als Komponist und Interpret von Werken des 20. und 21. Jahrhunderts (darunter namhafte Uraufführungen) eine neue und ergänzende Dimension zu der historischen Aufführungspraxis der Barockmusik und seinen virtuosen Interpretationen des klassischen und romantischen Repertoires.
Während der Komposition seines Streichquartetts «Opus One» informierte Thomas Demenga über Twitter seine «Follower» regelmässig über den aktuellen Stand der Komposition. Musikalisches Zwitschern (englisch: to twitter) lässt sich in der Einleitung der Komposition vernehmen. Der Komponist arbeitet hier mit Klangeffekten durch Büroklammern an den Saiten der Streichinstrumente sowie mit Vogelgezwitscher für jedes Instrument. Durch unterschiedliche Spieltechniken und Effekte werden verschiedene Vogelarten symbolisiert, auch Glockenklänge sind zu vernehmen. Das morgendliche «Erwachen» im Sommer in Demengas Jugendzeit lässt sich als Inspirationsgrundlage hierfür sehen. Sämtliche Sätze sind mit poetisch anmutenden Namen versehen, was dem Stück beinahe theatralische Züge verleiht. Auf das einleitende «Erwachen» (oder «Birds and Bells» oder «Good Morning»), folgt «Mondhund», das gleich zu Beginn mit einem längeren Cellosolo aufwartet. Der gesamte Satz baut sich auf die im Pizzicato gespielten Akkorde der ersten Takte auf. Die anderen Streicher setzen zu einem späteren Zeitpunkt gleichzeitig ein; Wischgeräusche der Bögen entstehen durch teilweises Abdecken der Violinsaiten. Ein 5/8-Takt durchzieht den grössten Teil des darauf folgenden «False Waltz», in dem in der Stimme der Viola mit einem Flexaton gearbeitet wird. Das selbstklingende Instrument wird mit einem Bogen angestrichen – der so erzeugte Klang ähnelt dem einer Singenden Säge. Das «False Waltz»-Thema erklingt zweimal, wenn auch in variierter Form: Zunächst mit dem Bogen, daraufhin mit dem Einsatz eines Bleistifts, der auf die abgedeckten Saiten geschlagen wird, wodurch ein leicht verzerrter Klang entsteht. Im Teil «Cool» überrascht der Komponist mit einer jazzartigen Atmosphäre. In moderatem Tempo kommen erneut unterschiedliche Spielweisen und -techniken wie das Pizzicato, das Flageolettton-Spiel mit einem Plastiklineal oder der Daumenschlag auf die Zarge des Instruments zum Einsatz. Wie bei «False Waltz» finden zahlreiche Taktwechsel statt. Das Finale klingt mittels einer chromatisch herabführenden Linie harmonisch auf A-Dur aus. Das «A» im Dur steht für die Auftraggeberin Angelika Milos-Engelhorn (Kuratorium Wiener Konzerthaus) und zudem für das Auryn Quartett, das die Komposition zu seinem 35-jährigen Bestehen am 8. März 2016 im Wiener Konzerthaus zur Uraufführung brachte.
Wenn ein Kammermusikwerk höchste Bewunderung verdient, so ist es Schuberts C-Dur-Quintett. Noch mehr als die letzten Quartette, insbesondere das in G-dur, führt es einen Schritt in eine letztlich nicht mehr begreifbare musikalische Welt. Doch ist es nicht nur Esoterik und Mystizismus, wie man sie im Adagio empfinden mag, sondern neben dunklen und verklärten Klangfarben und Harmonien steht Lebhaft-Schwungvolles. Scherzo und Finale wirken auch mit ihrer Rhythmik. C-dur steht nicht nur als Ausdruck von Glanz und Pracht; Schubert bricht es im Gegenteil oft, etwa durch Molltrübungen, und gibt ihm harmonisch neue Farben. Kein Wunder, dass der Leipziger Verleger Probst, dem Schubert das Quintett am 2. Oktober 1828 zusammen mit den späten Heine-Vertonungen und den drei letzten Klaviersonaten anbot, kein Verständnis für ein solches Werk aufbringen konnte. Es wurde erst 1853 veröffentlicht und teilt damit das Schicksal mancher Schubert-Werke. Die Besetzung mit zwei Celli überrascht. Ob Schubert Boccherinis so besetzte Quintette kannte, ist unklar. Im Gegensatz zum Cellisten Boccherini hatte er keinen äusseren Anlass für die Verwendung eines zweiten Cellos. Es waren innere Gründe, welche ihn zu dieser Besetzung geführt haben. Das Geheimnisvoll-Dunkle des Quintetts wird durch die tiefere, vollere Klangfarbe der beiden Celli verstärkt. Das gibt dem ersten Cello die Gelegenheit zum Singen in der Tenorlage, ohne dass dadurch der Bass verwaist wäre. Dies wird besonders im Adagio erkennbar, wo das 1. Cello den die Melodie tragenden Mittelstimmen beigefügt ist, während das zweite im Pizzicato die Basslinie vertritt. Da erkennen wir Schuberts innovative Gestaltung, welche mehr das Inhaltliche als das Formale betrifft. Was wie eine simple dreiteilige Form daherzukommen scheint, wird durch den Kontrast zwischen der Melodieseligkeit der Rahmenteile und dem unheimlich erregten Mittelteil zu etwas Neuartigem. Das Umgekehrte erleben wir im Scherzo, wo der Lebenslust und Vitalität der Rahmenteile ein die Stimmung des Adagios aufgreifendes, sie aber ins Geheimnisvolle und Klagende, ja Bedrohliche verwandelndes Trio entgegengesetzt wird. Für solche konträre Stimmungen fand Schubert mehrere Gegensätze: Dem Dreivierteltakt steht ein Viervierteltakt, dem hier durchaus glänzenden C-dur Des-dur, dem Presto ein Andante sostenuto gegenüber. Auch das zunächst volkstümlich heiter wirkende Finale weist zahlreiche Brüche auf, welche tiefere Töne anschlagen. Verhaltenes und Beängstigendes kommen auch hier vor. Man höre etwa den Schluss mit seiner Stretta, welche in einem dissonanten fff-Akkord (des/f/h/g) gipfelt, bevor ganz am Ende unisono der Ton C steht. Ist das, ohne Terz und Quint, reines, strahlendes C-dur? Oder doch eher ein offener Schluss?
rs/zVg