Beethoven wollte sein im Mai bis Sommer 1810 entstandenes elftes Streichquartett ursprünglich vom breiten Publikum fernhalten. Und in der Tat fällt das f-moll-Quartett in mehrfacher Beziehung aus dem Rahmen dessen, was Beethoven einem durchschnittlichen Publikum glaubte zumuten zu dürfen. Eine ganze Reihe von Besonderheiten setzen es von seinem Vorgänger, dem «Harfenquartett» op. 74 aus dem Vorjahr, ab. Jenes gab sich, auch im Vergleich mit den drei zuvor entstandenen Quartetten op. 59, gelöst, melodiös, klangfreudig und – zumindest vordergründig – freundlich. Dem steht das op. 95, von Beethoven ausdrücklich als Quartetto serioso bezeichnet, radikal gegenüber. Serioso steht zudem ausgerechnet und paradox bei der Satzbezeichnung des Scherzos: ... ma serioso. Dieses ist zudem – eher ungewohnt – ohne Pause mit dem langsamen Satz attacca verbunden. Am meisten auffallen dürfte die extreme Knappheit dieses Quartetts. Unter sämtlichen Quartetten Beethovens ist es mit knapp 20 Minuten deutlich das kürzeste. Das ist nicht nur eine Äusserlichkeit (bis kurz vor seiner Entstehung war diese Dauer für Quartette ja gängig): Dieses Quartett «lebt» die Knappheit in seiner Sprache und Verdichtung. Man erkennt das gleich am Kopfsatz mit seinen nur vier Minuten Dauer: Diesem, einem sonst doch oft ausführlichen Sonatensatz, fehlt jede Wiederholungsvorschrift. Und wie das Kopfmotiv gewalttätig hereinstürzt, um gleich einer Generalpause Platz zu machen, erschreckt geradezu. Die vier Sechzehnteltöne des Anfangsmotivs tauchen im Satz immer wieder auf und sorgen für Unruhe. Die folgenden Oktavsprünge führen die Bestürzung weiter. Nur gelegentlich setzt vor allem die Bratsche zu kantablen Linien an. Wer aufgrund der Allegretto-Bezeichnung des 2. Satzes in D-dur etwas Heiteres erwartet, sieht sich getäuscht: Eine abwärts führende Fünftonreihe des Cellos (punktierte Achtel, gefolgt von kurzen «Luftlöchern» einer Sechzehntelpause) wirkt beinahe trostlos, wird aber im zweiten Thementeil durch Kantilenen abgemildert, ja aufgehellt. Doch dann führt die Bratsche das Thema der düsteren Fuge des Mittelteils ein. Aus der Verbindung all dieser Elemente wird der dritte Teil des Satzes geformt. Der Schlussakkord lässt alles offen, bevor, ihn attacca subito abbrechend, das gewaltsame pausendurchsetzte Thema des Scherzos loslegt. Es ist wie oft bei Beethoven fünfteilig und weist zwei verschiedene Trios auf. Der Schlussteil entwickelt sich – più allegro – zu einer strettaartigen Coda, die mit vier harten, knappen Takten endet. Das Larghetto am Beginn des Finale zeigt die Stimmung eines langsamen Satzes, geht aber nach sieben Takten – motivisch überleitend – ins Allegretto über, das mit agitato erneut ein überraschendes Attribut trägt. Die Coda steht lehrbuchgemäss in F-dur und steigert sich in raschem Tempo und einem abrupten Schluss wohl nur scheinbar zur Befreiung oder Erlösung. Natürlich hat man Ursachen für diese eigenartige Kompositionsweise gesucht und (ob zu Recht, bleibt fraglich) gefunden. War die Ablehnung von Beethovens Heiratsantrag durch Therese Malfatti im Mai 1810 der Auslöser? Die Widmung an den Freund Nikolaus Zmeskall von Domanovecz, der Beethovens unglückliche Liebe miterlebt hatte, könnte ein Indiz sein.
Auch Dvořáks berühmtestes Streichquartett ist mit knapp 25 Minuten Dauer sein kürzestes. 1892 hatte der Komponist den Ruf nach New York angenommen und war dort für drei Jahre Direktor des Nationalkonservatoriums geworden. Er unterrichtete zudem Komposition und Orchestrierung. Die neue Umgebung inspirierte ihn zumindest im ersten Jahr 1893 stark, denn er komponierte einige seiner bedeutendsten und beliebtesten Werke. Neben der Sinfonie «Aus der Neuen Welt» op. 95 (abgeschlossen im Mai in New York) waren dies im Sommer 1893 das heute gespielte op. 96 und das Streichquintett op. 97. Dvořák verbrachte seine Sommerferien im kleinen Spillville (Bundesstaat Iowa im mittleren Westen – die lange Zugsfahrt von 36 Stunden hat den Eisenbahnfan Dvořák natürlich nicht abgeschreckt). Hier auf dem Land fühlte er sich wohl, weit weg vom Rummel der Riesenstadt und erst noch in der Nähe der vielen tschechischen Einwanderer, die ihn dorthin eingeladen hatten. Die Skizze entstand in nur drei Tagen vom 8. bis 10. Juni, die Ausarbeitung in vierzehn vom 12. bis 25. Juni. Das populäre Werk braucht keine Erklärungen, denn der Wohlklang der schönen und eingänglichen Melodien wie auch die Rhythmen sprechen unmittelbar an. Es erheben sich höchstens einige Fragen, was denn das «Amerikanische» an diesem Stück ausmacht. Sind es wirklich Melodien, die der Komponist der Volksmusik abgelauscht hat, die er sich von Schwarzen und Indianern hat vorsingen und vortanzen lassen? Oder sind es eher einzelne melodische Besonderheiten wie die Pentatonik mit Verminderung der 7. Stufe in Moll, die Rhythmik mit ihren Synkopen oder einfach die ländliche Stimmung, bei der Anklänge an Vogelrufe nicht fehlen? Einer stammt vom schwarzflügligen roten Tanagra, den Dvořák gleich nach Ankunft auf dem Land mit Interesse gehört hatte und denn auch zitiert. Auffällig ist der Beginn des Finale, wo der Komponist über dreissig Takte einen ostinaten Rhythmus vorbereitend einsetzt, bevor er das eigentliche Thema durchbrechen lässt. Was die Verwendung von originalen Melodien betrifft, teilte Dvořák 1900 Oskar Nedbal mit: «Aber lassen Sie den Unsinn, dass ich Originalmelodien gebraucht habe, aus. Ich habe nur im Geist dieser Nationalmelodien komponiert.»