Am 31. Dezember 1782 vollendete Mozart das erste der sechs sogenannten Haydn-Quartette in G-dur KV 387. Man nennt es gelegentlich auch „Frühlingsquartett“. Einen ernsthaften Grund dafür gibt es nicht, am allerwenigsten den der Entstehungszeit. Am ehesten dürfte die Tonart dafür verantwortlich sein, zusammen mit manchen freundlich-hellen Passagen wie dem wunderbaren Beginn des Kopfsatzes oder dem 3. Thema im Finale. Und doch ist das Quartett mehr durch äusserst konsequente Arbeit als von reinem Schönklang oder von Heiterkeit geprägt. Expressivität verbindet sich mit kontrapunktischen Elementen, die Spannung erzeugen. Im ersten Satz setzt die ausgedehnte Durchführung mit ihrem kontrapunktischen Hinundher der Motive auf dunklere Momente, bevor Heiteres in der Reprise wieder Überhand gewinnt, die Coda dann aber im pianissimo endet. Auch häufiger und überraschender Wechsel von Piano und Forte trägt mehr zur Spannung als zu freundlicher Wirkung bei, wie das an zweiter Stelle stehende Menuett zeigt. Hier führt dieser Wechsel in seiner Regelmässigkeit – bei jedem Dreiertakt-Viertel wechselt die vorgeschriebene Lautstärke – zu unerwarteten Akzentverschiebungen im gewohnten Tanzrhythmus. In diesem recht langen Menuett kann dadurch im einen oder andern Takt plötzlich die Dreiviertelfolge in „unbetont – betont – unbetont“ kippen und den Tanzrhythmus in Frage stellen. In Frage gestellt wird im dunklen g-moll-Trio auch eine vermeintliche G-dur-Heiterkeit. Den ausdrucksmässigen Höhepunkt des Werks erleben wir im Andante, dessen Sanglichkeit gleichwohl einige Überraschungen bietet, etwa in jenen harmonisch reichen Passagen, welche durch entfernteste Tonarten führen. Im Finale wählt Mozart – auch das hat er bei Haydn lernen können – eine Fuge. Man hat, nicht zuletzt wegen des viertönigen Hauptmotivs, auf die Verwandtschaft mit dem Finale der sieben Jahre späteren Jupiter-Sinfonie KV 551 hingewiesen. In beiden Werken verbindet Mozart die Fuge mit einem Sonatensatz.
Das zweite Werk der Serie, ein d-moll-Quartett, steht in der haydnschen Tradition, einer Sechserserie ein Moll-Quartett einzufügen. Auch dieses Werk weist in typisch mozartschem Mollcharakter voller Erregung und in der dunklen Klangsprache Neuartiges auf. Im Kopfsatz mit seiner eigenartigen Motivik treten Intervallsprünge (gleich zu Beginn eine Oktave von d’’ zu d’) und herbe Dissonanzen auf; insbesondere die polyphon gestaltete Durchführung ist davon geprägt. Dazu kontrastiert das F-dur-Andante mit seiner schlichten, elegisch gehaltenen Melodie. Ähnlich stehen sich im Menuett die dunkle Färbung des Hauptteils und der heitere, von der Primgeige über den Pizzicati der übrigen Instrumente angestimmte Serenadenton des Trios gegenüber. Das Variationen-Finale greift im Siciliano-Rhythmus und in der Melodik unüber¬hörbar auf Haydn zurück: auf die Finalvariationen in op. 33/5. Diese werden aber harmonisch und modulatorisch neu gedeutet. Kurz vor Schluss intoniert die Primgeige wie zu Beginn nochmals den Oktavsprung, diesmal von d’’’ zu d’’.
Die lange Vorgeschichte von den „über 20 Quartetten“, die Brahms vor seinem op. 51 komponiert (und vernichtet) haben will, ist bekannt. Das Resultat waren zwei Moll-Quartette. Eine andere (Klang-)Welt zeigt das zwei Jahre später entstandene B-dur-Quartett. Es darf geradezu als klassisch, ja klassizistisch gelten, ist schlichter und weniger von motivischer Arbeit geprägt als die beiden Vorgänger; dadurch wirkt es heiterer und freier. Brahms dürfte aufgrund der erfolgreichen Ausarbeitung der 1. Sinfonie entspannt gewesen sein. Neben deren Umarbeitung arbeitete er im Frühlings- und Sommerurlaub 1875 im hübsch gelegenen Ziegelhausen am Neckar östlich von Heidelberg am Quartett; er vollendete es im folgenden Winter in Wien. Im Mai 1876 spielte das Joachim-Quartett das Werk im privaten Rahmen bei Clara Schumann in Berlin, im Herbst öffentlich ebendort; kurz danach folgte das Hellmesberger-Quar¬tett in Wien. Schon der Beginn mit einer (bewussten?) Anspielung auf die „Hornrufe“ in Mozarts Jagdquartett KV 458 oder vielleicht auch als Selbstzitat aus dem Scherzo des Streichsextetts op. 18, beides Werke in B-dur, gibt den Grundton an. Rhythmisch wird das Spielerische durch die Gegenüberstellung und zeitweise Überlagerung von 6/8- und 2/4-Takt betont. Das romanzenhafte Andante in F-dur zeigt dreiteilige Liedform, wobei der Mittelteil, meist in d-moll, freier und dramatischer ist. Besonders angetan war Brahms vom dritten Satz, den er als zärtlich und leidenschaftlich zugleich auffasste. Es handelt sich erneut mehr um ein Intermezzo als um ein echtes Scherzo, übernimmt aber Elemente aus dem scherzohaften Hauptthema des Kopfsatzes. Auffällig ist die führende Rolle der Bratsche, während Geigen und Cello mit Dämpfer zu spielen haben. Dafür hat sie am Beginn des a-moll-Trios zu schweigen, als ob Brahms auf die Bezeichnung dieses Teils anspielen wollte, doch bald darf sie auch hier ihre Führungsrolle wieder übernehmen. Die Klanglichkeit der Instrumentation gibt dem Satz etwas Notturnohaftes. Das Finale mit Thema und acht Variationen, in denen Brahms seine Meisterschaft in dieser Form beweist, erhält auch umfangmässig das grösste Gewicht im Quartett. Anspielungen fehlen auch hier nicht: Taucht da nicht in der 7. Variation das Jagdthema aus dem Kopfsatz wieder auf? Dass es Brahms’ Lieblingsquartett war, überrascht nicht.