Konzerte Saison 2013-2014

  • 14.1.2014
  • 19.30
  • 88.Saison
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Quartet Gerhard (Barcelona)

Das Quartet Gerhard wurde 2010 in Katalonien gegründet. Die vier Musiker haben mit dem Cuarteto Casals,
 Heime Müller, Gerhard Schulz, Eberhard Feltz, Valentin Erben, Claudio Martinez Mehner, dem Quatuor Ysaÿe und dem Vogler Quartett gearbei
tet. Im Moment setzen sie ihre Studien bei Rainer Schmidt (Hagen Quartett) an der Hochschule 
für Musik Basel fort. 
Die jungen Musiker, die für ihr Quartett den Namen des schweizerisch-katalanischen Komponisten Robert Gerhard (1896-1970) gewählt haben, wurden bei Musikwettbewerben in Spanien und in Europa ausgezeichnet. So gewann das Ensemble 2010 den ersten Preis beim INJUVE Award für klassische Musik des
 Spanischen Ministeriums «Primer Palau» in Barcelona und 2011 den 2. Preis
 beim Wettbewerb der «Juventudes Musicales de España».
 2011 wurde das Quartett beim Internationalen Kammermusikfest auf Schloss Weikersheim von Jeunesses Musicales zum «überzeugendsten Nachwuchsensemble» erklärt. Seit 2011 nimmt es regelmässig am Festival der ProQuartet Academy in Frankreich teil. Die vier jungen Musiker wurden zu bedeutenden Festivals eingeladen, etwa dem Segovia Festival of Music, dem Würzburger Mozartfest oder zum Dino Ciani Festival in Italien eingela
den; sie spielten bereits in vielen grossen Konzerthäusern Spaniens. 2013 gab es vier Konzerte im Auditori de Banyoles. Seine Konzerte wurden vom Katalanischen Radio, vom Spanischen Nationalradio, SWR 2 und vom NDR übertragen. Im Januar 2013 wurde das an der Hochschule für Musik Basel studierende Quartet Gerhard mit dem Förderpreis der August Pickhardt-Stiftung ausgezeichnet. Diese Auszeichnung ist mit einem Konzert in der Reihe der Gesellschaft für Kammermusik Basel verbunden.

Fünf Jahre nach dem op. 33 (1782) begann Haydn eine neue Sechserserie von Quartetten und reagierte damit auf die inzwischen von Mozart komponierten und ihm gewidmeten Quartette. Am 11. Februar 1787 versprach er dem Verleger Artaria ein Quartett; am 16. September erhielt dieser als letztes das fünfte. Im Dezember erschienen sie mit der von Artaria zugeteilten Opuszahl 50. Kurz darauf verkaufte der geschäftstüchtige Haydn die Serie auch einem Londoner Verleger. Schon im Mai hatte Haydn erwogen, die Quartette Friedrich Wilhelm II., seit 1786 König in Preussen, zu widmen. Der Cello spielende König hatte sich zuvor über die Zusendung von sechs Sinfonien (wohl die Pariser, Nr. 82-87) gefreut und Haydn seine Vorliebe für seine Musik bestätigt. So gibt es, zwei Jahre vor Mozart, auch von Haydn «Preussische Quartette», ohne dass dieser im Cellopart auf den Widmungsträger Rücksicht genommen hätte. Haydns raffinierte Technik, scheinbar einfache, leicht fassliche Themen zu verwenden, kommt im C-dur-Quartett gut zur Geltung; er geht mit ihnen geradezu gewagt um und verarbeitet sie höchst kunstvoll. Dies zeigt etwa die Reprise im Kopfsatz, wo Haydn mit dem walzerähnlichen Hauptthema kontrapunktische Kunststücke macht. Während das Adagio kantabel und das Menuett harmonisch überraschend daherkommen, sprüht das Finale vor Witz. Das Thema, auf die Instrumente verteilt, erlebt später folgerichtig eine Auflösung in seine Elemente.

Roberto Gerhards 1868 geborener Vater Robert Gerhard stammte aus dem aargauischen Brittnau südlich von Zofingen, wo noch heute eine ganze Reihe von Gerhards ansässig ist. Um in einer Weinhandelsfirma zu lernen, zog es ihn jung nach Katalonien, das damals vorerst von der Reblaus verschont war. Dabei lernte er Marie Louise Ottenwälder, eine Elsässerin aus Schlettstadt, kennen; sie heirateten 1895 und gründeten in Valls, 20 km nördlich von Tarragona, eine eigene Weinhandelsfirma. Hier kam Robert junior 1896 als erster von drei Söhnen (nach ihm Carles, Jurist, und Ferrán, der später die Firma weiterführte) zur Welt. Der nach dem Vater benannte Sohn fühlte sich als Katalane und behielt auch die Namensform Robert bei. Später, insbesondere im Exil und im internationalen Umgang nannte er sich Roberto, weil das mediterraner klang als das deutsch-katalanisch-englische Robert. Der Vater hatte ihn zum Kaufmann machen wollen und ihn dazu in die Schweiz (Zofingen, Neuchâtel, Lausanne) geschickt. Doch der Sohn, von der Mutter unterstützt, fühlte sich zur Musik hingezogen und ging 1913 nach München, um beim Basler Walter Courvoisier zu studieren. Der Ausbruch des 1. Weltkriegs trieb ihn nach Katalonien zurück. Bis zu dessen Ertrinkungstod 1916 studierte er Klavier bei Enric Granados, dann Komposition bei Felip Pedrell. Spanisch-katalanische Musik beeinflusste sein Komponieren lange, doch war er an neuen Entwicklungen der Musik interessiert. Darum studierte er ab 1923, dem Jahr der Entwicklung der Zwölftonmethode, bei Arnold Schönberg in Wien und ab 1925 bis 1929 in Berlin und wurde dessen Meisterschüler und Assistent. Als überzeugter Republikaner verliess er unter Francos Diktatur Spanien und ging über Paris nach Cambridge, wo er bis zu seinem Tod lebte und wo er auch begraben ist. Wie sein Vater und seine Brüder behielt er die Schweizerische Staatsbürgerschaft bei und erwarb erst 1960 die britische. Spanien besuchte er nur noch zu Ferienaufenthalten. In England baute er sich eine neue Existenz auf, wurde zu einem Innovator und Wegbereiter der neusten Musik (Experimente mit Tonbändern etc.) und gehörte in den zwei letzten Lebensjahrzehnten zu den fortschrittlichsten Komponisten. 1950-55 entstand das erste gültige Streichquartett (drei frühere sind verloren bzw. in einem Fall umgewandelt erhalten). Im grösseren Umfang, viersätzig und ohne Tonartbindung, erinnert es an Schönbergs 3. und 4. Quartett. Beim 2. Quartett dagegen fand Gerhard zu knappster Form mit sieben kurzen Abschnitten (Dauer zwischen 30 Sekunden und vier Minuten, insgesamt gut 13 Minuten) und verzichtete, da man sie nicht als Sätze verstehen soll, auf Satzbezeichnungen. Wie in der 3. Sinfonie (1960) verwendet er fliessende Strukturen, denen statische Elemente gegenüberstehen. Die Instrumente lässt Gerhard mit verschiedensten Klangtechniken spielen; häufig sind auch in ihrer Höhe nicht festgelegte Töne. So ist ein originelles, modernes Stück entstanden, das bis heute wie das ganze Spätwerk Gerhards wenig bekannt ist. «Dodekaphonisch, aber menschlich und sogar ein bisschen göttlich» – so bezeichnete ein Musikologe 1998 dieses Spätwerk. Zur Verbreitung tragen neben dem Engagement der Familie und des Quartet Gerhard sowie internationalen Konferenzen hoffentlich auch die hervorragende Neueinspielung der Quartette und der Chaconne für Solo-Violine durch die Ardittis bei, die Anfang 2013 erschienen ist.

Für Informationen zu Robert Gerhard Vater und Familie danke ich dessen Urenkel Ferrán (Tarragona, *1953; auch er Schweizer), der mir einen Referatstext (2012) seines Vaters, des Neffen des Komponisten, zugesandt und auf weitere Fragen Auskunft erteilt hat, herzlich.

Man hat ihn den spanischen Mozart oder Schubert genannt, den in Bilbao geborenen Juan Crisóstomo Jacobo Antonio de Arriaga y Balzola. Zehn Tage vor seinem zwanzigsten Geburtstag ist er am 17. Januar 1826 in Paris an Tuberkulose gestorben. Dadurch hatte er kaum Gelegenheit, über den Status eines Wunderkinds hinauszugelangen. Der Vergleich mit Mozart und Schubert ist nicht völlig falsch: Auf den Tag fünfzig Jahre nach Mozart wurde Arriaga am 27. Januar 1806 geboren. Und seine drei Quartette (früher komponierte – Arriaga hatte mit elf Jahren in Bilbao «begonnen, Quartette zu komponieren», wie der Vater berichtet – sind verloren bzw. nicht veröffentlicht) kann man mit den nicht lange zuvor in vergleichbarem Alter entstandenen frühen Quartetten Schuberts vergleichen, auch wenn sie stilistisch nicht zur Wiener Klassik gehören. Eher sind sie mit Quartetten Reichas, der wohl sein Lehrer war, oder Onslows (beide 1784 geboren) zu vergleichen. Sie entstanden in Paris, wo sich der junge Komponist seit Herbst 1821 aufhielt und einer wahren Quartettmode begegnete. Trotz einer gewissen Bevorzugung der 1. Violine folgen sie in ihrer Viersätzigkeit nicht dem Pariser Typus des Quatuor concertant. Modern ist Arriaga weniger äusserlich – so belässt er das Menuett – als im Verschleiern der Übergänge und in der Tonsprache. Weitere Qualitäten der drei Werke sind harmonische Überraschungen, der sorgfältige Aufbau und die Schönheit der Melodik. Im d-moll-Quartett sind es Leichtigkeit, Einfachheit, harmonische Reize, melodiöse und formale Sicherheit. Die Erweiterung der Ausdrucksfähigkeit der vier Streicher ist in allen drei Quartetten ebenso auffällig wie der Sinn für klangliche Effekte. Man darf sie – erst recht bei einem so jugendlichen Komponisten – sehr wohl Meisterwerke nennen.

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 45, C-dur, op. 50, Nr. 2, Hob. III:45 (1787)
Vivace
Adagio cantabile
Menuetto. Allegro - Trio
Finale. Vivace assai

Roberto Gerhard 1896-1970

Streichquartett Nr. 2 (1961/62)
I – VII

Juan C. de Arriaga 1806-1826

Streichquartett Nr. 1, d-moll (1824)
Allegro
Adagio con espressione
Menuetto. Allegro
Adagio – Allegretto