Concerts Season 2012-2013

  • 13.11.2012
  • 19.30
  • 87.Season
  • Zyklus A
Stadtcasino Basel, Hans Huber-Saal

Jerusalem Quartet (Jerusalem)

Such was the New York Times’ impression of the Jerusalem Quartet. Since the ensemble’s founding in 1993 and subsequent 1996 debut, the four Israeli musicians have embarked on a journey of growth and maturation. This journey has resulted in a wide repertoire and stunning depth of expression, which carries on the string quartet tradition in a unique manner. The ensemble has found its core in a warm, full, human sound and an egalitarian balance between high and low voices. This approach allows the quartet to maintain a healthy relationship between individual expression and a transparent and respectful presentation of the composer’s work. It is also the drive and motivation for the continuing refinement of its interpretations of the classical repertoire as well as exploration of new epochs.

The Jerusalem Quartet is a regular and beloved guest on the world’s great concert stages. With regular bi-annual visits to North America, the quartet has performed in cities such as New York, Chicago, Los Angeles, Philadelphia, Washington, and Cleveland as well as in the Ravinia Festival. In Europe, the quartet enjoys an enthusiastic reception with regular appearances in London’s Wigmore hall, Tonhalle Zürich, Munich Herkulessaal, Theatre des Champs-Elysées, as well as special guest performances at the Auditorium du Louvre Paris, the Elbphilharmonie Hamburg and festivals such as Salzburg, Verbier, Schleswig-Holstein, Schubertiade Schwarzenberg, Rheingau, Saint Petersburg white Nights and many others.

The Jerusalem Quartet records exclusively for Harmonia Mundi. The quartet’s recordings, particularly the albums featuring Haydn’s string quartets and Schubert’s "Death and the Maiden", have been honored with numerous awards such as the Diapason d’Or and the BBC Music Magazine Award for chamber music. In 2018, the quartet released two albums, an album of Dvorak’s String Quintet Op.97 and Sextet Op.48, and a much-awaited recording of the celebrated quartets by Ravel and Debussy. In the spring of 2019, the quartet will release a unique album exploring Jewish music in Central Europe between the wars and its far-reaching influence. Israeli Soprano Hila Baggio will join the quartet to perform a collection of Yiddish Cabaret songs from Warsaw in the 1920s. The quartet has commissioned composer Leonid Desyatnikov to arrange these songs, which will be sung in Yiddish. Schulhoff’s Five Pieces (1924), a collection of short and light cabaret-like pieces, and Korngold’s Quartet No.2 (1937) will complete the program.

Alongside its regular programs, the 2018/19 season will open with a premiere of its new Yiddish program. In October the quartet will be joined by Pinchas Zukerman and Amanda Forsyth for a US tour featuring string sextets by Strauss, Schoenberg and Tchaikovsky. March will include a return of the Brahms project featuring quartets, sonatas and quintets together with clarinetist Sharon Kam and pianist Matan Porat. After a second US tour in April, Bartok’s 6 string quartets will be presented at London’s Wigmore hall in May and then combined with Beethoven and performed in various venues in Bavaria.

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Streichquartette – Rückzug ins Private? Oder: pianissimo morendo

Die Jahre nach dem 2. Weltkrieg waren wie die vor dem Krieg für Schostakowitsch äusserst schwierig. Die KPdSU drangsalierte die Kulturschaffenden, da ihre Werke dem Volk und der Partei nicht gefielen, und stempelte sie als Formalisten, Abweichler und Volksfeinde ab. Werke, die wie die Leningrader Sinfonie (1941) während des Kriegs erfolgreich waren, wurden kritisiert, vor allem die lockere „Sinfonie classique“ Nr. 9 (1946): „In welcher Zwergengestalt erschien uns Schostakowitsch in seiner Symphonie Nr. 9 angesichts der Grösse des Sieges.“ Auf den Komponisten-Kongressen wurden Schostakowitsch und andere gedemütigt. Im Herbst 1948 verlor er seine Professuren in Moskau und Leningrad. Im März 1949 delegierte ihn Stalin persönlich gegen seinen Willen an den Panamerikanischen Kongress für Kultur und Friedenssicherung in New York. „Sein“ Referat allerdings, ein Parteipapier, las dort ein Sprecher auf Englisch mit – gemäss Presseberichten – Inhalten übelster Art vor. Gleichwohl jubelte man Schostakowitsch zu. Wenigstens hörte er im Rahmen des Kongresses Bartóks Streichquartette Nr. 1, 4 und 6.

Ob diese Erlebnisse und Eindrücke ein Grund dafür waren, dass der Komponist Anfang Mai sein 4. Streichquartett zu schreiben begann (vollendet am 27. Dezember), ist nicht nachzuweisen. Vielleicht ist man zu rasch zur Einschätzung bereit, Streichquartette bedeuteten einen Rückzug ins Private. Sinfonien blieben allerdings vorerst zurückgestellt; die grosse 10. mit Stalins groteskem Porträt war erst nach dessen Tod möglich. Gegenüber den Vorgängern ist das neue Quartett ein verinnerlichtes, lyrisches Werk. Es legt alles Pathos ab, wirkt zurückgenommen. Es beginnt präludiumshaft mit einem eher ruhigen, kurzen Allegretto. Über liegenden Basstönen spielen die Geigen einen Zwiegesang, der nach dreissig Takten in einen dynamischen Höhepunkt mündet, später aber zurückkehrt. Östliche Volksmusik mit Dudelsackweisen klingt an, ist aber nirgends Zitat. Das Andantino in f-moll, einer der berührendsten Sätze des Komponisten, ist ein lyrischer Gesang der Primgeige, dem 2. Geige und Bratsche eine einfache rhythmische Struktur hinzufügen. Später tritt das Cello mit einer Gegenlinie hinzu. Zuletzt nimmt die 1. Geige die Führung wieder auf, und der Satz verklingt wie der erste im Pianissimo morendo. An Stelle eines Scherzos steht ein Allegretto in c-moll, das trotz mancher Bewegung verhalten, ja fahl wirkt (1. Teil con sordino) und ebenfalls pianissimo endet. Attacca schliesst, sich aus dem pp entwickelnd, das Finale an, ein Rondo. Es schöpft seine Melodien aus jüdischer Volksmusik, die in kurzen, sich wiederholenden Gedanken erscheinen. Die Bratsche übernimmt die Führung, tritt sie dann an die Primgeige ab. Auch dieser Satz wirkt zurückhaltend, voller Trauer. Einzig im zentralen Höhepunkt steigert er sich zu tänzerischer Ausgelassenheit. Nach diesem volksmusikhaften Intermezzo leitet die Bratsche in den klagenden Schlussteil zurück, der erneut pp morendo in D-dur ausklingt.

Nach Stalins Tod am 5. März 1953 wurde noch vor dem 4. (UA 3.12.1953) am 13. November 1953 das 5. Quartett uraufgeführt, beide in Moskau vom Beethoven Quartett. Schostakowitsch hatte das dem Beethoven Quartett zum 30jährigen Bestehen gewidmete neue Quartett am 7. September 1952 begonnen und am 1. November vollendet. Damit hatte er zum üblichen raschen Komponieren zurückgefunden. Das Werk hat drei etwa gleich lange Sätze und wird durch Überleitungen in eine einheitliche Grossform gegossen. Musikalisch besteht eine Verbindung zur im Sommer/Herbst 1953 komponierten 10. Sinfonie. Das Werk ist herber, impulsiver und sinfonischer als das 4. Quartett, gleichwohl reich an leisen und verinnerlichten Tönen. Der Kopfsatz beginnt mit einem Basston im Cello und einem dreitönigen Motiv in Halbtonschritten der Geigen. Dazwischen nimmt die Bratsche mit einem markanten Motiv zweimal Anlauf, bevor sie daraus das Hauptthema entfaltet; es besteht aus einem punktierten Achtel und Sechzehntel sowie drei folgenden Vierteln. Diese Fünftongruppe ist im Satz stark präsent. Ein sangliches Seitenthema der 2. Geige bildet einen Gegensatz, wird aber durch einen Ostinato-Rhythmus der 1. Geige „gestört“. Die Exposition wird wiederholt. Die dicht gewobene sinfonische Durchführung steigert sich zu grosser Expressivität; sie führt die 1. Geige in höchste Lagen. Die Reprise beruhigt das Geschehen. Zuletzt zerbröckelt der Fluss; darüber spielt die 1. Geige 26 Takte lang ein dreigestrichenes F, das drei weitere Takte ins Andante hinübergreift, wo die Bratsche nun con sordino das Hauptthema anstimmt. Der fast durchweg leise Satz mit gedeckten Farben wirkt elegisch, beinahe konturlos dahinfliessend. Eine synkopische Linie des Cellos in den beiden Andantino-Teilen bringt keine Bewegung in Gang. Der Schlusssatz scheint in diesem Bereich zu bleiben, bis ein Allegretto tänzerische Töne anschlägt, die sich aber zwischendurch verlieren. Dynamik und Expressivität nehmen zu, was an den Kopfsatzes erinnert. Nach einer Überleitung folgt nochmals eine „Tanzepisode“, bevor die Stimmung des 2. Satzes zurückkehrt – und einmal mehr endet ein Stück Schostakowitschs im Pianissimo morendo.

Das 6. Quartett entstand in knapp einem Monat im August 1956 und wirkt leichter – oder, wie Kritiker sagten, oberflächlicher. Es hat lange gebraucht, um ins Repertoire der Quartettensembles zu gelangen. Der Druck, unter dem Schostakowitsch bis 1953 gestanden hatte, schien nun weg, auch wenn die Chruschtschow-Ära mit dem vermeintlichen Tauwetter alles andere als freiheitlich war – man denke an die Pasternak-Affäre. Der Einbezug von Rhythmen und Melodik von Kinderliedern in den beiden ersten Sätzen betont das Russische. Ein leichter Ton, als ob Haydn dem Komponisten zum Vorbild geworden wäre, herrscht über weite Strecken im Kopfsatz. Nur kurz ist ein Fortissimo-Ausbruch mit teilweise heftigen Akkorden in der Mitte – schon kehrt Unbeschwertheit zurück. Auch dem 2. Satz fehlt die Schwere, aber auch die Schostakowitsch oft eigene Neigung zum Grotesk-Scheinheiteren. Lockerheit auch hier, dazu Geigenkantilenen in hohen Lagen, zeitweise vom Cello im Pizzicato heiter grundiert. Ernsthaftigkeit dann im Lento, einer Passacaglia über ein getragenes zehntaktiges Thema im Cello. In den Variationen 2 bis 4 tritt jeweils ein weiteres Instrument dazu; die 5. Variation wird erweitert und ohne das Thema fortgeführt. Variation 6 und 7 kehren zum zehntaktigen Thema zurück. Eine kurze Coda leitet zum Lento-Beginn des Finales über. Die 1. Geige trägt das freundliche Thema vor. Ein staccato-Thema im Cello bringt einen neuen Klang. Eine allmähliche Steigerung führt zum fff der beiden Geigen, und wird im nun leise gewordenen Geschehen vom staccato-Thema von Bratsche und Cello abgelöst. Der Satz wird im Andante immer ruhiger, nimmt in der Coda den Übergang des 3. zum 4. Satz wieder auf und endet lento – natürlich! – im pianissimo morendo.

Dmitrij Schostakowitsch 1906-1975

Streichquartett Nr. 4, D-dur, op. 83 (1949)
Allegretto
Andantino
Allegretto
Allegretto
Streichquartett Nr. 5, B-dur, op. 92 (1951)
Allegro non troppo
Andante – Andantino – Andante –
Moderato – Allegretto – Andante
Streichquartett Nr. 6, G-dur, op. 101 (1956)
Allegretto
Moderato con moto
Lento –
Lento – (Allegretto) – Andante – Adagio