1932, zwanzig Jahre nach der Entstehung, sagte Webern über seine Sechs Bagatellen: „Ungefähr 1911 habe ich die ‚Bagatellen für Streichquartett’ (op. 9) geschrieben, lauter kurze Stücke, die zwei Minuten dauern; vielleicht das Kürzeste, das es in der Musik bisher gegeben hat. Ich habe dabei das Gefühl gehabt: Wenn die zwölf Töne abgelaufen sind, ist das Stück zu Ende. Viel später bin ich daraufgekommen, dass das alles im Zuge der notwendigen Entwicklung war. Ich habe in meinem Skizzenbuch die chromatische Skala aufgeschrieben und in ihr einzelne Töne abgestrichen. - Warum? - Weil ich mich überzeugt hatte: der Ton war schon da. - [...] Mit einem Wort: es bildete sich eine Gesetzmässigkeit heraus: Bevor nicht alle zwölf Töne drangekommen sind, darf keiner von ihnen wiederkommen. Das Wichtigste ist, dass das Stück - der Gedanke - das Thema durch die einmalige Abwicklung der zwölf Töne einen Einschnitt bekommen hat.“ Es muss aber gleich gesagt sein, dass es bis zu Schönbergs Veröffentlichung der Zwölftontheorie (1923) noch zwölf Jahre dauern sollte und dass Webern offensichtlich in diesem Rückblick seinen eigenen Anteil daran nachweisen wollte!
Unzählige Briefe (man vermutet zwischen 600 und 2000) hat Janáček zwischen 1917 und 1928 an seine „ferne Geliebte“ Kamila Stösslová, die 38 Jahre jünger war als er, geschrieben. Sie war für ihn Befreierin und Anregerin für sein grandioses Spätwerk, an dessen Ende das 2. Streichquartett steht (es wurde vier Wochen nach seinem Tod am 11. September 1928 uraufgeführt). Eben dieses Quartett ist gewiss der schönste dieser Briefe. Es thematisiert – wie schon das erste („Kreutzersonate“) – die Liebe. Im Februar 1928 schrieb Janáček an Kamila: „Jetzt habe ich begonnen, etwas Schönes zu schreiben. Unser Leben wird darin enthalten sein. Es soll «Liebesbriefe» heissen. Ich glaube, es wird reizend klingen. Wir hatten ja genug Erlebnisse!“ Doch bald darauf ändert er den Titel in Intime Briefe, da man seine „Gefühle nicht Dummköpfen preisgibt“, und ersetzt gleichzeitig die vorgesehene Viola d’amour durch die gewöhnliche Bratsche. Was äusserlich an den ständig wechselnden Tempobezeichnungen ablesbar ist, gilt generell für Janáčeks Kompositionsstil. Er entwickelt nicht Themen oder gar Melodien verarbeitend zu einem klassisch-romantischen Satzgebilde, sondern reiht in oft hartem Schnitt Motive oder aus solchen gebildete Phrasen aneinander. Diese sind von tiefem emotionalem Gehalt erfüllt; sobald er ausgeschöpft ist, wird ein Wechsel vollzogen. Dies führt zu starken Kontrasten, wie es gleich zu Beginn des Quartetts zu erleben ist: Aus dem Kern der beiden Phrasen ist letztlich der ganze Satz gereiht. Der Brünner Musikschriftsteller Ludvik Kundera schildert Janáčeks Arbeitsweise folgendermassen: „Janáček hämmerte so laut, als es überhaupt möglich war, (...) mit den Fingern immer wieder ein und dasselbe Motiv von ein paar Tönen aus dem Klavier hervor. (...) Er wiederholte das Motiv mehrere Male rundum, entweder in unveränderter Gestalt oder zuweilen mit einer kleinen Abänderung. Aus der Verve, mit der er spielte, war herauszufühlen, wie stark er von dem Gefühlsgehalt des Motivs erregt und hingerissen wurde. (...) Bei diesem Beginnen komponierte er nicht – er wollte sich nur durch das ständige Wiederholen eines kleinen Motivs in eine bestimmte Stimmung versetzen, um dann ohne Klavier das zum überwiegenden Teil aus diesem Motiv aufgebaute Tonwerk in fieberhafter Hast unmittelbar aufs Papier zu werfen.“
In Beethovens op. 132 bildet der langsame Satz Zentrum und Hauptaussage des Werks. Nicht nur die Länge, auch die religiös motivierte Umschreibung der Bedeutung hebt ihn hervor. Mag die erstmalige Ausweitung der Satzzahl von vier auf fünf im Vergleich mit op. 130 und 131 (op. 132 ist im Jahr vor diesen beiden Quartetten entstanden) noch unentschlossen wirken, die Aufgabe, das Molto Adagio ins Zentrum zu rücken, wird durch den folgenden kurzen Geschwindmarsch durchaus erreicht. Der Dankgesang ist trotz seinen "himmlischen Längen" einfach gebaut: Er beginnt mit einer choralartigen Melodie. Ihre Phrasen folgen einander jeweils halbtaktig in 4stimmigem Satz. Der Choralteil wird von einem leichteren Andante in D-dur abgelöst, das mit "Neue Kraft fühlend" überschrieben ist. Es nimmt im weiteren Verlauf tänzerisch-heitere Züge an. Die beiden Teile werden wiederholt - der Choral wird variiert, das Andante bleibt weitgehend unverändert. Eine 3. Choralstrophe führt "mit innigster Empfindung" den Satz zu Ende, der so eine Art Rondoform erhalten hat. Der erste Satz beginnt mit einer Einleitung, welche ausgehend vom Cello jenes Viertonmotiv in je einem auf- und absteigenden Halbtonschritt (gis - a / f - e) einführt, das als Klammer die drei grossen der späten Beethovenquartette verbindet. Schon das Hauptthema des Kopfsatzes stellt es ins Zentrum und im Finalthema taucht es versteckt wieder auf.
rs