Konzerte Saison 1935-1936

  • 14.2.1936
  • 20:15
  • 10.Saison
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Busch-Quartett

Beethovens fünf Streichtrios sind vor den Streichquartetten entstanden und gelten als Frühwerke. Man darf sie aber kaum vereinfachend nur als Vorstufe und Vorstudien zu den Quartetten erklären. Denn sie dokumentieren, angefangen mit dem rasch, besonders in England, erfolgreichen Trio op. 3 nach 1790 Beethovens Weg zu einer «neuen Musik». Während das fünfsätzige op. 3 und die Serenade op. 8 mit ihren typischen sechs Sätzen noch dem leichteren Genre zuzurechnen sind, so stehen die drei Trios des op. 9, die zwischen 1796 und 1798 entstanden sein dürften, für eine Neuorientierung. Wie bei den Klaviertrios des Opus 1 stellt Beethoven das bedeutendste Stück, beide in c-moll, ans Ende der Trias. Fortschrittlich wie das c-moll-Klaviertrio, das Haydn so irritiert hat, ist auch das Streichtrio ungewöhnlich und kann durchaus mit den Quartetten op.18 auf eine Stufe gestellt werden. Es ist das subjektivste und leidenschaftlichste der Werkgruppe. Im Unisono der drei Instrumente eröffnet ein auf viel Späteres (Streichquartette opp. 130, 131, 132) vorausweisendes absteigendes Viertonmotiv c – h – as – g crescendo das ausgedehnte Hauptthema des Kopfsatzes, eines düster-dramatischen Allegro con spirito. Im Adagio fesselt neben der schönen Melodik die reiche Fülle der harmonischen Wechsel, während das Scherzo durch seine ungestüme, teilweise synkopierte Rhythmik vorwärts drängt; das leise Trio steht zwar in C-dur, wirkt aber keineswegs hell oder heiter. Das stürmische, Rondo und Sonatensatz verbindende Finale steigert sich, im Piano beginnend, zu immer neuen Spannungen, schliesst dann aber nach einer ff-Passage wie das c-moll-Klaviertrio des op. 1 überraschend in C-dur und im Pianissimo.
Haydn hat die Sechserserie der Quartette op. 71 und 74 dem Grafen Anton Appónyi gewidmet. Sie dürften die ersten für den grossen Konzertsaal geschriebenen Streichquartette sein. Was ihm bereits in den für London komponierten Sinfonien gelungen ist, überträgt er nun auf die Kammermusik. Gerade das F-dur-Quartett des op. 74 hat, wie man zu Beginn gut vernehmen kann, sinfonischen Charakter: Ein achttaktiges Unisono-Signal eröffnet forte das Werk fanfarenhaft, so dass man sich am Ende dieser Einleitung schon beinahe am Ende des Satzes wähnt – allerdings im «falschen» C-dur. Haydn entwickelt daraus piano das etwas anders geartete Thema des monothematischen Kopfsatzes; auch das Seitenthema wird aus dem gleichen Material abgeleitet. In Durchführung und Reprise verarbeitet er dieses Material immer mehr und sorgt dadurch für Spannung, welche sich erst in der Coda mit einer neuen Unisono-Variante des Themas und zwei Schlussakkorden löst. Das Andante grazioso im 2/4-Takt gibt sich als unkomplizierte Folge von drei Variationen und Coda. In der 1. Variation wird das Thema mit nur geringen Änderungen dem Cello zugewiesen, von der 1. Violine figurativ begleitet. Die mittlere Variation steht in b-moll und entfernt sich am weitesten vom Thema; das ausdrücklich so bezeichnete Solo spielt hier die 2. Geige. Die dritte Variation bringt erneut das Thema weitgehend unverändert; erst in der Wiederholung wird es durch Umspielungen angereichert. Sie mündet in eine Coda, die pianissimo in C-dur ausklingt. Zum Ernst des Menuetts – mit einem deutlich längeren zweiten Teil als üblich – kontrastiert das leisere Trio in Des-dur. Es weist überraschend eine eigene Art Coda auf. Bewundernswert das Finale: ein Sonatenrondo im 2/4-Takt, das von thematischer Arbeit bestimmt ist und unverkennbar zu Beethoven hinführt. Die lange Coda kulminiert fortissimo auf einem Orgelpunkt mit Akkorden in der 1. Violine, bevor nochmals das Hauptthema auftritt und der Satz darauf rasch zu Ende geht.

Fritz Brun 1878-1959

Streichquartett G-dur
Allegro moderato
Adagio sostenuto
Tempo d’un menuetto quieto
Allegro vivace

Ludwig van Beethoven 1770-1827

Streichtrio Nr. 5, c-moll, op. 9, Nr. 3 (1796/98)
Allegro con spirito
Adagio con espressione
Scherzo: Allegro molto e vivace
Finale: Presto

Joseph Haydn 1732-1809

Streichquartett Nr. 73, F-dur, op. 74, Nr. 2, Hob. III:73 (1793)
Allegro spirituoso
Andante grazioso
Menuetto: Allegro
Finale: Presto