Was passt – wenn wir Bartóks Aussage zum 4. Quartett ernst nehmen – besser zu diesem Werk als Fugen von Bach und ein Quartett von Mozart? Bach nannte ja die in der Erstfassung 14, später 24 Sätze seiner Kunst der Fuge nicht «Fuge» oder «Kanon», sondern Contrapunctus, weil er den Kontrapunkt als das Hauptelement dieser Kompositionsweise ansah. Alle Fugen sind aus einem Thema (soggetto) entwickelt, indem es rein, in Umkehrung, Diminuierung oder Augmentation auftaucht oder mit neuen Themen verbunden wird. Bach hat weder die Instrumente noch die Reihenfolge der Fugen endgültig festgelegt. Da zudem die grosse Schlussfuge, die eine Quadrupelfuge mit drei neuen Themen werden sollte, unvollendet ist, hat das Werk schon früh (schon anlässlich der Erstausgabe von 1751) eine mystifizierende Verklärung erfahren. Heute weiss man, dass die 1. Fassung schon zu Beginn der 1740er Jahre entstanden ist und dass eine 2. Bearbeitungsphase bis etwa 1746 und die Druckfassung spätestens 1749 folgte.
Mozart hat nach der lunga, e laboriosa fatica der «Haydn-Quartette» nur noch einmal zu einem Zyklus von sechs Quartetten angesetzt. Voller Hoffnung wollte er sie «für Seine Mayestätt dem König in Preussen» schreiben, doch ist der Plan nie Wirklichkeit geworden. Die Widmung kam nicht zustande und es blieb bei drei Quartetten. Am 12. Juni 1790, kurz nach Vollendung von KV 590, schrieb er an Puchberg: «Nun bin ich gezwungen meine Quartetten (diese mühsame Arbeit) um ein Spottgeld herzugeben, nur um in meinen Umständen Geld in die Hände zu bekommen» Daraus – wie aus der Äusserung zu den «Haydn-Quartetten» – ist zumindest das zu entnehmen, dass Mozart die Komposition von Quartetten generell schwer fiel, er also, selbst wenn er wirklich in Geldnot gewesen sein sollte, nicht noch rasch drei weitere für eine komplette Sechserfolge komponieren konnte, obwohl die drei «Preussischen Quartette» einfacher sind als die «Haydn-Quartette». Das Werk gipfelt nach einem durch seine ungeraden Taktperioden interessanten Menuett in einem Finale, das wie eine Huldigung an Haydn wirkt. Es geht aber in seiner kühnen Kontrapunktik und im schroffen Nebeneinander der Tonarten über jenen hinaus.
rs