Als Komponist von Opern, Balletten und Sinfonien ist Henze allgemein bekannt und anerkannt. Dass sein Oeuvre auch reichhaltige Kammermusik, darunter mehrere Streichquartette (das erste 1947) umfasst, ist weniger geläufig. Im März 1976 machte Henze auf einer Flugreise von Rom nach Sydney Skizzen zu seinem 5. Quartett. In Sydney habe ihm der Tänzer Mark Wraith einen seiner choreographischen Träume aufgeschrieben. Darin sei vom Alleinsein, von Kampf und Nachtmahren, von Stille, vom Heraufkommen des Morgens, von Genesung die Rede gewesen. Daneben ist überall der tagebuchartige Charakter dieses Quartetts zu verfolgen. Im klagenden Arioso, einer lyrischen Invention, bildet sich die Thematik der ganzen Arbeit schon vor. Den Schwerpunkt bildet der stürmische 2. Satz, ein vierstimmiger Kontrapunkt, in dem zunächst 58 Takte lang die Bratsche die Haupt- und das Cello die Nebenstimme ausführt. Gleichzeitig wird von der ersten Geige das Tonmaterial der Bratschenmusik krebsförmig in verminderter Quintlage gespielt, und das des Cellos auf die gleiche Weise, aber in Quartlage, von der zweiten Geige. Die Sätze drei bis fünf bringen Beruhigung, der sechste, ein Morgenständchen (Aubade) in vier Strophen, beginnt noch unsicher, noch halb im Traum. Obwohl Henze vom Zerbrechen des Traums spricht, wodurch das Material zerstoben (ist), verflogen wie Nachtvögel und Fledermäuse im Frühlicht (2. Strophe), und in der dritten Strophe fast quälend die Helle des Tages einbrechen lässt, erhält in der vierten unter Führung des Cellos die Traumwelt neue Realität im Licht der Sonne, bis die Stimmen vertikal gehört werden können und zu Harmonie werden (alle Zitate: Henze).
Ravel hielt sich in seinem frühen Quartett - er empfand es als Abschluss seiner Studienzeit - eng an das Vorbild Debussy, und doch ist es ein eigenständiges Werk, besonders in der Ableitung der meisten Gedanken aus den Themen des 1. Satzes und der Wiederaufnahme früherer Motive. Eigenständig ist auch die Klanglichkeit, vor allem im 3. Satz. Im Finale lässt Ravel, der Sohn einer Baskin, zwar baskische Tanzrhythmik des Zortzico anklingen, allerdings selbständig variiert. Die Uraufführung 1904 rief verschiedene Reaktionen hervor: Debussy war begeistert, der Widmungsträger Fauré fand einiges zu kritisieren, und die Klassizisten, die den Rom-Preis zu vergeben hatten, konnten gar nichts damit anfangen.
rs