Von den Cello-Suiten wurde bei uns bisher einzig die 3. Suite aufgeführt: Am 5. April 1946 spielte sie Pablo Casals in einem Konzert mit Paul Baumgartner (mit Sonaten von Beethoven, Schumann und Brahms).
Das Erstaunliche an Bachs Cello-Suiten ist der Umstand, dass sie gleich zu Beginn der Literatur für Solo-Cello den Höhepunkt in dieser Gattung bilden und dies bis heute geblieben sind. Die neuere Celloliteratur hat diesen Werken fast nichts entgegenzusetzen. Die Solosonaten von Kodály und Bernd Alois Zimmermann sind zwar wichtige Werke, jedoch Einzelgänger. Bachs Suiten sind, sieht man von Werken für Viola da gamba ab, ohne bedeutende Vorbilder entstanden. Während es Werke für Violine solo seit dem frühen 17. Jahrhundert gegeben hat, sind solche für Cello, das damit aus der Generalbass-Rolle herausgeholt wird, erst kurz vor 1680 und um 1700 (Giuseppe Jacchini) nachweisbar. Vielleicht ist dies mit ein Grund für die einfachere Struktur gegenüber den Werken für Solo-Violine. Bach experimentierte mehr im Innern und im Spieltechnischen als im Formalen. Immerhin weisen auch die Englischen Suiten für das Clavier, also Bachs ureigenstes Instrument, den gleichen Aufbau auf. Somit bleibt die Frage nach der Priorität der Solo-Werke für Violine bzw. Cello offen. Unbekannt ist auch, für wen Bach die Werke geschrieben hat. Für einen der beiden Cellisten der Köthener Hofkapelle, Linigke oder den auch als Gambenvirtuose bekannten C.F. Abel? Oder nur als Studienstücke zu Lehr- und Lernzwecken?
Die ersten beiden Sätze der 2. Suite weisen im Rhythmischen und Melodischen mehr Bewegung auf als die entsprechenden Sätze der 1. Suite. Die Allemande nimmt den schmerzhaften Tonfall des Prélude auf, die Courante dagegen lässt ihren Schwung weitgehend in gleichmässigen Sechzehnteln ablaufen. Würde und gleichwohl Serenität prägen die vielfach mehrstimmig geführte Sarabande. Doppelgriffe bestimmen auch das 1. Menuett; das alternierende in D-dur setzt auf Eleganz und Zartheit. Vorwärtsstürmend schliesst eine düstere Gigue diese allgemein dunkel gehaltene Suite ab. – Ein langes Prélude eröffnet die 4. Suite mit absteigenden Akkordbrechungen; sie laufen auf einen Orgelpunkt mit Fermate hinaus, bevor die Anfangsbewegung wieder aufgenommen wird. Die Allemande ist ein heiter-ruhiges Stück von eingänglicher Einfachheit. Vielschichtiger wirkt die Courante mit ihrem Wechsel von binären und Triolenrhythmen. Die kontemplative Sarabande enthält über Akkorden, die gleich zu Beginn den Ton Des einbeziehen, eine elegante Melodie mit punktierten Notenwerten. Die Bourrées sind melodisch geprägt. In der ersten löst ein Motiv von fünf gleichen Noten die Bewegung des ganzen Satzes aus; die zweite, nur zwölf Takte lang, spielt mit der diesen Stücken eigenen Naivität. Die virtuose Gigue bildet eine Art Perpetuum mobile-Finale und erinnert darin an dasjenige des 6. Brandenburgischen Konzertes. – Für die 6. Suite hat Bach ein fünfsaitiges Cello vorgesehen, doch lässt sich das Werk mit der heutigen Spieltechnik auch auf dem gewöhnlichen viersaitigen spielen. Interessant ist, dass sich Bach 1724 eine fünfsaitige Viola pomposa bauen liess, ein im Arm gespieltes Instrument in Cellostimmung. So konnte er mit der Technik des Geigers auch Cellostücke, also wohl auch die eigenen Suiten, in der originalen Stimmlage spielen. Das Prélude beginnt mit Bariolagefiguren und spielt mit dem Wechsel von forte und piano. Die Allemande ist eine Improvisation weitab vom Tanz, die Courante dagegen setzt auf das Tänzerisch-Elegante. Mit einfacher Melodielinie und Sextenparallelen erklingt die Sarabande, die Gavotten geben sich fröhlich, die 2. mit Musetteklängen über einem Orgelpunkt. Rhythmisch akzentuiert erinnert die gehobene Stimmung der Gigue an eine lustige Jagd.
rs