Einer andern Randnation der (Kammer-)Musik gehört Grieg an. Auch er hat seine Studien in einem internationalen Zentrum absolviert, 1858–1863 in Leipzig. Obwohl hier die Nachfolger Mendelssohns und Schumanns (Stichwort Gade, bei dem Grieg in Kopenhagen studierte) den «Ton angaben», «verschworen (wir) uns gegen den Gadeschen-Mendelssohn-vermischten weichlichen Skandinavismus und schlugen mit Begeisterung den neuen Weg ein, auf dem sich noch heute die nordische Schule befindet», berichtet Grieg in seiner deutsch geschriebenen Autobiographie. Die Hinwendung zur nordischen Folklore und zum Nationalen, die man an Grieg als eine Art Exotikum schätzt, hat es dem Quartett schwer gemacht. In der Tat scheint das Quartett mehr eine suitenartige Folge von Sätzen zu sein. Richard Stein nannte sie «vier einheitlich gekleidete Kinder, die nicht zu einer Familie gehören». Dabei überhört man, dass das thematische Material aller Sätze aus den drei unisono gespielten Anfangstönen abgeleitet ist, also Griegs Willen zu einer konsequenten Einheitlichkeit dokumentieren. So ist Griegs Werk vielleicht kein einmaliges Meisterwerk, aber doch ein interessantes Beispiel für ein individuelles Quartett am Rand der als verbindlich geltenden klassisch-romantischen «Norm».
Am Rande steht auch Bergs op. 3, an jener (Auf-) Bruchstelle des frühen 20. Jahrhunderts. Als noch direkt von Schönberg empfangen hat Berg das Werk später bezeichnet. Die «Geste der herrischen Selbstbehauptung, als welche das Stück einsetzt und endet» hat «nichts mehr von der Befangenheit des Gesellen, nichts vom Gefühlsdekor des Jugendstils» (Adorno). Die trotz Anlehnung an Sonate und Rondo neuartige Architektur des Stücks zeigt auf, wie der Komponist, ohne mit den alten Formen zu brechen – wie im Wozzeck – neue Wege geht, indem er sie produktiv umformt.
rs