Den 1923 in Magdeburg geborenen Menahem Pressler muss man nicht näher vorstellen. Zu einzigartig und bei uns bestens bekannt ist seine bewundernswerte Rolle im Beaux Arts Trio. Pressler ist aber auch solistisch tätig und schliesst sich gelegentlich auch anderen Kammermusikensembles an. Wenn ihn ein Basler Kritiker letzthin als "Dirigent ohne Taktstock und ohne Orchester, in jeder Sekunde wachsam und hellhörig für die Beiträge seiner Partner" bezeichnet hat, so darf man sich freuen, dass er diese Rolle auch dem Orpheus Quartett gegenüber übernehmen wird.
Nicht viel mehr als fünfzig Jahre liegen zwischen den Quintetten von Dvorák und Schostakowitsch, beides in ihrer Weise populäre Werke im Rahmen des Kammermusik-schaffens ihrer slawischen Komponisten, doch könnte der Unterschied kaum grösser sein.
Schostakowitschs Quintett entstand in jenen schwierigen Monaten, bevor Hitler den Pakt mit Stalin brach und in Russland einfiel. Schostakowitsch reagierte stets auf seine Umgebung und die Ereignisse der Zeit. Ein Jahr später wird er angesichts der Bedrohung Leningrads die 7. Sinfonie, die «Leningrader», schreiben. Im Quintett liegt das Gewicht auf den langsamen Sätzen; das Ernsthaft-Meditative überwiegt. Im Eingangs-Lento entsteht eine geradezu bach-nahe Feierlichkeit. In sieben Takten stellt zu Beginn das Klavier das ganze thematische Material vor. Die folgende Fuge, aus-gehend vom Duo der beiden Geigen, lässt sich fast nicht als solche erkennen, so raffiniert ist sie gearbeitet. Das Scherzo bricht mit seinen bewusst simplen, scheinbar volksmusiknahen Themen den Ernst der vorangehenden Sätze. Doch sollte man bei Schostakowitsch nie zu sehr auf die Vordergründigkeit hören. Zu viel ist in diesem Stück ge-, ja zerbrochen. Ein weiteres Lento, fast zu optimistisch als Intermezzo bezeichnet, nimmt leitmotivisch Elemente des ersten Satzes auf und betont die meditative Stimmung. Es leitet ins Finale über, das mit mahlerscher Scheinheiterkeit beginnt. Aber immer wieder kommt auch dieser Satz ins Grübeln (Bassfiguren); ein rhythmisch prägnantes Thema wird rasch zurückgenommen. Mit fast tänzerischem Charme, der aber jeglichen Übermuts entbehrt, klingt das Werk aus. Das Quintett entsprang dem Wunsch des Beethoven Quartetts, das bei der Einstudierung des bisher allein vorliegenden 1. Streichquartetts den Kom-ponisten kennengelernt hatte. Am 23. November 1940 erklang das Quintett durch die genannten Interpreten im Kleinen Saal des Moskauer Konservatoriums – mit riesigem Erfolg.
Dvoráks Quintett entstammt einer glücklichen und äusserst erfolgreichen Lebensphase des Komponisten. Mit seiner 7. Sinfonie, der zweiten Reihe der Slawischen Tänze, dem Oratorium Die heilige Ludmilla und der D-dur-Messe war er weltweit berühmt geworden. In dieser Zeit nahm er ein Frühwerk, das Klavierquintett op. 5 (B 28) aus dem Jahre 1872 wieder hervor, um es zu bearbeiten Doch dies wollte nicht gelingen. So entstand ein neues Werk – in der gleichen Tonart. Das neue Werk, Pendant eines weiteren A-dur-Kammermusikwerkes, des Sextetts op. 48 (1878), ist eines seiner schönsten überhaupt, perfekt durchgeformt, heiter ohne Vordergründigkeit, je nachdem tänzerisch oder nachdenklich-melancholisch, wie es der Satzcharakter einer Dumka oder eines Furiant verlangt. Durch diese stilisierten böhmischen Elemente wurden der langsame Satz und das Scherzo ersetzt. Die ursprünglich ukrainische Dumka verbindet langsam-schwermütige mit raschen, ausgelassenen Teilen. Dieser Charakter prägt letztlich das ganze Werk, das am 6. Januar 1888 im Prager Rudolfinum erstmals erklang – auch dieses Werk mit grösstem Erfolg.
rs