Den aus Brighton gebürtigen Bridge kennt man hierzulande fast nur als Lehrer Brittens. Immerhin standen seine Three Idylls for String Quartet 1993 auf dem Programm eines unserer Konzerte. Aus dem gleichen Jahr stammt auch das 1. Streichquartett. Es entstand für einen Kompositionswettbewerb in Bologna, wo es eine Ehrennennung erhielt. Der Kopfsatz beginnt nach der langsamen Einleitung mit einem grossen, chromatisch absteigenden Thema. Die Durchführung verweilt etwas gar lange beim 2. Thema und verliert daher an Spannung. Knapper und konziser gehalten sind die Mittelsätze: Das Adagio verknüpft zu Beginn f-moll mit der Dominante von G; dies ergibt eine Vorahnung des vom Komponisten in seiner Reifezeit so geliebten Akkords, den man geradezu als „the Bridge chord“ bezeichnete. Das Allegretto kann die Nähe zur Salonmusik nicht verleugnen, verdankt ihr aber auch ein gewisses verführerisches Element. Dieser Satz und das Finale greifen auf Themen des Kopfsatzes zurück.
Auch Tschaikowskys 1. Quartett hat einen äusseren Anlass. Er schrieb es in aller Eile, weil er für ein Konzert mit eigenen Kammermusikwerken noch ein grösseres Stück benötigte. Publikum und Kritik nahmen das Quartett begeistert auf. Es ist musikantisch-spielfreudig, der Tonfall ist unverkennbar russisch. Im Kopfsatz allerdings, dessen Thema mit seinem synkopierten 9/8-Takt so eigenartig wirkt, hat man auch schon Schubert-Anklänge festgestellt. Das Andante in B-dur con sordini, das 1876 Tolstoi Tränen entlockt hat, beruht auf einem ukrainischen Volkslied im Wechsel von 3/4- und 2/4-Takt und einem salonhaften Originalthema, wie es „ein Orchester in einem Salon de thé an den Ufern des Schwarzen Meeres“ (Ménétrier) spielen könnte; nur die schlichte Satztechnik bewahrt es vor Banalität. Das Scherzo, ein robuster russischer Tanz, entwickelt durch die Verlagerung des schweren Taktteils starke rhythmische Energie. In behendem Elan verläuft das Finale. Es lässt ein russisches Dorffest aufleben. Im abrupten Wechsel von D-dur nach B-dur klingt wieder Schubert an. Nach dem pianissimo-Rückgriff auf das dritte Thema im Andante-Tempo klingt die Coda triumphierend fortissimo und Allegro vivace aus.
rs