Zahllose Platteneinspielungen, darunter die klassisch gewordene Aufnahme von Schuberts Spätwerk (Neuauflage in 4 CDs, auch einzeln erhältlich), belegen das breite Repertoire des Quartetts. Den Einsatz für die Musik des 20. Jahrhunderts dokumentiert die Jubiläums-Edition 1971–1996, 25th Anniversary. «Das Alban Berg Quartett ist ein wertvolles, unersätzliches Stück Musikgeschichte» sagt einer, der es wissen muss: Luciano Berio.
Im Oktober 1815 schreibt er mit dem Erlkönig das Lied, das er später zu seinem Opus 1 bestimmte. Ein halbes Jahr vorher entstand das g-moll-Quartett. «Stärker als in anderen Quartetten der Zeit hat Schubert in seinem ersten Moll-Quartett den ‘klassizistischen’ Aspekt betont (straffe Formgliederung, kontrapunktische Durchführungsarbeit, thematische Verknüpfung der Sätze). Auch der melodische Tonfall erinnert bisweilen an ’Klassisches’, so an Beethovens Quartett op. 18 Nr. 2 (Finale) im ersten Satz und an Mozarts g-moll-Sinfonie (einem Lieblingsstück Schuberts) im Menuett» (M. Lichtenfeld).
Das Es-dur-Quartett D 87 ist eines der hübschesten, beliebtesten und meistgespielten der frühen Quartette. Dass man es jedoch im 19. Jahrhundert (zusammen mit D 353, mit dem es als op. 125 1830 postum veröffentlicht wurde) für im Jahre 1824, dem Entstehungsjahr des a-moll- und d-moll-Quartetts, entstanden halten konnte, ist ein heute nicht mehr verständlicher Irrtum. Erst die Auffindung des Manuskripts während des 1. Weltkriegs erbrachte die korrekte autographe Datierung November 1813. Bemerkenswert sind – neben dem gefälligen Kopfsatz und dem intermezzohaften Scherzo, «kurz und bündig eine deftige Rahmenhandlung zu einem reizenden Trio» [A. Feil]) und das Finale, eines «der besten, die Schubert bis 1819 komponierte» (J.E. Brown).
Welch andere Welt in Schuberts grösstem Quarett! In nur elf Tagen (allerdings möglicherweise nach Vorarbeiten im Jahr 1824) fast gleichzeitig mit Beethovens Abschluss von op. 131 entstanden, stellt es, mit jenem gleichrangig, nicht nur einen Gipfel der Quartettkunst dar, sondern gehört in seiner Weise zum Schwierigsten – in der Ausführung und im Erfassen. Kein populäres Liedthema (ist es deshalb weniger beliebt als das Rosamunde-Quartett oder als Der Tod und das Mädchen?), keine behäbige Biedermeierseligkeit täuscht über das Ernsthafte hinweg. In geradezu sinfonischen Zügen werden dramatische, in unruhigem Tremolo aufbrausende Blöcke mit lyrisch-kantablen verzahnt, als eine Art «einander ablösender Varianten. Variierte Reihung kennzeichnet auch den zweiten Satz, dessen ausgedehnt singende Cello-Melodien wohl Beruhigung, gar Frieden auszustrahlen vermöchten, wäre ihnen nicht der Affekt der Ruhelosigkeit in den Oberstimmen beigegeben» (A. Feil). Schubert hat hier wie in der C-dur-Sinfonie, im Streichquintett und in den letzten Sonaten nicht nur zur gros-sen Form gefunden, sondern in ihren Ein- und Ausbrüchen Grenzen erreicht, an die er auch in der Lyrik der Winterreise oder im Heine-Zyklus gestossen ist.
rs