In angelsächsischen Ländern trägt Haydns Es-dur-Quartett aus op. 33 den Beinamen «The Joke»: Ein an sich schon witziges, eher kurzes perpetuum mobile-Rondo wird gegen Ende durch ein pathetisches Adagio unterbrochen – allein das wirkt parodistisch. Der eigentliche Scherz folgt aber erst: Vor lauter Pausen (Bitte nicht zu früh klatschen!) weiss man nie, wann das Stück wirklich aufhört. Voraus gegangen waren drei Sätze, die Heiterkeit und Ernsthaftigkeit abwechseln liessen. Der monothematische Kopfsatz zeigt ein zwischen Kantilene und munter springenden Tönen schwankendes Thema, dessen Motive originell weiter verarbeitet werden. Das eher ernsthafte Scherzo-Menuett erlebt im Trio mit den ländlermusikartigen, im portamento hinaufgezogenen Tönen einen starken Kontrast. Richtig ernst ist das prächtige Largo in Rondoform mit seiner herrlichen Kantilene und zwei synkopierten Passagen.
Das 6. Quartett entstand in knapp einem Monat im August 1956 und wirkt leichter – oder, wie Kritiker sagten, oberflächlicher. Es hat lange gebraucht, um ins Repertoire der Quartettensembles zu gelangen. Der Druck, unter dem Schostakowitsch bis 1953 gestanden hatte, schien nun weg, auch wenn die Chruschtschow-Ära mit dem vermeintlichen Tauwetter alles andere als freiheitlich war – man denke an die Pasternak-Affäre. Der Einbezug von Rhythmen und Melodik von Kinderliedern in den beiden ersten Sätzen betont das Russische. Ein leichter Ton, als ob Haydn dem Komponisten zum Vorbild geworden wäre, herrscht über weite Strecken im Kopfsatz. Nur kurz ist ein Fortissimo-Ausbruch mit teilweise heftigen Akkorden in der Mitte – schon kehrt Unbeschwertheit zurück. Auch dem 2. Satz fehlt die Schwere, aber auch die Schostakowitsch oft eigene Neigung zum Grotesk-Scheinheiteren. Lockerheit auch hier, dazu Geigenkantilenen in hohen Lagen, zeitweise vom Cello im Pizzicato heiter grundiert. Ernsthaftigkeit dann im Lento, einer Passacaglia über ein getragenes zehntaktiges Thema im Cello. In den Variationen 2 bis 4 tritt jeweils ein weiteres Instrument dazu; die 5. Variation wird erweitert und ohne das Thema fortgeführt. Variation 6 und 7 kehren zum zehntaktigen Thema zurück. Eine kurze Coda leitet zum Lento-Beginn des Finales über. Die 1. Geige trägt das freundliche Thema vor. Ein staccato-Thema im Cello bringt einen neuen Klang. Eine allmähliche Steigerung führt zum fff der beiden Geigen, und wird im nun leise gewordenen Geschehen vom staccato-Thema von Bratsche und Cello abgelöst. Der Satz wird im Andante immer ruhiger, nimmt in der Coda den Übergang des 3. zum 4. Satz wieder auf und endet lento – natürlich! – im pianissimo morendo.
Formal ist das erste der Rasumowski-Quartette eine Art „Variationenfolge“ über die Sonatensatzform. Der erste Satz (ursprünglich war eine Wiederholung von Durchführung und Reprise, nicht aber der Exposition geplant) verzichtet auf Wiederholungen und breitet stattdessen neben vielen thematischen Einfällen grosse, ungewohnte Steigerungen aus. Das fünfteilige scherzohafte Allegretto verbindet das Scherzoschema mit dem Sonatensatz. Als wollte Beethoven die Ungewöhnlichkeit auch dieses Satzes demonstrieren, gab er ihm nicht die Tonart F-dur, sondern B-dur, die eigentlich einem langsamen Satz zukäme. Dieser wiederum steht in f-moll und bildet erneut einen Sonatensatz. Er steht als Adagio molto e mesto in grösstem Gegensatz zum vorangehenden Scherzo und kommt mit geradezu barocken Trauerfloskeln daher. Die Tiefe dieses Satzes kann mit dem Trauermarsch der Eroica verglichen werden. Beethoven hat in die beiden ersten Quartette bekanntlich russische Melodien eingebaut, wohl zu Ehren des Auftraggebers. Was er aber daraus macht, ist erstaunlich. Aus einem volksliedhaften Klagelied der russischen Sammlung von Iwan Pratsch (1790 erstmals in St. Petersburg erschienen – Beethoven besass eine Ausgabe) wird ein Rondothema mit geradezu tänzerischer Energie – doch handelt es sich gar nicht um ein echtes Rondo, sondern wieder um einen Sonatensatz. Beethoven arbeitet mit Überraschungseffekten, indem er mit Konventionen bricht, daraus aber eine vollkommen überzeugende Neugestaltung bildet. Ein Höhepunkt des Quartetts ist sicher der Übergang vom langsamen zum Schluss-Satz: Aus einem beinahe banalen Überleitungstriller der Violinkadenz wächst das Finalthema heraus.