«Das ist ein rechter Dreck! gut für das Saupublikum.» So reagierte
Beethoven, als sich Kritik und Publikum für das c-moll-Quartett des op. 18 begeisterte – ein Quartett in Moll notabene. Doch steht unter den ersten Quartetten gerade dieses Werk stärker im Ruf des Konventionellen als die andern. Noch hatte Beethoven, auch wenn dieses Quartett durchaus ernst sein kann und das Hauptthema des Kopfsatzes Leidenschaftlichkeit zeigt, nicht wirklich zu seinem späteren c-moll-Pathos gefunden. Daher hat man für op. 18/4 eine frühere Entstehung oder eine Übernahme von älterem Material, vielleicht sogar aus der Bonner Zeit, angenommen. In der Entstehungsreihe ist es das fünfte. Bei der Veröffentlichung des op. 18 war Beethoven kein jugendlicher Komponist mehr wie Mozart oder Schubert bei ihren ersten Quartetten und er musste auch nicht die Gattung neu schaffen wie Haydn. Darum ist es nicht wirklich angebracht, bei ihm von «frühen» Quartetten zu sprechen. Umso mehr überraschen die formale Einfachheit und der Verzicht auf Durchführungselemente ebenso wie der wenig individuelle c-moll-Charakter. Und doch zeigt der Kopfsatz ein leidenschaftliches Drängen im zwölf Takte langen Hauptthema. Der Seitensatz (Es-dur) ist aus dem Hauptthema abgeleitet, wirkt aber lyrischer. Dieser doch recht persönlich gehaltene Satz endet ziemlich düster. Einen wirklichen langsamen Satz hat das Quartett nicht. Beethoven wählte stattdessen zwei Varianten: ein Scherzo, das durch seine Staccati scherzhaft wirkt, in der Form aber ein Sonatensatz ist, und ein Menuett mit zahlreichen Sforzati. Dieses ist nun doch noch ein pathetischer c-moll-Satz, zumal er bei der Wiederholung durch die vorgeschriebene Tempoverschärfung an Dramatik gewinnt. Im Finale fühlt man sich trotz heftigen Akzenten an Haydn erinnert; man kann aber auch das wohl gewollt Einfache feststellen.
Die Überarbeitung der früheren Stücke op. 18,1-3 im Jahr 1800 hat einen entscheidenden Schritt vorwärts gebracht. Gleichwohl hat Beethoven nicht auf die Veröffentlichung des 4. Quartetts verzichtet und es auch nicht überarbeitet. Vielleicht hat gerade das Fehlen des allzu Anspruchsvollen dem Werk den Erfolg verschafft. So hat es positive Beurteilungen erfahren, die Beethoven damals nicht anerkennen wollte, wie der zu Beginn zitierte verärgerte Ausruf belegt. Trotzdem war ihm das Stück gut genug für seine erste Quartettsammlung.
Am 9. November 1822 richtete Fürst Nikolaus Galitzin an Beethoven die Bitte, für ihn «un, deux ou trois nouveaux Quatuors» zu schreiben. Die Anfrage kam Beethoven, der durchaus nicht immer für Auftragswerke zu gewinnen war, nicht ungelegen. Bereits am 5. Juni 1822 hatte er nämlich dem Verlag Peters ein Quartett in Aussicht gestellt; es war das spätere op. 127. Doch widerrief er das Angebot, da mir etwas anderes dazwischen gekommen. Das «andere» waren die Missa solemnis und die 9. Sinfonie. Im Februar 1824 nahm er die Arbeit am Quartett wieder auf und schloss es im Februar 1825 ab. Es wurde am 6. März 1825 erstmals aufgeführt. Noch während dieser Arbeit, wohl im Herbst 1824, konzipierte Beethoven zwei weitere Quartette, op. 132 und op. 130. Während diese beiden Quartette zusammen mit op. 131 durch ein Viertonmotiv als Keimzelle verknüpft sind, stehen op. 127 und op. 135 für sich. Im Gegensatz zur Dreiergruppe sind beide Quartette leichter fasslich, halten sich auch an die gewohnte Viersätzigkeit. Das op. 127 ist gar ein Werk von weitgehend lyrischem Charakter. Schon der erste Satz beginnt nach sechs Maestoso-Takten teneramente mit einem lang ausgesponnenen, klar gegliederten Thema in Form einer lyrischen Melodie; es beruht allerdings auf einem einzigen schlichten, sequenzartig wiederholten Motiv. Trotz dem g-moll des Seitensatzes und der mehrfachen Wiederaufnahme des Maestoso-Teils wirkt der Satz wie eine Idylle. An zweiter Stelle steht eine Variationenreihe über ein weitgespanntes, rhythmisch einheitliches, kanonartig einsetzendes Thema. Der Charakter wechselt zwischen Unruhe, Munterkeit und Ekstase ab. Das in der üblichen Dreiteiligkeit gehaltene Scherzo ist geprägt von nervöser Unrast; kontrapunktische Arbeit in geflüstertem Piano hat gespenstische Züge. Das Trio wird – fern jeder Behaglichkeit – von fahrigen Violinpassagen und stampfenden Tänzen bestimmt. Der Satz könnte gut als weitere Variationenfolge zum 2. Satz gehören. Das Finale greift auf die Idylle des Kopfsatzes zurück, wirkt volkstümlich, manchmal fast derb, bevor es in der Coda, deren richtiger Charakter wohl eher comodo als con moto ist, in lyrischer Expressivität schliesst.