Das Carmina Quartett darf heute zu Recht als das namhafteste unter den Schweizer Quartetten bezeichnet werden. Das 1984 gegründete Ensemble konnte bald grosse Erfolge aufweisen, so 1987 beim Borciani-Wettbewerb. Im gleichen Jahr trat es erstmals in unseren Konzerten auf; heute ist es zum siebten Mal zu Gast. Das national und international gefragte Quartett plant sein Repertoire äusserst sorgfältig und studiert die ausgewählten Werke mit grösster Gewissenhaftigkeit ein. Dies ist nicht nur in den Konzerten zu hören, sondern auch bei Platteneinspielungen, etwa der Quartette von Ravel, Debussy, Szimanowsky, Haydn oder Brahms. Um so erfreulicher ist es, dass das Carmina Quartett nicht nur das Quartettrepertoire pflegt, sondern immer wieder mit ausgezeichneten Kammermusikpartnern auftritt. Eine der neusten Aufnahmen umfasst Othmar Schoecks «Notturno» mit Olaf Bär. Diese Aufnahme zeigt, dass das Carmina Quartett nicht nur das reine Quartettrepertoire pflegt, sondern immer wieder mit namhaften Partnern auftritt, was in unseren Konzerten - wie auch heute - meistens der Fall war.
Aus den frühen Jahren Weberns bis zum ersten gültigen Quartettwerk, den Fünf Stücken op. 5 (1909), gibt es zahlreiche Skizzen, Entwürfe und auch vollendete Quartettkompositionen. Zwei entstanden im Sommer 1905: Wohl aufgrund einer Aufgabenstellung Schönbergs, bei dem er 1904 sein Kompositionsstudium begonnen hatte, schrieb er im Juni einen langsamen Satz. Danach komponierte er vermutlich aus eigener Motivation während der Ferien ein einsätziges, dreiteiliges Streichquartett, zu dem ihn Segantinis «Alpen-Triptychon» (1899) anregte. Der «langsame Satz» steht in spätromantischer Tradition, wie man sie von Schönbergs «Verklärter Nacht» (1899) her kennt. Webern selbst hatte 1904 in der Idylle «Im Sommerwind» für grosses Orchester in spätromantischem Klang geschwelgt. Noch hat er nicht zu äusserst kurzen Formen und zur Atonalität gefunden. Der «langsame Satz» strahlt – biographisch bedingt – das Hochgefühl eines frisch verliebten jungen Mannes aus: Webern hatte Pfingsten mit seiner Cousine Wilhemine Mörtl mit Wanderungen verbracht und dazu in seinem Tagebuch vermerkt: «Zwei Seelen hatten sich vermählt!» 1912 sollte sie seine Frau werden. Hans Moldenhauer (Pianist und Musikwissenschaftler, mit seiner Frau Rosaleen Verfasser des Webern-Werkverzeichnisses) beschrieb den Satz so: «Die Musik verströmt rührende Lieblichkeit, von Glück erfüllte Heiterkeit schwillt in der Koda zu triumphierender Ekstase an. Das Quartett ist im Aufbau traditionell. Die motivische Arbeit zeigt Brahms’sche Enflüsse.» Die Bezüge auf Brahms mögen überraschen, wenn man Weberns Bemerkungen im Tagebuch von 1903 über eine Konzertaufführung von Wagners «Faust-Ouvertüre» und der 3. Sinfonie von Brahms vergleicht: «Br. und Wagner sind wol zwei Männ(er), die nicht auf ein Programm gehören. B. Symphonie so zurückhaltend, kalt ohne besondere Eingebung, allzu vornehm vergrübelt, wie ein frostiger Novembertag, schlecht instrumentirt, – grau in grau. – Wagner(s) Ouvertüre voll tief(s)ter Leidenschaft voll versengender Glut, voll aufwühlender Macht.» Vielleicht war es Schönbergs Einfluss, der ihn von seiner früheren Einschätzung abgebracht hat. Jener legte auch Wert auf sorgfältige Beschäftigung mit klassischer Form, wie sie im langsamen Satz vorliegt.
1932, zwanzig Jahre nach der Entstehung, sagte Webern über seine Sechs Bagatellen: „Ungefähr 1911 habe ich die ‚Bagatellen für Streichquartett’ (op. 9) geschrieben, lauter kurze Stücke, die zwei Minuten dauern; vielleicht das Kürzeste, das es in der Musik bisher gegeben hat. Ich habe dabei das Gefühl gehabt: Wenn die zwölf Töne abgelaufen sind, ist das Stück zu Ende. Viel später bin ich daraufgekommen, dass das alles im Zuge der notwendigen Entwicklung war. Ich habe in meinem Skizzenbuch die chromatische Skala aufgeschrieben und in ihr einzelne Töne abgestrichen. - Warum? - Weil ich mich überzeugt hatte: der Ton war schon da. - [...] Mit einem Wort: es bildete sich eine Gesetzmässigkeit heraus: Bevor nicht alle zwölf Töne drangekommen sind, darf keiner von ihnen wiederkommen. Das Wichtigste ist, dass das Stück - der Gedanke - das Thema durch die einmalige Abwicklung der zwölf Töne einen Einschnitt bekommen hat.“ Schönberg veröffentlichte die Zwölftontheorie allerdings erst 1923, doch wollte Webern offensichtlich im Rückblick seinen eigenen Anteil daran nachweisen. Entscheidend ist die Abkehr vom romantischen Klangbild hin zu einer neuen, herben Klanglichkeit und kompromisslos verknappten Form, die sich von klassischen Prinzipien abwendet.
Am 14. Mai 1847 war Fanny Hensel-Mendelssohn an einem Schlaganfall in Berlin gestorben. Felix war vom Tode seiner Schwester zutiefst erschüttert. Nach anfänglicher Erschöpfung und Unfähigkeit zu komponieren, schrieb er im Sommer in Interlaken das f-moll-Quartett als wichtigstes Werk dieser Zeit. Es darf als eine Art Requiem für Fanny gelten, eine Klage um die geliebte Schwester. Wenn dabei noch Fragmente eines Lieblingsmotivs Fannys aufscheinen, so wird klar, wem diese Klage gilt. Das Werk ist, bei Mendelssohn eine Seltenheit, autobiographisch zu verstehen. Die Mendelssohn gelegentlich vorgeworfene oberflächlich-klangschöne Unverbindlichkeit ist wie weggefegt; es handelt um ein Ausnahmewerk von grossartiger Dynamik und Tiefe. Auch wenn gelegentlich Lyrisch-Kantables ansetzt, herrscht Zerrissenheit vor, vernehmbar in den schroffen Klängen und Tremoli des Kopfsatzes, in den Synkopen und den Tritoni des Scherzos oder in den Dissonanzen und fragmentarischen Motiven des Finales. Einzig der Klagegesang des Adagios, meist in As-dur, versucht lyrisch zu sein, so, als ob er an Lieder Fannys erinnern wollte, doch ohne dass es zu einem eigentlichen Liedgesang (ohne Worte) kommt. Hier wird auch deutlich, was Fanny für Felix war: die wichtigste musikalische Beraterin während vieler Jahre. Am 4. November desselben Jahres war auch Felix tot.
Dvoráks Quintett entstammt einer glücklichen und äusserst erfolgreichen Lebensphase des Komponisten. Mit seiner 7. Sinfonie, der zweiten Reihe der Slawischen Tänze, dem Oratorium Die heilige Ludmilla und der D-dur-Messe war er weltweit berühmt geworden. In dieser Zeit nahm er ein Frühwerk, das Klavierquintett op. 5 (B 28) aus dem Jahre 1872 wieder hervor, um es zu bearbeiten Doch dies wollte nicht gelingen. So entstand ein neues Werk – in der gleichen Tonart. Das neue Werk, Pendant eines weiteren A-dur-Kammermusikwerkes, des Sextetts op. 48 (1878), ist eines seiner schönsten überhaupt, perfekt durchgeformt, heiter ohne Vordergründigkeit, je nachdem tänzerisch oder nachdenklich-melancholisch, wie es der Satzcharakter einer Dumka oder eines Furiant verlangt. Durch diese stilisierten böhmischen Elemente wurden der langsame Satz und das Scherzo ersetzt. Die ursprünglich ukrainische Dumka verbindet langsam-schwermütige mit raschen, ausgelassenen Teilen. Dieser Charakter prägt letztlich das ganze Werk, das am 6. Januar 1888 im Prager Rudolfinum erstmals erklang – auch dieses Werk mit grösstem Erfolg.