Konzerte Saison 1990-1991

  • 16.10.1990
  • 20:15
  • 65.Saison
  • Zyklus B
Stadtcasino, Hans Huber-Saal

Artis Quartett (Wien) Michael Schnitzler, Viola

Das Artis Quartett wurde 1980 in Wien gegründet. Nach Studien in Wien hat es sich beim LaSalle String Quartet in den USA weitergebildet. Es ist Preisträger der Wettbewerbe von Evian, Cambridge und Yellow Springs. Nach der Rückkehr aus den USA begann 1985 eine steile internationale Karriere. Seit 1988 führt das AQ einen eigenen Konzertzyklus im Wiener Musikverein. Die Festspielauftritten und Schallplatteneinspielungen können hier nicht ausführlich gewürdigt werden. Zyklische Aufführungen der Quartette Mozarts, Mendelssohns und Schuberts (diese 1997 in Wien, Amsterdam und Rotterdam) gehören ebenso zum Programm wie die Pflege der Quartettkunst des 20. Jahrhunderts. Hier seien die Einspielungen von Werken von Webern, Gielen, Zemlinsky, Schönberg, Weigl, Berg erwähnt. Die Gesamteinspielung von Zemlinsky ist im Gange. Mit Zemlinskys 2. Quartett gastierte das AQ im November 1988 erstmals bei uns; beim zweiten Auftritt im Rahmen des Schwerpunktprogramms Wien stand am 16. Oktober 1990 das 3. Quartett Weigls auf dem Programm. Alle vier Musiker spielen wertvolle Instrumente: der Primarius eine Domenico Montagnana (1727), der 2. Geiger eine Andrea Guarneri von 1690, der Bratscher eine G. B. Guadagnini von 1784 und der Cellist ein Cello von Andrea Amati (1573).
Heitere Leichtigkeit bestimmt auch den einzig ausgeführten Satz von Wolfs Serenade; er entstand in nur drei Tagen vom 2. bis 4. Mai 1887. Ein zweiter Satz wurde später skizziert, eine Tarantella war geplant; doch es blieb beim freien Rondo mit seinem Charme und seiner Eleganz. Wolf wird diese Atmosphäre vier Jahre später in einigen Liedern seines «Italienischen Liederbuchs» wieder aufnehmen.
Kammermusik spielt in Bruckners Schaffen keine grosse Rolle. Ein erst 1949 in einem Skizzenbuch entdecktes Streichquartett in c-moll, eine Studienarbeit von 1862, ist das einzige erwähnenswerte andere Werk der Gattung. Das zwischen der 5. und 6. Sinfonie von Dezember 1878 bis Juli 1879 entstandene Quintett dagegen ist nicht nur ein Werk der Reifezeit, sondern auch ein reifes Werk. Es entstand auf Anregung von Josef Hellmesberger (des Älteren), der Brahms und Bruckner förderte. Am 9. Dezember 1878 schrieb Bruckner: „Gegenwärtig schreibe ich ein Streichquintett in F-dur, da mich Hellmesberger wiederholt und eindringlichst ersucht hat, der bekanntlich für meine Sachen schwärmt.“ Die Uraufführung fand aber – ohne das Finale – durch das Winkler-Quartett (2. Bratsche: Franz Schalk) am 17. November 1881 statt. Sechs Tage später berichtete Bruckner Felix Mottl: „Mein Quintett im Wagner-Verein hatte kolossalen Erfolg.“ Das Hellmesberger-Quartett spielte das Werk erst am 8. Januar 1885. Da Hellmesberger das originale Scherzo zu gewagt erschien, hatte er Bruckner um Ersatz gebeten. Dieser schloss das Intermezzo am 21. Dezember 1879 ab (das Trio blieb dasselbe wie im Scherzo). 1885 spielte Hellmesberger dann doch das originale Scherzo. Eine weitere Änderung geht möglicherweise auf ihn zurück: Bruckner sah für das Adagio (im Manuskript mit Andante. Quasi allegretto. Ausdrucksvoll bezeichnet) zunächst die zweite Stelle vor, doch wurde es, wohl im Zusammenhang mit der ersten vollständigen Aufführung, an die dritte gesetzt. „Diese Reihenfolge gibt einen besseren Anschluss an das Finale“ (Leopold Nowak, Studienpartitur 1963). Bruckner, der bisher in Wien kaum Erfolge verbuchen konnte, schrieb am 9. Februar 1885: „Ich selbst wurde nach jedem Satze wiederholt gerufen, und zwar vom ganzen Publikum; am Schlusse wohl 10mal. Hofkapellm. Hellmesberger wills im November wieder aufführen. Er bat mich, ihm wieder eines zu schreiben, nannte das Werk «Offenbarung» und mich den «Componisten der Gegenwart». Wien könne stolz sein etc.“ Das Adagio an dritter Stelle macht insofern mehr Sinn, als der Kopfsatz fast selbst ein langsamer Satz ist. Erst das 3. Thema bringt mehr rhythmische Bewegung. Die ausgedehnte Coda endet mit einer geradezu orchestralen fff-Steigerung. Das rhythmisch und harmonisch spannende Scherzo in d-moll wird vom graziösen, mit pizzicato-Effekten angereicherten Es-dur-Trio unterbrochen. Das Ges-dur-Adagio bildet den Höhepunkt des Werkes, ein wunderbarer, echt brucknerscher langsamer Satz mit einem der schönsten Themen des Komponisten. Doch auch hier fehlen fff-Steigerungen nicht. Das Finale (f-moll – F-dur) in freier Sonatenform beginnt über einem Orgelpunkt auf Des und weist wiederum drei Themen auf. Eine grandiose Architektur mit Reminiszenzen an Gedanken früherer Sätze steuert auf einen fulminanten Schlusspunkt hin.