Dass auch Mozart das Leichtere, Freundliche beherrscht, zeigt das B-dur-Quartett. Und doch wird die Jagdmotivik im Kopfsatz nicht überbetont. Im Menuett verbinden sich die Ernsthaftigkeit der melodischen Linie im knapperen Hauptteil und tänzerische Heiterkeit imTrio. Zentrum des Werks ist mit seiner Intensität das Adagio, bevor das Finale an die heitere Grundstimmung des Kopfsatzes anknüpft. Auch dieser Satz ist eine Reverenz an Haydn. Mozart hatte den Satz zuerst imitatorisch kanonhaft beginnen wollen, um ihn dann von jeder spürbaren „schweisstreibenden Arbeit“ zu befreien. Vielleicht ist es das, was er mit der lunga e laboriosa fatica meinte: So lange feilen, bis das Schwere nicht mehr spürbar ist.
Bartóks erstes offizielles Quartett – ihm waren von 1896 bis 1899 drei Quartette vorangegangen, deren letztes unter dem Einfluss von Brahms stand – gehört in die Übergangsphase zum eigentlichen Personalstil. Das schon ab 1907 geplante Werk gehört in die gleiche Schaffensphase wie das lange verschollene 1. Violinkonzert (uraufgeführt 1958 durch Hansheinz Schneeberger und Paul Sacher in Basel), das Bartók für seine frühe Liebe, die ungarische Geigerin Stefi Geyer – wer hätte nicht für sie geschwärmt! – geschrieben hatte und dessen ersten Satz er später in den „Zwei Porträts“ op. 5 für Orchester wieder verwendete. Das Stefi Geyer-Motiv, welches dort die Grundlage für die Polyphonie des Satzes bildet, tritt in einer Moll-Variante mit zwei absteigenden Sexten (dis - fis / ais – c) auch im Eingangs-Lento des Quartetts auf. Bartók hat es als Begräbnisgesang beschrieben und scheint darin zugleich Abschied von seiner Jugendliebe und von der Spätromantik nehmen zu wollen. Erstaunlicherweise spielt er auch im ersten Satz des rund acht Jahre später geschriebenen 2. Quartetts nochmals darauf an. Bartók hält sich im 1. Quartett nicht mehr an vorgegebene Formschemata, weder im Grossen noch im Detail der einzelnen Sätze. Diese werden zudem durch überleitende Teile miteinander verbunden. Das mit einem Fugato und Doppelkanon langsam beginnende Quartett steigert die Schnelligkeit der Teile immer mehr und gipfelt am Ende des Schlusssatzes, eines Sonatenhauptsatzes, in wilder Energie. Dass dabei das Cello mehrfach ein pentatonisches Bauernlied zitiert, zeigt, dass Bartók bereits damals unter dem Eindruck der ungarischen Volksmusik stand, die ihn sein Leben lang nicht loslassen sollte. Als ein Zeichen der Zeit wird man die bei ihm auch später beliebten Ostinati werten dürfen, wie sie im Allegretto auftauchen. Ist das Werk zwar noch kein typischer Bartók, so deuten doch viele Elemente das an, was später seine Kunst ausmachen wird, auch wenn hier noch manche Romantizismen einwirken. Das Quartett wurde erst am 19. März 1910 vom Waldbauer-Quartett im Rahmen eines reinen Bartók-Programms aufgeführt – das Quartett hatte an der Einstudierung des schwierigen Werks fast ein Jahr lang gearbeitet.
Beethovens letzte vollendete vollständige Komposition ist das Quartett op. 135. Es entstand im Sommer und im Frühherbst 1826 in zwei Schaffensphasen. Nach den drei monumentalen Werken op. 130, 131 und 132 wirkt es wie eine Rückkehr zu Tradition und Gewohntem, gerade auch in der Rückkehr zur traditionellen Viersätzigkeit. Man glaubt sich, wie bei der 8. Sinfonie (1809 bis 1812), ebenfalls in F-dur, zeitweise, wenn auch nur scheinbar, in Haydns Welt zurückversetzt. Trotz der grösseren Zugänglichkeit und trotz der Kürze ist op. 135 ein echtes spätes Beethoven-Quartett mit überraschenden Brüchen und Wechseln. Schon der Beginn des Sonatensatzes mit dem kurzen Bratschenmotiv, auf welches die anderen Instrumente reagieren, ist raffiniert, wirkt aber natürlich und leicht. Das wieder von fünf auf drei Teile reduzierte Scherzo ist wohl der modernste Satz. Höhepunkt des Werkes ist das nur 54 Takte lange Lento assai in Des-dur. Erst mit der Zeit wird einem bewusst, dass es sich um einen Variationensatz mit vier bezeichnenderweise nicht speziell gekennzeichneten Variationen über ein zehntaktiges Thema handelt. Ein wahrer Abgesang, der in der Stimmung, vor allem in der Schlussvariation mit dem Verklingen im pianissimo zu den Schlüssen langsamer Bruckner-Sätze (8. oder 9. Sinfonie) hinführt. Beethoven hat offenbar zunächst nur drei Sätze geplant, sich aber vom Verleger Schlesinger zu vier «verführen» lassen. Hat nicht da das rätselhafte «Muss es sein?» und die Allegro-Antwort «Es muss sein!» der damals ungewohnten Einleitung zum Finale seine Ursache? Dass sich Beethoven hier einen Scherz erlaubt hat, ist wenig wahrscheinlich. Man hat behauptet, der nachkomponierte Satz sei das Lento – dann aber wäre ein Zusammenhang mit dem «Muss es sein?» unmöglich. Peter Gülke (vgl. Konzertvorschau 11. März 2013) plädiert dafür, es sei der 4. Satz gewesen – und in diesem Fall wäre die Einleitung genial und erst noch biographisch wie musikalisch begründet. Das Motiv der Frage (Muss es sein?) und die Antwort (Es muss sein!) stehen sich konträr gegenüber: Zuerst folgt auf eine fallende Terz eine aufsteigende Quart, in der Antwort ist es umgekehrt. Auch rhythmisch und im Tempo ist das Motiv, dem Sprachlichen angeglichen, verändert: Frage (Grave) lang – kurz – lang, Antwort (Allegro alla breve) kurz – lang – lang. Aus der Antwortversion des Motivs entwickelt Beethoven den Gang des Allegro; sie ist bis zum Schluss bestimmend, auch wenn die Frageversion nochmals auftaucht. Gülke verweist auf einen Parallelfall: Hatte nicht bei der letzten Klaviersonate op. 111 (1821/22) der gleiche Verleger nach der Arietta (Adagio molto) mit ihren allerdings umfangreicheren Variationen ein Finale erwartet, dort aber nicht erhalten? Warum aber Beethoven beim letzten Quartett dem Drängen Schlesingers nachgegeben hat, ist kein Rätsel – der Grund war das Geld!