Haydns um 1760 entstandene fünfsätzige Divertimenti in Quartettbesetzung wurden als op. 1 und 2 veröffentlicht. Sie bilden den Ausgangspunkt für folgende Quartettkompositionen, können aber noch nicht als echte Streichquartette gelten, wie Haydn sie später entwickeln und zur Vollendung bringen wird. Man kann sie als eine Art Vorstudien zu einer noch nicht existierenden Gattung ansehen. Ab den noch so bezeichneten Divertimenti des op. 9 (um 1770), die Haydn seine ersten Streichquartette genannt haben soll, kommt er der neuen Gattung immer näher; mit op. 20, 33 und 50 (1781, 1785 und 1787) findet er zur vollen Reife als Quartettkomponist. 31 echte Quartette (von insgesamt 58) sind bis zum op. 54 entstanden. Dieses Opus hat der Verleger auf zwei Hefte (op. 54 und 55) aufgeteilt, da er sich so eine grössere Verbreitung und mehr Einnahmen erhoffte. Das G-dur-Quartett wird in der Literatur als «besonders beliebt» bezeichnet. Darum überrascht, dass es in unseren Konzerten bisher erst zweimal aufgeführt worden ist, zuletzt 1981. Der Kopfsatz wird vom elegant-schwungvollen Hauptthema bestimmt, mit dem die 1. Geige brilliert. Die andern Stimmen fügen neben Harmonien über viele Takte durchgehende «trommelnde» Staccato-Achtel bei. Mit solchen bestreitet auch die Primgeige den zweiten Takt des Themas. Das Motiv wird, oft nur in Teilen, geradezu satzbestimmend; es leitet auch die Schlussfloskel (Takt 12 und am Satzende) ein. Ausser im Cello fehlt es in der ruhigeren Phase nach der Schlussfloskel und gegen Ende der Exposition, wo Haydn ein hübsches Seitenthema in Achtelfiguren einfügt. Die von thematischer Arbeit geprägte Durchführung nimmt das ruhige Motiv mehrfach auf. Auch das C-dur-Allegretto im 6/8-Takt ist von staccato-Achteln geprägt. Die Primgeige spielt dazu das lyrisch-pastorale Thema und schwingt sich dabei in höchste Lagen auf. Im Menuett erklingen Staccato-Klänge im Cello, nun in Vierteln zum Thema der 1. Violine. Im Trio, in dessen erstem Teil die 1. Violine schweigt, spielt das Cello staccato-Achtel in leisen Auf- und Abbewegungen; darüber stimmen zunächst 2. Geige und Bratsche, danach die beiden Geigen eine rhythmisch reizvolle, volkstümliche Melodie an. Das Finale ist ein heiteres, einem Sonatenrondo angenähertes Presto. Sein Thema wird von drei Anfangstönen auf jeweils gleicher Höhe geprägt. Mit ihnen spielt Haydn witzig, etwa wenn er darauf Generalpausen folgen lässt, so dass man nie weiss, ob nicht doch noch das ganze Thema folgt. Mit dem Dreitonmotiv endet denn auch der Satz im Pianissimo.