Wenn wir
Beethovens Verhalten und seine Äusserung gegenüber Karl Amenda, das F-Dur Quartett in der Urfassung nicht weiterzugeben, richtig interpretieren, dürfen wir die Quartette Nr. 4 bis 6 als den entscheidenden Schritt vom Quartett des späten 18. zu dem des frühen 19. Jahrhunderts ansehen. Beethoven hat die ersten drei Quartette im Jahre 1800 revidiert. Dies zeigt, dass er selbst von der ersten zur zweiten Dreiergruppe einen qualitativen Fortschritt sah, der ihn nötigte, die ersten Werke dem neuen Standard anzupassen. So sind auch diese drei Quartette, zumindest in einzelnen Sätzen (vor allem beim F-dur-Quartett die beiden ersten) zu neuartigen Kompositionen geworden. Natürlich stehen auch die Nummern 4 bis 6 noch in der Tradition; der eigentliche Bruch mit dem 18. Jahrhundert wird sechs Jahre später - dafür umso radikaler - mit den Rasumowsky-Quartetten op. 59 erfolgen.
Die modernste Passage im 6. Quartett ist die langsame Einleitung zum Schlusssatz, welche die Überschrift "La Malinconia" trägt. Die Schwermut wird in einer Weise gemalt, die "harmonisch alles Vergleichbare jener Zeit weit hinter sich lässt" (W. Konold). Im Wechsel mit der Heiterkeit der tänzerischen Allegrettoteile ergibt sich nicht nur ein Kontrast, sondern auch der Versuch, beide Seiten menschlichen Verhaltens als austauschbar nebeneinander zu stellen. Am Schluss setzt sich mit der Prestissimo-Steigerung das Tänzerisch-Lustige durch, wirkt aber, wie so oft bei Beethoven, nicht ganz frei, eher etwas künstlich. Das Werk ist auf diesen Finalsatz hin ausgerichtet: ein musikantischer, nur im Seitenthema etwas ruhigerer Kopfsatz, das melodisch-subtile Adagio in dreiteiliger Liedform und das synkopierte Scherzo mit eigenwilligen Akzenten bilden den Vorspann zum quasi una fantasia des Finales.
Tschaikowskys D-dur-Quartett gilt als erstes bedeutendes Streichquartett der russischen Musik. Zur Komposition hatte ihn sein Freund Nikolai Rubinstein, Gründer und Direktor des Moskauer Konservatoriums, an dem Tschaikowsky selber unterrichtete, veranlasst, indem er ihm empfahl, ein Konzert mit eigenen Werken zu geben. Tschaikowsky unterbrach die Komposition der Oper „Opritchnik“ und schrieb in kurzer Zeit das Streichquartett. Das Konzert fand am 28. März 1871 statt; das Quartett wurde bei der Uraufführung begeistert aufgenommen. Mag Tschaikowsky auch als „Westler“ gelten und in einem gewissen Gegensatz stehen zur Gruppe der Fünf (auch „das mächtige Häuflein“ genannt: Balakirew, Borodin, Cui, Mussorgsky, Rimsky-Korsakow), so treten doch gerade im D-dur-Quartett folkloristische Anklänge deutlich hervor. Es ist musikantisch-spielfreudig und weist einen unverkennbar russischen Tonfall auf. Im Kopfsatz wirkt das Thema mit seinem synkopierten 9/8-Takt eigenartig. Am deutlichsten klingt Folklore im Andante in B-dur, das durchwegs con sordini zu spielen ist, an. Hier greift Tschaikowsky auf ein Volkslied, das er im Sommer 1869 auf dem Landgut seiner Schwester in der Ukraine aufgeschrieben hat, zurück. Ihm stellt er ein geradezu salonhaftes Originalthema gegenüber. Das Scherzo, ein robuster russischer Tanz, ist heiter und entwickelt durch die Verlagerung des schweren Taktteils eine starke rhythmische Energie. Mit Elan verläuft das Finale. Es lässt ein russisches Dorffest aufleben. Nach dem pianissimo-Rückgriff auf das dritte Thema im Andante-Tempo klingt die Coda triumphierend fortissimo und allegro vivace aus.