Beethovens Harfenquartett und dem op. 67 von Brahms gemeinsam ist - bei beiden Komponisten nicht häufig anzutreffen - ein Finale, das als Allegretto mit sechs bzw. acht Variationen gestaltet ist. Während Beethoven die Variationenfolge «quasi experimentierend zur weiteren Erprobung klangfarblicher, instrumentatorischer Reize nutzt» (A. Werner-Jensen), lässt Brahms sein Finale durch den Einbezug von Themen des Kopfsatzes zu einem bewusst gestalteten und komplexen Ganzen, das die Gesamtform des Werkes betont, erwachsen. Damit verweist es eher auf den späten als auf den mittleren Beethoven. Beiden Werken ist auch ein - als Reaktion auf das vorangehende Quartettschaffen - versöhnlich-leichterer, freundlicher Charakter eigen. Beethoven wollte oder musste auf den für die damalige Zeit ungewohnt komplexen Zyklus der Rasumowsky-Quartette, Brahms auf sein lange erdauertes op. 51 mit dem pathetisch-bekenntnishaften c-moll- bzw. dem elegisch-poetischen a-moll-Quartett «reagieren». Beide Male ist ein freundlich-heiteres Werk herausgekommen; deren Heiterkeit ist nicht blosse Fassade, sondern verbirgt hinter leichten Harfenklängen bzw. bukolischem Frieden einen tiefen Kunstwillen. Bei beiden Werken sind «keine anpasserischen künstlerische Kompromisse geschlossen worden, sondern es wird nur ein anderer Weg beschritten». Dadurch dass Brahms die im op. 51 vorgeformte Technik der entwickelnden Variation weiterführt und auf das Finale hin ausrichtet, zeigt auch er den bewussten Willen zur neuen Formgestaltung. Die Gelöstheit ist innerlich begründet. Ist es nicht eine besondere Leistung eines Künstlers, Schwieriges leicht, Ernsthaftes heiter erscheinen zu lassen? Beethoven und Brahms, die zeitweise ihre liebe Mühe mit Heiterkeit und Leichtigkeit hatten, fanden in beiden Werken auf höchstem Niveau dazu. Nichts kann die neue Gelöstheit hübscher zeigen, als was Brahms zur Widmung des op. 67 zu sagen hatte. Wie er für die «Zangengeburt» des op. 51 des Chirurgen Theodor Billroth bedurfte, so widmete er das op. 67 erneut einem Medizinerfreund, fügte aber hinzu: «Es handelt sich um keine Zangengeburt mehr; sondern nur um das Dabeistehen.»
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Nun also Beethovens op. 74 selbst! Unter den mittleren und späten Quartetten ist es sicher das einfachste und am leichtesten zugängliche, wirkt es doch vornehmlich heiter und freundlich. Schon die Äusserlichkeit der harfenartigen Pizzicati, die dem Werk den nicht gerade aussagekräftigen Beinamen beschert haben, lässt heitere Stimmung aufkommen. Die langsame Einleitung (die Mendelssohn in op. 12 aufgegriffen hat) leitet auf das Hauptthema des Allegro hin, indem es dessen Hauptmotiv umgekehrt vorwegnimmt. Bereits die Durchführung mit ihren Steigerungen lässt erleben, dass freundliche Heiterkeit allein nicht der einzige Charakterzug dieses Werks ist. Im Adagio, beherrscht von weitgespannten Kantilenen, kommt Expressivität hinzu. Auch hier tauchen die Harfenpizzicati wieder auf. Das Presto, nicht ausdrücklich als Scherzo bezeichnet, wird von einem ständig wiederholten Motiv (man fühlt sich an die Fünfte erinnert) beherrscht und der zweimal auftauchende Trioteil, zum Prestissimo gesteigert, macht durch sein Dauerfortissimo Heiterkeit rasch vergessen. Erst das Variationenfinale mit seinem liebenswürdigen Thema führt wieder zu Beruhigung und bekräftigt den Hauptcharakter des Werks.
Haydns Quartette op. 76 und 77, 1797 bzw. 1799, sieben und neun Jahre nach Mozarts letzten Beiträgen zur Gattung entstanden, bilden den End- und Höhepunkt der Streichquartettkomposition des 18. Jahrhunderts. Das Opus 76, die letzte Sechserserie Haydns, enthält bedeutende Stücke, ob sie nun einen Namen tragen wie das Quinten-, Kaiser- oder Sonnenaufgang-Quartett oder nicht. Die Nr. 1 ist eines der schönsten und beliebtesten, obwohl es (sieht man von der Bezeichnung Erdödy-Quartette nach dem Widmungsträger Graf Joseph Erdödy für das ganze Opus ab) beinamenlos ist. Es ist dicht und konsequent gearbeitet, und doch lockern kantable und heitere Momente die ernsthaften Partien auf. Als einziges dieser Spätwerke weist es eine – wenn auch knappe – Einleitung auf: drei Forteakkorde. Nach diesem zweitaktigen «Vorhang auf-Motiv» setzt das Thema ein, doch nicht in der ersten Violine, sondern es wird, in g-moll mit dem Cello beginnend, fugenartig auf alle Instrumente verteilt. Die Fugenform wird nicht weitergeführt; eine volkstümliche Melodie bringt ein Seitensatzthema ins Spiel, so dass doch noch ein Sonatensatz zustande kommt. Das mozartnahe Adagio in C-dur, wohl einer der schönsten langsamen Sätze Haydns, verbindet Kantabilität und konzertantes Prinzip. Das Presto-Menuett kann man als Haydns erstes Scherzo im beethovenschen Sinne bezeichnen; das Trio setzt als Kontrast auf ländlerartige, oberstimmenbetonte Volkstümlichkeit. Das Finale, ein Sonatensatz, ist das längste Finale in diesem Opus und wohl auch in Haydns ganzem Quartettschaffen. Es beginnt fortissimo und unisono düster in g-moll, nimmt dann lieblichere Formen an und endet in geradezu gassenhauerhafter Heiterkeit.
Franz Anton Hoffmeister (1754-1812) hatte die Rechte studiert, später aber zur Musik gewechselt. Neben einer grossen Zahl eigener Kompositionen ist er ab 1784 vor allem als Verleger bekannt. Bei ihm erschien 1785 von drei geplanten Klavierquartetten Mozarts das in g-moll (KV 478), das zweite (Es-dur KV 493, vollendet am 3. Juni 1786) 1787 allerdings bei Artaria – und das dritte wurde leider nie komponiert. Die geplante Werkserie für diese neuartige Besetzung – was wohl den Erfolg minderte und auch das Ende der Serie verursachte – gehörte vielleicht zu einer Art «Existenzsicherungsprogramm» für Mozart. Hoffmeister jedenfalls unterstützte den Freund öfters finanziell. Möglicherweise steht das als Hoffmeister-Quartett bekannte KV 499 in diesem Zusammenhang, ob als «Ersatz» für die erfolglosen Klavierquartette oder als Dank für Unterstützung ist unklar. Auffällig ist, dass dieses siebte der zehn späten Quartette ein Einzelopus ist. Mozart trug es am 19. August 1786 in sein Werkverzeichnis ein. Es entstand ein Jahr nach Beginn der Komposition des Figaro und erschien im selben Jahr bei Hoffmeister. Mit dem Figaro hat es die Haupttonart D-dur gemein, dazu die Mischung aus Melancholie und Buffonerie, heiterem Charme und leidvollem Ernst, welche die Oper so unvergleichlich macht. Schon das Thema des Kopfsatzes verbindet Einfaches mit Elegantem im Hauptthema, das in absteigenden Dreiklangtönen beginnt und, eingeleitet von einem punktierten Rhythmus, in eine fünffache Tonwiederholung münden. Die Motive bilden, ständig variiert, das Grundmaterial des Satzes, das zeitweise kontrapunktisch verarbeitet wird oder durch weitere Motive ergänzt und abgelöst wird. Dies macht den Satz vielfältig und doch einheitlich. Ihm folgt, letztmals an zweiter Stelle, das ländlerhafte Menuett und ein bewegtes, intensives Trio in d-moll. Kontrastreich schliesst sich das Adagio in G-dur an, von dem Alfred Einstein gesagt hat, es spreche «in noch niemals gehörter Tiefe von gewesenem Leid». Auch das Finale zeigt in den raschen Triolen, welche das Thema am Beginn in Fragmente zerlegen, als ob sie erst lernen müssten, daraus das Hauptthema zu machen, die seltsame Mischung von Heiterkeit und Melancholie, welche diesen Einzelgänger unter den grossen Quartetten mit dem Figaro verbindet.